»Bettina, sei nicht so verbittert. Thomas hat dich geliebt, daran gibt es keinen Zweifel, er hätte dir halt nur von seiner amerikanischen Ehefrau erzählen müssen. Aber hol das doch nicht immer wieder aus der Schublade hervor, damit tust du dir nur weh.«
Linde hatte recht, und Bettina wollte auch nicht länger bei diesem Thema verweilen.
»Wie geht es unseren Kleinen?« wechselte sie das Thema.
Ein glückliches Lächeln umspielte Lindes Lippen. Sie strich sich behutsam über den Leib.
»Sie strampeln ganz schön herum und sind besonders nachtaktiv. Jetzt ist es schon recht beschwerlich, und ich freue mich auf den Moment, in dem ich sie in den Armen halten werde. Hoffentlich geht alles gut, hoffentlich sind sie gesund.«
»Aber ja, alle Untersuchungen sind doch einwandfrei verlaufen, die beiden entwickeln sich sehr gut. Mach dir keine unnötigen Sorgen, Linde.«
»Im letzten Moment kann etwas schiefgehen. Ich könnte es nicht ertragen, wenn mit den Kindern etwas wäre, nach Martin nicht auch noch so etwas.«
Jetzt war Bettina es, die ihre Freundin tröstend beruhigen mußte.
»Alles wird gut. Du mußt nur fest daran glauben. Sag’ mal, Linde, würde es dich beruhigen, wenn ich hier bei dir schliefe?«
»Vielleicht ab der nächsten Woche. Ich glaube nicht, daß die Kleinen schon in diesen Tagen kommen werden. Aber ja, es würde mich beruhigen, nicht so allein zu sein.«
»Und du bist dir sicher, daß ich erst ab der nächsten Woche kommen soll?«
»Absolut, mach oben deinen Kram und arbeite am besten etwas vor, damit du mir am Anfang ein wenig zur Hand gehen kannst. So zwei auf einmal, ich weiß noch nicht so recht, wie ich das bewältigen soll. Martin…«
Sie brach ab, und Bettina sah die Tränen in Lindes Augen.
Ja, Martin wäre ihr zur Hand gegangen, er hatte sich wie ein Verrückter auf seine Kinder gefreut.
Jetzt mußten sie als Freunde eben einspringen.
»Leni ist auch schon ganz heiß darauf, dir zur Hand zu gehen, sie will ja sogar in der ersten Zeit hier bei dir schlafen. Und wir haben ja bereits darüber gesprochen, daß das kein Problem ist, daß wir für das Gesindehaus schon jemanden haben, der für Leni einspringt.«
Linde wischte sich die Tränen weg.
»Was würde ich nur ohne euch machen?«
»Dafür sind Freunde da«, sagte Bettina.
Sie stand auf, denn sie hatte wirklich genug zu tun. Und Linde hatte sie ja ermuntert, es mit Jan angehen zu lassen, weil sie ihn auch sympathisch fand, eigentlich von Anfang an.
»Wir telefonieren, und danke, Linde, daß du mir zugehört hast.«
Linde grinste.
»Auch dafür sind Freundinnen gut.«
Sie erhob sich mühsam und nahm das kleine Eisbären-Baby wieder in die Hand, um es an einen passenden Platz zu setzen.
Sie wechselten noch ein paar Worte miteinander, dann verabschiedeten sie sich herzlich.
Als Bettina wieder draußen war, beschloß sie, diesmal nicht sofort nach Hause zu fahren, sondern einen Abstecher zum Friedhof und zur Kapelle zu machen.
Sie hatte einfach das Bedürfnis, das Grab ihres Vaters zu besuchen und in der Kapelle ein paar Kerzen anzuzünden und ganz still zu verweilen.
Die ersten Kerzen würde sie auf jeden Fall für Linde und die Zwillinge anzünden – Amalia und Frederic. Dann eine für sich und Jan.
Sie hielt inne.
Wollte sie das wirklich?
Bettina überlegte eine ganze Weile, dann war sie sich sicher.
Ja, sie wollte es. Sie wollte sich und Jan eine Chance geben. Wenn jemand, außer Thomas, dann konnte es wirklich nur Jan sein.
