»Du sagst mir Bescheid, Tilli, wenn Paps wieder munter ist«, sagte Trixi.
»Jawohl, gnädiges Fräulein.«
Trixi lachte verdutzt auf. »Seit wann so formell?«, fragte sie.
»Ich weiß, was sich gehört«, sagte Tilli. Und deshalb zog sie sich auch zurück.
»Du hast einen gewaltigen Eindruck auf sie gemacht«, meinte Trixi neckend. »Danke, dass du gekommen bist. Gehen wir in den Wintergarten.«
Ihm gefiel das Haus weitaus besser, wenn nicht Dutzende von Menschen die schönen Räume bevölkerten, die so geschmackvoll eingerichtet waren. Da war nichts Protziges, alles passte zusammen. Dennoch wurde ihm jäh bewusst, dass die Hollenbergs nicht nur zu den oberen Zehntausend, sondern gar zu den oberen Tausend gehören mussten. Der Gedanke dämpfte seine Stimmung gewaltig, obgleich sein Herz höher geschlagen hatte, als Trixi so frisch und natürlich vor ihm gestanden hatte.
»Mir ist es lieber, wenn man uns nicht beobachten kann, vor allem die Kuhlmann nicht«, sagte Trixi gelassen. »Möchtest du Kaffee oder was Erfrischendes?«
»Kaffee wäre mir lieber, zum Aufmuntern.«
»Du hast auch nicht viel geschlafen. Ruh dich aus, leg die Beine hoch. Ich sage Tilli, dass sie uns einen Mokka braut.«
Bezaubernd weiblich wirkte sie in ihrer Fürsorge und im Vorübergehen streichelte sie zärtlich über sein Haar.
Weiß sie von der Kuhlmann und Brugger, ging es ihm durch den Sinn. Aber sie wirkte so gelassen, nicht mehr so niedergedrückt, wie am Vormittag. Das hatte ihm doch großes Kopfzerbrechen verursacht.
Schon war sie wieder da, ließ sich ihm gegenüber nieder, legte ihre Füße auf den gleichen Hocker dicht neben seine. Nichts Kokettes war dabei, alles schien ihr selbstverständlich. Aber ihm fiel es nicht leicht, dabei seine fünf Sinne zusammenzuhalten.
»Was war nun mit deinem Vater?«, fragte er.
Trixi erzählte es ihm ausführlich. »Es geht ihm aber schon wieder besser. Er hat etwas gegessen, und nun schläft er wieder. Ich dachte, du würdest zuerst wegen der Kuhlmann fragen.«
»Dein Vater ist wichtiger.«
Unter seinem Blick geriet sie wieder in Verwirrung und sah geradezu unheimlich süß aus. So bezaubernd süß wie damals in Paris.
Diesen Rolf Brugger konnte er wahrhaftig aus seinem Gedächtnis streichen. Er hatte Trixi nicht verändert.
»Sie ist mit Brugger liiert«, sagte Trixi unbefangen. »Ist das eine Überraschung?«
Er hätte sie küssen mögen, weil ihre Augen so übermütig blitzten.
»Nein, es ist keine Überraschung«, erwiderte er mit einem rätselhaften Lächeln.
»Keine Überraschung?«, fragte sie verblüfft. »Weißt du das schon länger?«
»Seit heute morgen«, erwiderte er genauso offen, wie sie es gesagt hatte.
»Ich weiß es seit heute nacht.«
»Und warum willst du, dass die Kuhlmann uns nicht zusammen sieht?«
»Damit du nicht ins Gerede kommst«, erwiderte Trixi ernst werdend. »Ich hatte mir da schließlich eine ganz hübsche Geschichte eingebrockt. Begreifen kann ich es sowieso nicht mehr. Bei mir muss eine Schraube locker gewesen sein.«
Sie war einfach umwerfend in ihrer Selbstkritik, und es rührte ihn zugleich, wie besorgt sie um seinen Ruf war.
»Schau, Kleines, ich bin ein paar Jährchen älter als du, und Klatsch hat mich nie interessiert. Ich würde dich morgen heiraten, wenn es nach mir allein ginge.«
Tilli, die den Mokka bringen wollte, hatte sich erlaubt, ein bisschen zu lauschen. Jetzt hätte sie fast das Tablett fallen lassen.
