»Gut gekontert, Sportsfreund«, sagte Arne Larsen. Ein breites Grinsen legte sich um seinen Mund. Schmerzhaft drückte er dann Daniels Hand zusammen, die er ganz plötzlich ergriffen hatte.
»Dann fahren wir nach oben«, sagte Daniel. »Meine Sprechstunde ist beendet.«
»Sie haben bloß auf mich gewartet, stimmt’s? Isabel braucht Schützenhilfe, wie ich vermute. Sie ist doch ein raffiniertes Biest.«
»Sie ist unsere Freundin«, sagte Daniel betont.
»Meine auch. Ein Klasseweib. – Mein Ton schockiert Sie?«, fragte er mit einem schiefen Lächeln.
»Keineswegs. Tun Sie sich keinen Zwang an«, erwiderte Daniel höflich.
Sie gingen zum Lift. Arne sah Daniel mit einem unergründlichen Blick an. Er klatschte seine Hand an die breite Stirn, dass es nur so dröhnte. Daniel zuckte erschrocken zusammen.
»Jetzt weiß ich es«, sagte Arne, »Sie sind Isabels heimliche Liebe. Genau der Typ, der ihrem exklusiven Geschmack entspricht.«
»Psst«, machte Daniel, »meine Frau ist eifersüchtig.« Er lachte spitzbübisch.
Als Arne Fee dann kennenlernte, wusste er, dass es auf keiner Seite Anlass zur Eifersucht gab, und Daniel wurde schnell restlos überzeugt, dass in diesem harten, schnoddrigen Burschen ein weicher Kern steckte. Er hatte sich ein paar doppelte Whiskys genehmigt, aber anzumerken von einer Wirkung war ihm nichts.
Aus seinem Aktenkoffer nahm er einen Ordner, der voll war mit Zeitungsausschnitten.
»Diese Geschichte liegt über ein Jahr zurück. Wieso interessierst du dich jetzt dafür, Isabel?«, fragte Arne.
»Du witterst eine Story, aber daraus wird nichts, sonst kündige ich dir die Freundschaft«, erwiderte sie ernst.
»Isabel wollte mir einen Gefallen tun«, warf Fee ein.
»Ihnen?«, staunte Arne. »Wieso?«
»Wir kennen Christina Hammerdonk.«
»Sie existiert noch?«, entfuhr es Arne. »Verzeihung, aber bei uns kursiert das Gerücht, dass sie in einer Klapsmühle gestorben ist.«
»Arne, wie wär’s, wenn du dich mal etwas vornehmer ausdrücken würdest?«, fragte Isabel.
»Der Sinn bleibt doch der gleiche«, sagte Daniel leichthin. »Reden Sie nur, wie Ihnen der Schnabel gewachsen ist, Herr Larsen.«
»Ein feiner Mann werde ich nie«, brummte Arne. »Deswegen habe ich bei Isabel auch alle Chancen verspielt.« Er verzog sein Gesicht zu einer traurigen Grimasse.
»Deswegen nicht«, sagte sie. »Du taugst nicht zur Ehe, und das weißt du genau.«
»Sie hat wie immer recht«, sagte Arne grinsend. »Also, Christina Hammerdonk ist lebendig.«
»Uns interessiert, was vor einem Jahr geschah«, sagte Isabel mahnend.
»Da steht es schwarz auf weiß«, erklärte Arne. »Es war natürlich aufregend. Hammerdonk gehörte zu den ganz Prominenten. Dann dieser Unfall am Hochzeitstag seiner Tochter. Der Bräutigam wartete vergeblich an der Kirche.«
»Was?«, fragte Daniel erregt. »Er wartete an der Kirche?«
Arne sah ihn erstaunt an.
»So wurde es berichtet«, erwiderte er irritiert. »Stimmt das nicht? Ich
war zu der Zeit am anderen Ende der Welt.«
»Wie kam es zu dem Unfall?«, fragte Fee. »Das interessiert uns am meisten.«
Arne sah sie ein bisschen unglücklich an. »Ich kann für die Berichterstattung meiner Kollegen keine Garantie abgeben. Es wird in solchen Fällen alles dramatisiert. Wenn ein Mann wie Hammerdonk auf solche Weise stirbt, kann man nicht jedes gedruckte Wort auf die Goldwaage legen. Tags zuvor berichteten die Zeitungen noch von der bevorstehenden Hochzeit seiner Tochter. Am nächsten Morgen war er tot und Christina lebensgefährlich verletzt. Der Wagen wurde an einem unbeschrankten Bahnübergang von einem Zug erfasst. Da, lest die Schlagzeile: ›Das Schicksal brachte Tod statt Flitterwochen!‹ Ganz schön geschmacklos!«
»Gut, dass du es einsiehst«, sagte Isabel.
