»Das ist sonderbar! – Wollt Ihr mir Eine Frage gestatten? – Ihr werdet sie vielleicht sonderbar finden nach dem, was Ihr mir so eben gesagt habt – aber die Neugier trägt den Sieg über meine gute Lebensart davon – ist Dus Malbone eine Lady, die ebenbürtige Gesellschafterin einer jungen Dame wie Miß Priscilla Bayard?«
»Das ist eine Frage, die sich vielleicht nicht so leicht beantworten läßt; denn in manchen Beziehungen steht sie weit über allen jungen Frauenzimmern, die ich kenne. Ihre Familie war, wie ich immer gehört, eine sehr gute von beiden Seiten; sie ist jetzt arm, arm fürchte ich bis zum Mangel!« Hier hielt Priscilla inne; ihre Stimme zitterte und ich sah ihr die Thränen ins Auge treten. »Die arme Dus!« fuhr sie fort – »sie hatte viel zu ertragen, was die Armuth betrifft, selbst schon in der Schule, wo sie in der That mehr wie eine aus Gnaden Unterhaltene, denn als eine Pensionärin war; aber Keine von uns Allen wagte, ihr Etwas anzubieten. Ich scheute mich sogar, sie zu bitten, ein Band von mir anzunehmen, was zu thun ich gar kein Bedenken tragen würde gegenüber von Kate oder irgend einem anderen jungen Frauenzimmer, das ich genau kennte. Ich kannte nie ein edelherzigeres Mädchen als Ursula Maldone, obgleich wenige sie verstehen, glaube ich.«
»Das ist wieder ganz der alte Andries! Er war auch, Gott weiß, arm genug, und ich habe ihn förmlich Mangel leiden sehen, um seine Pflicht gegen das Mädchen zu erfüllen und zugleich es in seiner äußeren Erscheinung an Nichts fehlen zu lassen als Kapitän unter den regulären Truppen von New-York; und doch konnte Keiner von uns, nicht einmal mein Vater, ihn je dazu bringen, auch nur einen einzigen Dollar zu borgen. Er gab gerne, nahm aber nie Etwas an.«
»Das kann ich leicht glauben, das ist ganz ebenso die Art von Dus. Wenn sie aber ihre Sonderbarkeiten hat, so hat sie auch edle Eigenschaften genug, um tausend Schwächen zu vergüten. Doch möchte ich nicht, daß Ihr nicht Ursula Malbone für ein in jeder Hinsicht treffliches Wesen hieltet, obgleich sie gewiß ihre Sonderbarkeiten hat.«
»Welche sie ohne Zweifel von den Coejemans geerbt hat, da ihr Oheim, der Kettenträger, auch seine Sonderbarkeiten hat.«
»Die Malbones haben Nichts vom Blute der Coejemans in ihren Adern.« erwiederte die Lady rasch, »obgleich es achtbar ist und man sich desselben nicht zu schämen hat. Die Mutter von Dus Malbone war nur die Halbschwester von Kapitän Coejemans, und sie hatten verschiedene Väter.«
Es schien mir, Priscilla sehe etwas verlegen und verwirrt aus, sobald sie ihre genaue Bekanntschaft mit der Genealogie der Malbones verrathen hatte, und wie wenn es ihr leid thäte, überhaupt zu viel von der Sache gesagt zu haben; denn sie trat zurück, pflückte eine Rose und wandelte fort, an der Blume riechend, wie wenn sie nicht Lust hätte, weiter über diesen Gegenstand zu sprechen. Die Aufforderung zum Frühstück zu kommen jedoch, würde ohnehin unserem Gespräch ein Ende gemacht haben, und es wurde Nichts mehr von dem Kettenträger und seiner wundersamen Nichte, Dus Malbone, gesprochen. Sobald der Imbiß vorüber war, wurden unsere Pferde vorgeführt, und Kate und ich verabschiedeten uns. Jaap war, wie gewöhnlich, ein paar Stunden vorher mit unserm Gepäck abgegangen. Der Leser darf nicht glauben, daß wir zu jener Zeit alle Ausflüge zu Pferde machten; im Gegentheil, meine Mutter hatte eine sehr hübsche Chaise, in welcher sie im Lande herumzufahren pflegte, mit einem auf dem Pferde sitzenden Postillon; mein Vater hatte einen Phaeton, und in der Stadt hatten wir sogar einen Wagen; denn die Vereinigung des Vermögens der Familien Mordaunt und Littlepage hatte uns in eine sehr behagliche Lage versetzt und behaglich lebten wir auch. Aber junge Ladies liebten das Reiten vor fünfundzwanzig Jahren mehr als heutzutage; und da Kate eine vortreffliche Reiterin war, wie zu ihrer Zeit ihre Mutter, machten wir oft zusammen Ausflüge zu Pferde. Mithin war es freie Wahl, nicht Notwendigkeit, doch trugen vielleicht auch die schlechten Wege Etwas bei, die uns veranlaßten, nach Satanstoe hinüberzureiten, so oft wir unsere Großmutter besuchen wollten.