Mit hochrotem Gesicht trat sie dann ein. Trixi blinzelte ihr zu. »Sie hätten sich nicht so zu beeilen brauchen, Tilli«, sagte sie nachsichtig.
Tillis Hände zitterten, als sie das Tablett niedersetzte. Mit kugelrunden Augen sah sie Michael an.
Ja, das war ein Mann, da würde sie auch nicht nein sagen. Und heiraten wollte er die Trixi. Guter Gott, was sie in den letzten Tagen alles so mitmachen musste. Aber das war wenigstens mal etwas Erfreuliches. Warum hatte sie sich denn nicht gleich mit dem Dr. Gordon verlobt? Wenn Tilli nur geahnt hätte, wie romantisch die Bekanntschaft vor Monaten begonnen hatte, wäre sie aus dem Entzücken wohl nicht mehr herausgekommen. Das war ja eine noch viel schönere Geschichte, als man sonst lesen konnte. Romanze nannten sie das in den Zeitungen.
Für den Rest des Tages wandelte Tilli nun mit verklärter Miene umher.
Trixi und Michael hatten sich eine ganze Menge zu sagen, aber nicht nur zu sagen. Einem so bezaubernden Geschöpf konnte der willensstärkste Mann nicht widerstehen. Und Michael hatte schließlich Sehnsucht genug in sich aufgespeichert.
»Dass du mich noch haben willst«, flüsterte sie dicht an seinem Mund.
»Du bist genauso, wie ich dich in meinen Gedanken behalten habe«, sagte Michael leise.
»Ich bin fast ein Jahr älter.«
»Aber nur an Zeit, nicht im Wesen. Außerdem sind es erst Monate. Hätte ich dich nur gefunden.«
»Hast du mich gesucht?«
»Und wie.«
»Wir sind am nächsten Tag abgereist. Aber du bist schon vier Monate in München, und wir hätten uns ruhig schon vorher begegnen dürfen.«
»Die Vorsehung hat uns Prüfungen auferlegt, Trixi.« Seine Stimme war ernst und nachdenklich geworden. »Ich muss Daniel dankbar sein, dass er mich überredete, mitzukommen. Mein Gott, er erwartet mich heute nachmittag.«
»Er hat doch seine schöne Fee«, sagte Trixi. »Sie ist eine tolle Frau. Was bin da ich dagegen! Weißt du, darüber habe ich schon nachgedacht.«
»Du bist ein ganz süßes kleines Mädchen, und ich bin dem Schicksal dankbar, dass du das geblieben bist«, sagte Michael zärtlich. »Bist du dir auch im klaren, was es bedeutet, mit einem Arzt verheiratet zu sein?«
»Ich werde es schon noch herausfinden, aber ich werde mir große Mühe geben, dass du zufrieden mit mir bist.«
»Du brauchst mich nur zu lieben«, sagte er.
*
»Auf Michael brauchen wir wohl nicht mehr zu warten«, sagte Daniel zu Fee.
»Wird es dir langweilig mit mir?«, scherzte sie.
»Schäfchen. Natürlich nicht. Dieser himmlische Frieden.«
»Beschrei ihn bitte nicht. Es wäre zu schön um wahr zu sein, wenn wir ungestört blieben.«
»Ich muss nachher aber noch mal nach Herrn Hollenberg sehen.«
»Ruf doch erst mal an.«
Bei allem Pflichtbewusstsein, das man auch Fee nicht absprechen konnte, geizte sie doch um jede Minute.
»Du hast doch immer die besten
Ideen, mein Schatz«, sagte Daniel und angelte nach dem Telefon.
Sein Gesicht zeigte ein wechselvolles Mienenspiel, als er der fernen Stimme lauschte.
»Das sind ja erfreuliche Nachrichten«, sagte er. »Beste Grüße an Michael, und noch einen schönen Abend.«
»He, was soll denn das?«, fragte Fee.
Er streckte seinen kleinen Finger aus. »Ein Prachtexemplar«, lachte er. »Auf den ist Verlass. Na, nun wird es ja wieder Gesprächsstoff geben.«
»Geht das nicht ein bisschen zu schnell?«, fragte Fee skeptisch.
»Nicht alle brauchen sich ja so zusammenzuraufen wie wir.