»Drängt es sich Euch nicht als eine nothwendige Folge der Entfernung beider Länder von einander auf,« fragte ich ihn im Verlaufe des Gesprächs, »daß eine Trennung früher oder später hätte eintreten müssen? Es ist unmöglich, daß zwei Länder lange gemeinsame Beherrscher haben, wenn ein Ocean dazwischenliegt. Zugegeben selbst, daß unsere Trennung etwas vorzeitig sey, eine Behauptung, die ich bei einer diesen Punkt ausschließlich betreffenden Erörterung läugnen würde, ist sie doch gewiß ein Uebel, welches seiner Natur nach mit jeder Stunde sich vermindert!«
»Trennungen in Familien sind immer schmerzlich und peinlich, Major Littlepage; und sie sind es doppelt, wenn sie von Zwistigkeiten begleitet sind.«
»Ganz richtig; und doch kommen sie immer vor. Wenn nicht in dieser Generation, dann in der nächsten.«
»Ich glaube in der That,« sagte Tom Bayard, und sah mich halb flehend dabei an, »wir hätten mit unsern Händeln und Zerwürfnissen fertig werden können, ohne unser Unterthanenverhältniß gegen den König abzuschütteln.«
»Ja, das ist für Tausende der Stein des Anstoßes gewesen; und doch ist es in Wahrheit der schwächste Punkt, den sie jenseits des atlantischen Meeres für ihre Ansicht geltend machen können. Was nützt das Unterthanenverhältniß gegenüber von dem Könige, wenn das Parlament seine Macht in einer Weise gebraucht, daß die amerikanischen Interessen denen Englands untergeordnet werden! Man kann gar viel Vernünftiges und Triftiges sagen zu Gunsten der königlichen Macht, das gebe ich sehr gerne zu: aber sehr wenig zu Gunsten eines Verhältnisses, bei welchem ein Volk der Unterthan des andern wird. Der Name Loyalität verblendet die Menschen gegen Thatsachen und setzt eine eingebildete Macht an die Stelle einer wirklichen. Die Frage war, ob England mittelst eines Parlaments, in welchem wir keine Vertreter haben, für uns Gesetze machen solle und dürfe, oder nicht; und nicht die: ob George III. unser Souverän seyn solle, oder ob wir die Souveränetät des Volkes begründen und aufstellen wollen.« Dies kurze Gespräch ist im Text mitgeteilt, weil es sich in der Handschrift Mr. Mordaunt Littlepage's findet, und nicht deshalb, weil etwa der Stand der heutigen Gesinnungen in diesem Lande mit den darin ausgesprochene Ansichten in Verbindung stünde. Die amerikanische Nation, als Ganzes betrachtet, ist jetzt so vollständig emancipirt von allem englischen politischen Einfluß, als ob dieser gar nie bestanden hätte. Die Emancipation ist in der That nur zu vollständig, denn sie hat eine Reaktion mit sich geführt, welche in vielen Punkten nach der entgegengesetzten Richtung hin zu Irrthümern verleitet, und die dritte unserer Handschriften wird sich auch mit den Übertreibungen dieser Ansichten zu beschäftigen haben. Aber Mr. Mordaunt Littlepage scheint ziemlich deutliche Ahnungen von den Grundsätzen gehabt zu haben, welche der amerikanischen Revolution die Entstehung gaben, obgleich damals das Princip selbst nirgends offen scheint erkannt worden zu seyn. Der König von England war ursprünglich König von Amerika, wie er König von Irland und König von Schottland war. Zwar gab es keine amerikanische Flagge, da das herrschende System die Colonieen von aller Macht auf dem Meere ausschloß; sodann war auch jede Colonie gänzlich unabhängig von den anderen, nur mit ihnen verknüpft durch das Band der gemeinsamen Abhängigkeit von der Krone. Die Revolution von 1658 verschaffte allmählich dem Parlament das Uebergewicht; und als George III. den Thron bestieg, war dies Uebergewicht schon beinahe unbestritten. Nun stand Amerika eigentlich in keiner Verbindung mit dem Parlament, welches damals nur England und Wales vertrat; und dies war ein Stand der Dinge, wobei ein Land von dem andern abhängig war; – eine Unterordnung der Interessen des einen unter die des andern, welche offenbar nur so lange dauern konnte, als die beherrschte Partei zu schwach war, sich selbst Recht zu verschaffen.
