Die Möglichkeiten sind so vielfältig wie wir Menschen selbst! Deshalb ist es auch gar nicht so einfach, alle Geschlechtsidentitäten zu kennen und zu verstehen. Allein auf Facebook können Sie zwischen 62 verschiedenen Geschlechtern wählen. Einige davon sind wissenschaftlich erforscht, andere Selbstbezeichnungen der Menschen, die es betrifft. Trotzdem haben sie alle ihre Berechtigung. Wie das Gesetz mit der Geschlechtervielfalt umgeht, erfahren Sie in Kapitel 2.
An dieser Stelle alle Geschlechtsidentitäten zu erklären, die es so gibt, würde den Rahmen dieses Buches sprengen. Aber schauen Sie doch einmal im Internet nach – dort finden Sie Listen mit einer großen Zahl an Bezeichnungen und deren Bedeutung.
Viele Ideen, ein Ziel: So geht Gendern
Eines der wichtigsten Dinge, die Sie wissen sollten, wenn Sie richtig gendern wollen, ist: Es gibt kein »richtig«! Bisher gelten keine einheitlichen Richtlinien, Gesetze oder Vorschriften zur geschlechtergerechten Sprache. Dafür existieren jede Menge Vorschläge, die über die naheliegendste Art zu gendern – die Paarform – hinausgehen. Mit »Leserinnen und Leser« ist zwar schon ein großer Teil der potenziellen Lesenden angesprochen. Nichtbinäre Menschen schließt diese Schreibweise jedoch aus.
In diesem Buch lernen Sie einige der gängigsten Arten zu gendern kennen (siehe Teil II):
die Paarform (Leserinnen und Leser)
den Schrägstrich (Leser/innen)
das Binnen-I (LeserInnen)
neutrale Formulierungen (Lesende)
den Gender-Gap (Leser_innen, Leser:innen oder Leser*innen)
das Prinzip der Rollenverteilung (eine Autorin, ein Buchhändler, eine Leserin)
An sich können Sie die Variante wählen, die Ihnen am besten gefällt oder die am ehesten Ihrer persönlichen Einstellung zur Vielfalt der Geschlechter entspricht. Doch jede Art hat ihre Vor- und Nachteile, über die Sie in den jeweiligen Kapiteln ebenfalls etwas erfahren. Deshalb lesen Sie in Teil III, wie Sie in verschiedenen Situationen richtig gendern.
Darum ist gendergerechte Sprache wichtig
Sie können sich ungefähr vorstellen, wie das Gendern funktioniert und dass es dazu dient, auch Frauen, trans- und intergeschlechtliche Menschen in der Sprache sichtbar zu machen. Aber vielleicht fragen Sie sich jetzt: Wieso eigentlich? Sind Frauen nicht längst an das generische Maskulinum gewöhnt und fühlen sich mitgemeint? Vielleicht geht es Ihnen ja selbst so! Und ist der Anteil nichtbinärer Menschen nicht verschwindend gering?
Auf den ersten Blick scheinen diese Einwände berechtigt und sind nachvollziehbar. Doch bei genauerem Hinsehen werden Sie feststellen, dass geschlechtergerechte Sprache wichtig ist, weil
verschiedene Studien beweisen, dass sich viele Menschen eben doch nicht vom generischen Maskulinum mitgemeint fühlen (mehr darüber in Kapitel 3)
die Gleichstellung der Geschlechter gesetzlich festgeschrieben ist und das auch für die Sprache gilt
Sie also je nach Situation verpflichtet sind, zu gendern (z. B. in Stellenanzeigen, mehr darüber in Kapitel 9)
nichtbinäre, trans- und intergeschlechtliche Menschen nicht nur selbst geschlechtergerecht angesprochen werden wollen, sondern auch sogenannte Allies, also Unterstützer:innen haben, die großen Wert auf gegenderte Texte legen
Alle mitmeinen? Gar nicht so einfach!
Wie fast immer im Leben gibt es aber auch Argumente, die gegen das Gendern sprechen. Einige Varianten geschlechtergerechter Sprache
sind schwer lesbar
entsprechen nicht der amtlichen Rechtschreibung
sind nicht barrierefrei, also unzugänglich für Menschen mit Behinderung
schließen nur einen Teil der Geschlechter ein
lassen sich schwer mit der Suchmaschinenoptimierung von Texten fürs Internet vereinbaren
Es kommt also immer darauf an, für wen, in welchem Medium und mit welchem Ziel Sie schreiben. Ob Sie sich an die amtliche Rechtschreibung halten müssen, erfahren Sie in Kapitel 9. Um herauszufinden, wie Sie im Internet richtig gendern, lesen Sie Kapitel 10. Und in Kapitel 11 erfahren Sie, welche Arten zu gendern barrierefrei sind.
Das AGG und andere Gesetze
Geschlechtergerechte Sprache zu verwenden, ist nicht nur eine persönliche Entscheidung. Auch gesetzlich ist die Gleichstellung der Geschlechter festgeschrieben – und die macht vor der Sprache natürlich nicht halt. Die wichtigsten Gesetzesgrundlagen in Deutschland bezüglich des Genderns sind diese:
Grundgesetz
Personenstandsgesetz
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
In Artikel 3 des Grundgesetzes heißt es:
»(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.«
Nach § 22 Artikel 3 des Personenstandsgesetzes gilt:
»Kann das Kind weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden, so kann der Personenstandsfall auch ohne eine solche Angabe oder mit der Angabe ›divers‹ in das Geburtenregister eingetragen werden.«
Und in § 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) heißt es:
»Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.«
Für das Gendern bedeutet das:
Männer und Frauen sind gleichberechtigt, sollten also auch in der Sprache gleichermaßen erwähnt werden.
Das Personenstandsgesetz erkennt mit der Option »divers« an, dass es mindestens noch ein drittes Geschlecht gibt – deshalb sollten Sie auch intersexuelle, transgeschlechtliche und nichtbinäre Menschen in Ihre Texte einbeziehen.
Das AGG bezieht sich auf die Gleichbehandlung von Menschen unter anderem in beruflichen, Bildungs- und gesellschaftlichen Kontexten. Es macht beispielsweise das Gendern in Stellenanzeigen und offiziellen