Bereits im März 1938 hatte sich mit dem „Anschluss“ Österreichs das Flüchtlingsproblem massiv verschärft. In dem Versuch, eine Lösung zu finden, berief der amerikanische Präsident F.D. Roosevelt eine internationale Konferenz mit 32 Teilnehmerstaaten ein.
Das Ergebnis der Konferenz, die im Juli 1938 in Évian stattfand, war niederschmetternd: Keiner der anwesenden Staaten war bereit, die Einwanderungsquote für Juden zu erhöhen. Einige Länder rechtfertigten sich damit, dass sie kein Einwanderungsland seien, andere verwiesen auf die schwierige wirtschaftliche Lage, die es nicht erlaube, einen Zustrom verarmter Flüchtlinge zu verkraften. Auch die USA hielten an ihrer bisherigen jährlichen Quote von 27.370 Einwanderern aus dem Deutschen Reich und Österreich fest, versprachen allerdings, diese Quote ausschließlich für jüdische Flüchtlinge zu verwenden. Australien argumentierte – wie auch einige andere Teilnehmerstaaten –, dass die Aufnahme einer großen Anzahl von jüdischen Flüchtlingen zu Antisemitismus und Rassenunruhen im Lande führen könne. „Wir haben keine Rassenprobleme im Land und hegen daher auch nicht den Wunsch, solche zu importieren“, führte der australische Delegierte freimütig aus.
Australien hatte bereits seit Beginn des Jahrhunderts eine sogenannte Politik des „Weißen Australien“ betrieben, eine Einwanderungspolitik, die sich zunächst gegen chinesische Einwanderer während des Goldrauschs gerichtet hatte, später aber generell gegen alle Nicht-Weißen. Australien wollte schlichtweg britisch bleiben und favorisierte daher britische (und weiße) Immigranten. Die Weltwirtschaftskrise und die andauernde Arbeitslosigkeit in den dreißiger Jahren erschwerten zusätzlich eine Einwanderung von Nicht-Briten nach Australien. Nur Immigranten mit 500 englischen Pfund „Landegeld“ wurden aufgenommen bzw. Ehefrauen, unmündige Kinder oder unverheiratete Schwestern als „abhängige Familienangehörige“ von australischen Bürgern. Eine Lockerung der Einwanderungsbedingungen für jüdische und nicht jüdische „Fremde“, wie alle Nicht-Briten genannt wurden, erfolgte erst 1936 mit der Erholung der Wirtschaft sowie auf Druck von angesehenen jüdischen Bürgern Australiens. Zwischen 1933 und 1935 wurden weniger als 100 jüdische Emigranten in Australien aufgenommen, 1936 waren es 150, 1937 etwa 500.
Als sich nach den Novemberpogromen 1938 die Situation der Juden im Deutschen Reich und Österreich weiter zuspitzte, wuchs der internationale Druck auf Länder mit geringer Bevölkerungsdichte. Auch Australien wurde erneut gebeten, Flüchtlinge aufzunehmen. Die australische Regierung gab nach und verpflichtete sich, über die nächsten drei Jahre 15.000 Flüchtlinge im Land aufzunehmen.
Das Flüchtlingsprogramm wurde mit einem enormen bürokratischen Aufwand abgewickelt. Von der Antragstellung bis zur Genehmigung vergingen mindestens fünf Monate, die Antragsteller hatten nachzuweisen, dass sie im Besitz von Devisen sind, mussten eine (deutsche) polizeiliche Genehmigung vorlegen und konnten keine Schiffspassage buchen, bevor sie nicht ihre Einreisebewilligung in Händen hielten. Trotz all dieser Schwierigkeiten gelang im Jahr 1939 etwa 5.000 jüdischen Emigranten die Einwanderung nach Australien (vgl. Rutland). Willkommen waren sie weder bei der jüdischen noch bei der nicht jüdischen Bevölkerung. Die Australier begegneten den Neuankömmlingen mit Abwehr, Angst und Misstrauen – nicht, weil sie Juden, sondern weil sie nicht britisch waren: Menschen mit einer anderen Kultur, mit anderen Wertvorstellungen und sozialen Normen – „Fremde“ eben, die womöglich billige Arbeit anboten oder sonst Konkurrenz darstellten, den eigenen Arbeitsplatz oder die eigene soziale Stellung bedrohten.
