Als sie die Höhe des Mietstalls erreichten, in dem die hübsche kleine Florence arbeitete, zog der Mörder den Kopf tief zwischen die Schultern.
»Was hast du denn?« krächzte Velo hinter ihm.
»Laß ihn, vielleicht friert er«, antwortete der Holzfäller.
Dann kam das Boardinghouse, in dessen Hauseingang Jerry Walker seinen Vater niedergestochen hatte.
Velo schnarrte: »Halt an. Da ist ein Boardinghouse. Hier werden wir Quartier machen. Ich muß endlich mal wieder in einem Bett liegen.«
Walker schwieg.
Da führte Velo seinen Gaul dicht neben ihn. »He, was ist mit dir los?«
»Ich reite weiter.«
»Ach…?«
»Yeah.«
»Hast du das gehört, Jube?«
»Hab’ ich.«
»Na und? Sollen wir uns das vielleicht bieten lassen?«
»Das mußt du wissen«, wand sich der Woodcutter heraus.
»So, das muß ich also wissen! Well, du hast es gehört, Webster. Ich muß es wissen. Und ich sage: wir bleiben hier.«
Walker nahm die Zügel hoch. Der Weißfuchs setzte sich in Bewegung.
Sofort war Velo heran und fiel dem Westcreek Man in die Zügel.
Der warf den Kopf herum. Und trotz der Dunkelheit sah Cass Velo es in seinen Augen blitzen. Ein Anblick, der ihm bei dem vermeintlichen Goldgräber völlig neu war.
»Was fällt dir ein!« zischte Walker.
Norton war heran.
»Laßt das doch, wozu wollen wir uns hier rumschlagen. Ich habe ganz andere Gedanken im Kopf. Zum Beispiel den: Wie kommt es, daß Webster und die beiden Goldkids nicht in Sanfor gelandet sind, sondern drüben in Dead West, he?«
Walker zuckte zusammen. Damned, jetzt entdeckte ausgerechnet dieser Elefant ein Loch in seinem Lügengewebe.
»Du machst dir unnötige Gedanken«, meinte Velo schleimig. »Wenn der liebe Webster uns aufs Eis zu führen gedenkt, ist er der erste, der sich darauf das Genick bricht, he-he-he-he.«
Die widerliche Lache lag dröhnend in Walkers Ohren.
»Hört zu, Boys, ich werde euch etwas sagen: Ihr braucht ja nicht mit mir zu kommen, wenn ihr plötzlich mißtrauisch werdet. Ich bin vom
Westcreek geflüchtet, ostwärts, immer ostwärts. Ich wollte nach Sulphur und habe es verpaßt. Dieses Nest hier habe ich auch nicht gesehen, ich bin geritten und geritten, durch die Nacht – und dann war ich am Morgen plötzlich in Dead West. Und trotzdem waren die Verfolger hinter mir.«
»Aber du bist doch nicht an einem einzigen Tag vom Westcreek nach Dead West gekommen«, knurrte der Schießer.
»Natürlich nicht, denn Flügel habe ich ja keine. Ich fand in einer verlassenen Berghütte Unterschlupf vor dem Regen.«
Leuchten waren sie beide nicht, sonst hätten sie das allzu Durchsichtige in »Websters« Story doch erkennen müssen. Trotz der Goldblende. Denn daß das Gold ihre Geister bereits stark getrübt hatte, war überdeutlich.
»Weshalb willst du hier keine Rast einlegen?« suchte Norton abzulenken.
»Weil ich weiter muß, und weil ich nicht im Traum daran denke, diesen beiden Schweinehunden meinen…«
Drüben im Boardinghouse wurde die Tür aufgestoßen, und Walker erkannte die Silhouette des Mannes, der ihm neulich in jener Regennacht geöffnet hatte.
