Betreff: Re: Termin
Datum: 09. 08. 2012, 10 : 14:15
Sitzen Sie?
Betreff: Aw: Termin
Datum: 09. 08. 2012, 10 : 15:18
Ja, immer noch am Schreibtisch.
Betreff: Klartext
Datum: 09. 08. 2012, 10 : 19:19
Lieber Herr Nowitzki,
ich bin für klare Worte. Ich glaube so wenig an spontane Liebe wie an die Wirkung von Globuli, aber ich befürchte, ich habe mich auf unserem Fernsehdreh direkt in Sie verknallt, gleich als ich Sie wartend mit Ihrem Buch in der Hand auf der Bank sitzen sah und obwohl wir noch kein Wort miteinander gewechselt hatten. Das Wort „verknallt“ klingt, als ob ich gerade im richtigen Alter für die Jugendweihe wäre, aber nicht so schwerwiegend wie „verliebt“. Für wen das von uns beiden schlimmer ist, vermag ich noch nicht zu sagen. Auf jeden Fall sollten Sie das wissen, bevor Sie mich treffen. Fühlen Sie sich umarmt.
***
Betreff: Du!
Datum: 10. 08. 2012, 09 : 29:12
Meine liebe Frau Fröhlich, nach Deiner letzten E-Mail wäre es ziemlich albern, wenn ich Dich weiter siezen würde, oder? Ich hab nur wenig geschlafen, weil ich mir vorgestellt habe, wie ich mich fühle, wenn Du mich umarmst. Ich wünsche DIR einen wunderbaren Tag. Roger
Betreff: Du?
Datum: 10. 08. 2012, 10 : 29:07
War mein „Du“ zu intim? Frau Fröhlich, ich wünschte, wir wären nicht durch so viele sinnlose Kilometer getrennt. Ich möchte Sie sehen und Ihnen zumindest die Hand schütteln!
Betreff: Re: Du?
Datum: 10. 08. 2012, 10 : 32:19
Du wolltest ja damals vor der Wende unbedingt nach Bonn! Erzählst Du mir die Geschichte Deiner Flucht aus dem Osten? Ich habe davon in der Biografie in Deinem Buch gelesen.
Betreff: Aw: Du!
Datum: 10. 08. 2012, 10 : 34:32
Ja, aber erst sagst Du mir, ob unser Fernsehbeitrag heute endlich gesendet wird.
Betreff: Flucht
Datum: 10. 08. 2012, 10 : 37:11
Der Beitrag setzt bereits Schimmel an. Ich wünschte, er würde endlich gesendet, dann wüsste ich wieder, wie Du aussiehst und wie Deine Stimme klingt. Erzähl mir trotzdem Deine Fluchtgeschichte, ja? Besonders interessiert mich, wie Du drüben Fuß gefasst hast. Ich nehme an, Du bist mit leeren Taschen geflüchtet, ohne Rollkoffer und Reiserücktrittsversicherung.
Betreff: Kellner mit Migrationshintergrund
Datum: 10. 08. 2012, 11 : 15:03
Ich war zwanzig, als der Osten rebellierte. Ich hatte gerade meine Ausbildung als Wirtschaftskaufmann beendet. Du siehst, in der DDR war Wirtschaft auch ein Thema, auch wenn man das kaum glauben mag. Und Du siehst, ich habe einmal einen richtigen Beruf erlernt. Bevor ich Buchautor wurde, übte ich mich im Verwalten der Planwirtschaft.
Nun, die Aussichten auf eine lebenslange Beschäftigung als Wirtschaftskaufmann in einem sozialistisch geplanten Betrieb in Dresden und auf eine Plattenbauwohnung waren für mich nicht verlockend.
Immer mehr Kollegen und Bekannte flohen im Sommer 1989 in den Westen. Ich wollte nicht als Einziger zurückbleiben und das Licht ausmachen.
Über die Grüne Grenze sind wir geflüchtet, zu dritt.
Wir liefen über Feldwege und durch den Wald, wussten nicht genau, wo wir waren, bis wir in ein kleines Dorf gelangten. Wir stromerten durch die Gassen. In einem einzigen Haus brannte noch Licht. Wir klingelten dort, bei einem Elektromeister. Als er uns die Tür öffnete, blickte er uns an, als wären wir eine Erscheinung, als wären wir die Heiligen Drei Könige in Trainingsanzügen, die sich im Tag geirrt hatten. Ich hätte gern selbst in meinem Gesicht gesehen, was der Elektromeister sah. Wie schaut man drein nach einer gelungenen Republikflucht? Er bat uns herein, machte uns allen ein Bier auf und lauschte unseren Schilderungen. Er war so ergriffen, dass er uns für zwei Nächte in einem Raum in seiner Werkstatt übernachten ließ. Danach hat er uns eine Übernachtung im nächsten Hotel gesponsert. Von da an mussten wir allein weiterkommen.
Ich fand natürlich keine Arbeit als ostdeutscher Wirtschaftskaufmann. Planwirtschaft war im Westen nicht angesagt. Ich hielt mich mit Kellnern über Wasser, während ich mein Abitur nachholte und in einer WG lebte. Die Jungs in der WG fanden es wohl exotisch, einen Ossi bei sich aufzunehmen, einen Wirtschaftskaufmann mit Migrationshintergrund. Auch in der Kneipe, in der ich mein Geld verdiente, war ich eine Attraktion. Immerzu wurde ich aufgefordert, ein paar Worte Sächsisch zu sprechen. Ich kann aber kein Sächsisch, bis heute nicht. Im Hause meiner Eltern wurde sauberes Hochdeutsch gesprochen, auch wenn das Haus in der Nähe von Dresden stand.
Zum Bücherschreiben kam ich wie die Jungfrau zum Kind. Ich hab schon immer nebenbei geschrieben und es einfach mal bei einem Verlag probiert. Geschrieben, eingereicht und fertig. Anfängerglück. Ich hatte sofort einen Fuß in der Tür und konnte mich voll aufs Schreiben konzentrieren.
Und nun bin ich seit dreiundzwanzig Jahren im Westen und begegne Dir, dem Schönsten und Besten, was meine alte Heimat für mich zu bieten hat.
Betreff: Respekt!
Datum: 10. 08. 2012, 12 : 13:16
Du siehst mich beeindruckt, wirklich sehr sogar. Ich kam nie auf die Idee, die DDR zu verlassen. Ich war sechzehn, als die Mauer fiel. Ich habe die Wende „aktiv“ am Schwarz-Weiß-Fernseher meiner Eltern mitgestaltet. Dazu habe ich Erdnussflips gegessen.
Ich muss jetzt los. Wir können uns heute nur noch per SMS den Tag versüßen. Roger, ich verzehre mich nach Dir. Meine Fantasie ist so stark, dass ich manchmal das Gefühl habe, Du wärest wirklich hier. Ich kann Dich spüren, fühlen, riechen, dabei sind wir uns nur einmal begegnet.
Betreff: geschafft!
Datum: 10. 08. 2012, 20 : 57:00
Anna, heute hast Du es geschafft! Ich weiß jetzt schon nicht mehr, was ich