Bayard verbeugte sich, auf diese Bemerkung hin, ganz höflich gegen mich und änderte den Gesprächsgegenstand. Es war jedoch genug gesprochen worden, um mich zu überzeugen, daß wenig politische Sympathie zwischen uns bestehen würde, möchten sich auch die Familienbande noch so eng knüpfen. Die Mädchen gesellten sich zu uns, ehe wir wieder recht in ein anderes Gespräch gekommen waren; und es verdroß mich ein wenig, als ich fand, daß Kate etwas mehr auf die Ansichten ihres Anbeters über diese Gegenstände einging, als sich, meinem Dafürhalten nach, mit den ächten Gesinnungen eines Mitgliedes der Familie Littlepage, nach Allem, was vorgefallen war, vertrug. Dennoch war ich nicht gemeint, meine Schwester deswegen hart beurtheilen zu wollen, da ich selbst doch auch es gerne gesehen hätte, daß die Frau, die ich liebte, so viel als möglich mit mir in allen meinen Ansichten harmonirt hätte. Andererseits fand ich zu meiner Ueberraschung an Miß Priscilla eine eifrige, und die Wahrheit zu gestehen, eine etwas blinde Patriotin, und sie verdammte England, den König und die Bestrebungen des Parlaments mit einer Wärme, welcher nur diejenige gleichkam, womit sie alle Dinge, Beschlüsse, Maßregeln, Grundsätze und politischen Schritte vertheidigte, die rein amerikanisch waren.
Ich kann nicht sagen, daß ich so viele Duldsamkeit bewiesen hätte gegen den Patriotismus der Miß Bayard, wie gegen den kleinen Verrath meiner Schwester. Es schien ganz natürlich, daß Kate anfing, Dinge dieser Art mit den Augen eines Mannes anzusehen, welchen sie entschlossen war zu heirathen; aber es erschien weit eher als gesucht und gemacht bei ihrer Freundin, die einer Toryfamilie angehörte, so freiwillig sich den Gesinnungen eines Mannes anzuschließen, den sie noch nicht lieben konnte, da sie ihn bis zu diesem Tage noch nicht gesehen hatte.
»Ist es nicht so, Major Littlepage,« rief das reizende Geschöpf – denn sehr reizend war sie ohne alle Frage; und weiblich, und zart, und höchst fein und anständig, und Alles, was ich nur wünschen mochte, wäre sie nur ein wenig minder eine Whig und ein gut Theil mehr eine Tory gewesen; – und ihr Auge flammte und sprühte dabei, als fühlte sie Alles, was sie sagte, im innersten Herzensgrunde – »Ist es nicht so, Major Littlepage? – Amerika ist aus diesem Kriege mit unvergänglichem Ruhme hervorgegangen; und seine Geschichte wird in tausend Jahren das Staunen und die Bewunderung Aller sehn, die sie lesen?«
»Das wird einigermaßen davon abhängen, wie sich seine Geschichte von jetzt an bis dahin gestaltet. Die frühere Geschichte aller großen Nationen erfüllt uns mit Bewunderung und Theilnahme, während gewaltigere Thaten, von einem unbedeutenden Volke verrichtet, gewöhnlich vergessen werden.«
»Aber doch ist diese Revolution von der Art gewesen, daß jede Nation darauf hätte stolz seyn dürfen!«
Da es nicht schicklich gewesen wäre, dies zu leugnen, verbeugte ich mich und entfernte mich ein wenig von der übrigen Gesellschaft, unter dem Vorwand, Muscheln zu suchen. Bald gesellte sich meine Schwester zu mir, worauf folgendes kurze Gespräch zwischen uns sich entspann.