Unmittelbar nach ihrer Ankunft wurden die Flüchtlinge, die ja aus kulturell hoch entwickelten Ländern kamen und meist gebildete Menschen waren, von jüdischen Gemeindevertretern darüber belehrt, wie sie sich im neuen Land zu verhalten hätten. Sie wurden aufgefordert, aufs Land zu ziehen, leise und möglichst nicht deutsch auf der Straße zu sprechen, unauffällige Kleidung (keine langen Mäntel und lederne Aktentaschen!) zu tragen, keine Tauschgeschäfte auf der Straße abzuwickeln, die australischen Sitten und Gebräuche anzunehmen, kurz: so schnell wie möglich hundertprozentige Australier zu werden.
Mit dem Ausbruch des Krieges am 1. September 1939 unterband die australische Regierung jede weitere Einwanderung von Flüchtlingen und hielt an dieser Politik während der Dauer des gesamten Krieges fest.
Nach dem Krieg wurde eine neue Einwanderungspolitik in Australien eingeläutet. Die Bevölkerung sollte wachsen, die Briten konnten den Bedarf nicht decken, die Nachfrage nach nicht britischen Europäern wuchs. Entscheidende Kriterien für die Akzeptanz von Immigrationswilligen waren nun der potenzielle Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung des Landes, die Fähigkeit zur Assimilation und ein guter Gesundheitszustand.
Auf Intervention der Vertretung der australischen Juden verpflichtete sich das neu geschaffene Immigrationsministerium im August 1945 in einem ersten Schritt dazu, auf humanitärer Basis eine Einwanderungsbewilligung für 2.000 enge Verwandte von jüdischen Bürgern Australiens zu erteilen. Voraussetzung war, dass die Juden in einem Konzentrations- oder Arbeitslager inhaftiert gewesen sein mussten oder im Versteck überlebt hatten und dass sie einen Sponsor besaßen, der fünf Jahre Unterstützung für sie garantierte. Auch die Juden, die sich nach Shanghai gerettet hatten, waren berechtigt, einen Einwanderungsantrag zu stellen. Im April 1946 erreichten die ersten Flüchtlinge aus Shanghai Australien, im November legte das erste Schiff mit Flüchtlingen aus Europa an.
Die humanitäre Geste stieß nicht überall auf Zustimmung. Noch bevor die Flüchtlinge überhaupt australischen Boden betreten hatten, wurde die Politik der Regierung von Parlamentariern attackiert, und in den australischen Medien erschienen kritische Kommentare. Der Tenor war stets gleich: Die Flüchtlinge seien mehrheitlich keine Arbeiter, sondern im Gegenteil wohlhabend und dazu arrogant, sie würden sich nicht einfügen und nähmen den Australiern, insbesondere den aus dem Krieg heimkehrenden australischen Soldaten die Arbeit und die Häuser weg. Die Angst vor Konkurrenz war groß, und tatsächlich gab es eine Wohnungsknappheit. Die Ausländerfeindlichkeit war jedoch vor allem eine Folge der jahrzehntelangen Politik des „Weißen Australien“ und eine Folge der Isoliertheit des Landes. Darüber hinaus schlug sich Australien im Palästina-Konflikt auf die britische Seite, verurteilte die jüdischen Terroranschläge und wollte keine „jüdischen Terroristen“ nach Australien importieren. Laut einer Meinungsumfrage im Jahr 1948 wurde die Einwanderung von Juden zu diesem Zeitpunkt nur von siebzehn Prozent der Bevölkerung gebilligt (vgl. Rutland).
Australien zeigte jedoch durchaus auch sein ausländerfreundliches Gesicht: Viele führende Politiker, Intellektuelle, Vertreter der in Australien traditionell starken Gewerkschaften und Vertreter der Kirchen setzten sich öffentlich für die jüdischen Flüchtlinge ein.
Im Juli 1947 sagte die australische Regierung zu, in den folgenden zwei Jahren 16.000 Menschen aufzunehmen, die aufgrund des Krieges und des Holocaust entwurzelt und heimatlos geworden und nun vorübergehend in sogenannten DP-Lagern (s. Anm. S. 249) in den Reparationszonen der Alliierten, Österreich und Italien untergebracht waren. Das Programm zielte darauf ab, den Bedarf Australiens an Arbeitskräften zu decken, die körperliche Arbeit leisten konnten und wollten – sei es im Straßen- oder Häuserbau oder beim Bau von Wasserkraftwerken – und die zum Aufbau und zur Entwicklung des Landes auch in entlegenen Gebieten eingesetzt werden konnten. Die Migranten mussten – das war Voraussetzung für die Einwanderung – zweijährige Arbeitsverträge unterschreiben.
Zwischen 1947 und 1951 kamen auf diese Weise knapp 200.000 Flüchtlinge nach Australien, darunter allerdings nur 500 Juden. Juden entsprachen den geforderten Kriterien der Immigrationsbehörde (Fähigkeit zur Assimilierung, Gesundheit, zwei Jahre vertragsgebundene