Das mit dem behutsam einander annähern, gefiel ihr.
Das beinhaltete alle Chancen. Jan war durchaus der Mann, der sie von ihrem Alleinsein erlösen, der sie aus ihrer Einsamkeit holen konnte.
Bettina gab Gas, um ganz schnell zur Kapelle hinaufzukommen. Erst wollte sie dorthin und dann das Grab ihres Vaters besuchen.
Ihrem Vater hätte Jan auch gefallen, davon war sie überzeugt.
Jan van Dahlen…
Sie beschäftigte sich schon viel zu sehr mit ihm.
*
Als sie auf den hofeigenen Parkplatz kam, sah sie ein fremdes Fahrzeug. Merkwürdig, Leni hatte überhaupt nichts von Gästen gesagt.
Sie bog um die Ecke, und da entdeckte sie ihre Schwägerin Doris, die über den Hof gelaufen kam.
Sie begrüßten sich herzlich, aber irgendwie schien Doris leicht verlegen zu sein.
»Das ist eine Überraschung«, sagte Bettina, »ich wähnte dich noch in Dubai.«
»Ich bin seit gestern zurück, und wegen dieser Reise bin ich hier. Ich muß mit dir reden, aber auch mit Markus.«
»Willst du ihm sagen, daß es einen neuen Mann in deinem Leben gibt?«
»Nein, so ist es nicht.«
»Aber dein Reisebegleiter… du warst schließlich nicht allein in Dubai.«
»Das ist richtig, aber zwischen uns läuft nichts.«
»Dieser Herr Hansen hat dich einfach nur so mitgenommen, Doris?«
»Ja, er hätte eine ganze Großfamilie mitnehmen können, die Einladung galt für ihn und Anhang.«
»Und wieso warst ausgerechnet du der Anhang? Bitte, versteh’ mich nicht falsch, Doris, ich will mich nicht in dein Leben mischen, du kannst tun und lassen, was du willst. Aber geht das nicht ein bißchen schnell? Markus sitzt hier noch in der Warteschleife. Ich habe ihm übrigens gesagt, daß du auf eine Geschäftsreise mußtest, und das hat er geschluckt. Noch einmal mache ich das nicht. Das hat Markus nicht verdient.«
»Das ist richtig, aber sag mal, Bettina, müssen wir hier in der Kälte stehen? Ich habe meine Tasche schon in dein Haus gebracht. Ich habe ja noch einen Schlüssel.«
Bettina lachte.
»Entschuldige, klar können wir reingehen. Ich koche uns einen Tee.«
»Gute Idee.«
Wenig später saßen sie sich in der gemütlichen Küche gegenüber, in der sie schon so manche Stunde gesessen und geredet hatten.
Eigentlich war es schade, daß Doris nicht mehr auf dem Fahrenbach-Hof wohnte, sondern jetzt für Brodersen arbeitete.
»Ist dieser Arne Hansen dein neuer Lover?«
»Nein, Bettina, ich finde ihn nett, er mich wohl auch, denn sonst hätte er mich nicht mitgenommen. Zwischen uns ist nichts, nicht mal ein Kuß. Aber die Reise war super, wir haben uns toll verstanden und werden uns auf jeden Fall weiterhin treffen. Und wenn sich mal was entwickeln sollte… Ich bin da offen. Er gefällt mir, aber ich bin nicht in ihn verliebt. Noch nicht.«
»Und Markus?«
»Er bedeutet mir sehr, sehr viel, vielleicht ist es sogar Liebe, was ich für ihn empfinde. Aber ich weiß jetzt, daß ich mein Leben mit ihm nicht verbringen kann.«
»Und weswegen nicht?«
»Das hat nichts mit Markus zu tun. Wenn er mit mir in der Stadt leben würde, wäre er mein Mann, sofort. Aber ich weiß, daß ich nicht so ländlich leben möchte, nicht mein Leben lang. Ich bin eine Stadtpflanze, und als ich sagte, ich könne mir sehr gut vorstellen, für immer in Fahrenbach zu leben, da habe ich mir etwas vorgemacht. Ich kann es nicht. Deswegen bin ich schließlich auch in Frankreich gescheitert.