Der Sheriffmörder wandte den Kopf zur Seite. »Ich reite jetzt weiter! Und wenn ihr hierbleiben wollt, dann tut das«, zischte er. »Ich jedenfalls denke nicht daran, mir von den beiden die Ader ausräumen zu lassen. Dafür habe ich schließlich nicht jahrelang in den Claims geschuftet, daß eines Tages zwei Halunken daherkommen und mir die fette Beute wegschnappen. Ich will es mir selbst von dem Gold gutgehen lassen. Ich werde mir eine Ranch kaufen. Und wenn ich euch nicht die beiden Viertel abgeben muß, kann ich mir noch einen Saloon und einen Store dazu kaufen, in die ich dann Leute setze, die für mich arbeiten müssen.«
Das genügte.
Norton knurrte: »Er hat recht, Cass. Ich reite mit ihm.«
Cass Velo hätte Norton niemals allein weggehen lassen, und wenn er todmüde sein sollte.
Walker atmete auf, als er im Trab vorwärtsritt.
Links lag das Haus des Arztes. Und der alte Walker, der dort hinter dem verhangenen Fenster mit seinen Schmerzen lag, ahnte nicht, daß der Hufschlag, den er jetzt vernahm, vom Pferd seines Sohnes stammte.
Jerry Walker hatte es geschafft. Das gefährliche Sanfor lag schnell hinter ihm, und im gestreckten Gelopp ging es westwärts.
*
Wyatt Earp und Doc Holliday hatten in Sanfor den Namen des Ranchers Walker erfahren, und das war schon sehr viel.
»Zwar wird es eine ganze Reihe Walkers geben, schätze ich, aber wir werden die Ranch dieser beiden schon finden.«
Doc Holliday war der gleichen Ansicht. Nur war er sich nicht sicher, ob der Bandit tatsächlich zu der Ranch reiten wollte.
»Er kann ja ebensogut etwas anderes vorhaben, vielleicht in der Nähe…«
»Natürlich«, pflichtete der Marshal bei. »Ich gebe zu, daß es keineswegs sicher ist, und er will nun zurückkommen, um das Geld des Alten abzuholen, falls der es nicht auf der Bank liegen hat.«
Damit hatte Holliday es genau getroffen.
Sie ritten hinüber nach Sulphur. Es war Abend, als sie dort ankamen.
Vor Carols Saloon hielt der Georgier das Pferd an. »Es war eine ziemlich lange, durstige Strecke, Marshal. Haben Sie etwas dagegen, wenn ich hier einen Brandy trinke?«
Wyatt schüttelte den Kopf. »Natürlich nicht, Doc. Ich würde jetzt auch einen guten Kaffee vertragen.«
»Den gibt’s da sicher auch.«
Sie machten ihre Tiere fest und betraten die Schenke.
Doc Holliday, der voranging, hatte die Tür noch nicht ganz geöffnet, als ihm zwei Schüsse entgegenbrüllten.
Nur ein Mann mit seinem Reaktionsvermögen konnte so gedankenschnell handeln, wie er es jetzt tat. Er hatte sich gleich fallen lassen und im Fallen gezogen.
Im harten Stakkato schlugen seine Schüsse durch den Schankraum und rissen einem grobknochigen Mann, der an der Theke stand, die Beine weg.
Neben dem Grobknochigen stand ein kleiner Mensch mit Zigeunergesicht, scharfem schwarzem Schnurrbart und dunklen Augen. Auch er hatte geschossen.
Und war getroffen worden von dem Spieler.
Die beiden Kugeln der anderen hatten das Türglas zerschlagen.
Der Zigeunertyp hatte einen Schlag gegen den rechten Oberarm bekommen. Sein Genosse lag unten an der Theke.
Und der dritte stand hinter der Tür, um den Spieler anzufallen mit seinen Schüssen.
Da Doc Holliday jedoch nicht kam, wartete er vergebens.
Dafür wurde hinter ihm eine Fensterscheibe zertrümmert, und ein brüllender Schuß stieß ihm den Colt aus der Hand.
Wyatt Earp war der Schütze. Er stieß die Scheibenstücke weiter aus dem Fenster und kletterte in den Schankraum. In der Linken hielt er seinen schweren sechskantigen Buntline Special.
Wyatt wollte einen Blick in den Eingang werfen, aber da tauchte der Georgier auch schon auf. Er hatte den rauchenden Revolver noch in der Rechten und ging auf den Zigeuner zu.
»He,