»Du kennst doch die Leser«, wehrte Arne energisch ab. »Sie wollen so was. Ich habe es nicht geschrieben. Es gibt noch geschmacklosere Schlagzeilen. Jedenfalls ist an dem Unfall nichts Rätselhaftes. Der Chauffeur hatte einen über den Durst getrunken. Wahrscheinlich in der Vorfreude auf eine romantische Hochzeit. Er war seit zwanzig Jahren bei Hammerdonk beschäftigt. Christina Hammerdonk war kein Objekt für Reporter. Ein Mädchen ohne Vergangenheit. Keine Affären, man sah sie kaum in der Öffentlichkeit. Sie scheute diese anscheinend. Die Trauung sollte in einer entlegenen Dorfkirche stattfinden. Das wurde alles erst hinterher publik.«
»Und dort erfuhr der verhinderte Ehemann tränenerfüllten Auges das Drama?«, fragte Isabel.
»Wie kannst du spotten?«, fragte Arne vorwurfsvoll. »Immerhin war Christina Hammerdonk nicht nur ein reiches, sondern auch ein entzückendes Mädchen. Bitte, seht euch die Bilder an.«
Daniel und Fee konnten feststellen, dass diese Aufnahmen ein wirklich bezauberndes Mädchen zeigten, das wenig mit der Christina gemein hatte, die sie kennen gelernt hatten. Aber Isabel, die clevere Journalistin, beschäftigten andere Gedanken.
»Du sagtest, dass Christina jeder Publicity abhold war, Arne. Woher stammen die Bilder?«
Arne zuckte die Achseln.
»Kann ich nicht sagen. Du weißt doch, wie man an so was rankommt. Es war eine bekannte Familie. Sie hatten Freunde. Dr. Vaerland, der Vermögensverwalter, scheint jedenfalls nicht publicityscheu zu sein. Übrigens sagt man ihm eine Affäre mit Karen Hammerdonk nach.«
»Karen Hammerdonk?«, fragte Fee.
»Christinas Mutter. Sie war strahlender Mittelpunkt der Gesellschaft. Eine bildschöne Frau. Sie kam auch durch einen Autounfall ums Leben. Duplizität der Ereignisse. Sie war allerdings als rasante Fahrerin bekannt und trank auch gern einen.« Arne schaute Isabel an und fragte dann: »Habe ich mich jetzt wieder danebenbenommen, Isabel?«
»Du trinkst auch gern einen«, meinte Isabel anzüglich.
»Ich kann aber allerhand vertragen und setze mich dann nicht ans Steuer. Was ist mit der kleinen Hammerdonk? Kommt die Heirat nun doch zustande, oder fand sie schon statt?«
»Nein, das nicht«, erwiderte Fee. »Sie ist auf der Suche nach ihrer Vergangenheit. Und wir wollen ihr dabei helfen.«
Sekundenlanges Schweigen war im Raum, dann nahm Arne noch einen kräftigen Schluck.
»Eins muss ich dir lassen, Isabel, du suchst dir großartige Freunde aus. Ich hoffe, dass ich mich nicht zu sehr blamiere, oder dich, weil ich gern auch weiterhin zu deinen Freunden zählen möchte.«
Er hatte es kaum ausgesprochen, als das Telefon läutete. Es war Björn Reuwen, der für Fee und Daniel ein Päckchen von Dr. Cornelius mitgebracht hatte und anfragte, ob er schnell einmal vorbeikommen könnte.
Es wurde kein schnelles Vorbeikommen, denn die Bekanntschaft mit Arne Larsen war auch für Björn hochinteressant. Besonders, was er über Dr. Vaerland erfuhr.
Sehr aufmerksam betrachtete er dann das Zeitungsfoto, das angeblich den erschütterten jungen Ehemann darstellte. Angeblich, denn es war keinesfalls Bob. Für Björn wäre es auch eine große Überraschung gewesen, wenn Bob sich nach dem Unfall noch den Reportern gestellt hätte. Zu schrecklich wäre der Gedanke gewesen, Bob könnte mit diesem Unfall etwas zu schaffen haben, doch dieser war einer jener
absonderlichen tragischen Zufälle, die den Beteiligten Grauen einflößen konnte.
Bob jedenfalls war zu dieser Zeit schon weit entfernt gewesen, mit viel Geld in den Taschen, Geld von Hammerdonk und auch Geld von seinem Bruder Björn.