Ich küßte meine liebe, alte Großmutter recht zärtlich beim Abschied, denn ich sollte sie diesen Sommer nicht mehr sehen, und sie gab mir dafür ihren Segen. Bei Tom Bayard war ein warmes, brüderliches Händeschütteln hinreichend, da ich mit ziemlicher Gewißheit darauf rechnen durfte, ihn in Lilaksbush zu sehen, ehe ich von dort abreiste. Wie ich mich seiner Schwester näherte, welche mir freundschaftlich die Hand darbot, sagte ich, indem sie dieselbe faßte:
»Ich hoffe, dies ist nicht das letzte Mal, daß ich Euch sehe, ehe ich nach den neuen Ländereien aufbreche, Miß Bayard. Ihr schuldet meiner Schwester einen Besuch, glaube ich, und dieser Besuch wird mir Gelegenheit geben, später erst das leidige Wort: Lebewohl zu sagen!«
»Das ist nicht die rechte Art, einer Lady Herz zu gewinnen, Mordaunt!« rief Kate munter. »Es sind nur fünfzehn Meilen von Eures Vaters Thüre bis zu den Hickories, müßt Ihr wissen. Sir; und Ihr habt die für immer gültige Einladung, mit Eurer militärischen Gestalt einen Schatten über die Schwelle ihres Hauses zu werfen.«
»Von meinem Vater sowohl als von meinem Bruder.« – setzte Priscilla etwas hastig hinzu. »Ganz gewiß werden sie sich immer sehr glücklich schätzen. Major Littlepage bei sich zu sehen.«
»Und warum nicht von Euch selbst. Miß Spröde?« fragte Kate, welche beflissen schien, ihre Freundin in einige Verlegenheit zu setzen. »Wir sind einander jetzt nicht mehr so gänzlich fremd, daß eine solche kleine Huld und Freundlichkeit unschicklich wäre.«
»Wenn ich Herrin meines eigenen Hauses bin, falls dies je der Fall seyn sollte, werde ich mir gewiß Mühe geben, den Ruf der Gastlichkeit nicht zu verlieren, dadurch, daß ich versäumte, die ganze Familie Littlepage in meinen Einladungen zu begreifen,« antwortete Priscilla, entschlossen, sich nicht fangen zu lassen. »Bis dahin müssen die Aufforderungen von Papa und Tom genügen.«
Das Mädchen sah diese ganze Zeit über bezaubernd liebenswürdig aus, und bot dem Lächeln der Umgebung mit einer Selbstbeherrschung Trotz, die mir bewies, daß sie vollkommen gut wußte, was sie that. Nie war ich in größerer Ungewißheit, wie ich ein junges Frauenzimmer verstehen und beurtheilen sollte, und es ist sehr möglich, daß, wäre ich einen Monat länger in ihrer Nähe geblieben, das Interesse, das eine solche Ungewißheit leicht erweckt, mich in verzweifelte Liebe gestürzt hätte. Aber die Vorsehung hatte es anders beschlossen.
Während unseres Rittes nach Lilaksbush weihte mich meine Schwester mit gebührendem Erröthen und geziemendem Stocken in das Geheimniß ein, daß sie Tom Bayard erhört habe. Die Vermählung sollte erst nach meiner Rückkehr aus dem Norden stattfinden, und diese war im nächsten Herbste zu erwarten.
»Also soll ich dich beinahe so bald verlieren als finden, Kate,« sagte ich etwas niedergeschlagen.
»Nicht mich verlieren, Bruder; nein, nein, nicht mich verlieren, sondern mich finden, mehr als je. Ich werde in eine Familie verpflanzt werden, in welcher Du Dir wohl bald selbst eine Gattin suchen dürftest.«
»Wenn ich käme, welchen Grund hätte ich zu glauben, daß meine Absicht würde vom Erfolg gekrönt werden?«
»Das ist eine Frage, welche Ihr nicht berechtigt seyd, zu thun. Wäre mir auch ein besonderer Grund bewußt, anzunehmen, daß Eure Aufnahme eine günstige seyn würde, so könnt Ihr mir doch nicht die Treulosigkeit zutrauen, daß ich meine Freundin verrathen würde. Junge Ladies sind nicht von so gar leichtem und geschmeidigem Charakter, wie Ihr zu glauben scheint, Sir; und keine andere Verfahrungsweise als die gerade und ehrliche wird zum Ziele führen. Ich habe jedoch keinen andern Grund zu der Annahme, es würde Euch nach Wunsch gelingen, als daß Ihr ein angenehmer Jüngling seyd, von gutem Aussehen, gegen dessen Familie und Vermögen Nichts einzuwenden ist, ganz in der Nähe von den Hickories ansäßig, von entsprechendem Alter, Gemüthsart, Charakter, Lebensweise