Die Standardenthalpie einer Reaktion ist gleich der Summe der Standardenthalpien einer Folge von Reaktionen, in die die betreffende Reaktion formal zerlegt werden kann.
Diese Einzelschritte müssen praktisch nicht unbedingt realisierbar sein; die Zerlegung kann in rein hypothetische Teilreaktionen erfolgen, einzig unter der Bedingung, dass die Stoffbilanz erfüllt ist. Thermodynamisch ist die Gültigkeit des Satzes von Hess damit zu begründen, dass die Enthalpie eine Zustandsfunktion und ihr Wert damit wegunabhängig ist, solange Ausgangsstoffe und Produkte der Bruttoreaktion gleich bleiben. Unabhängig davon, durch welche Reaktionsfolge (die auch hypothetische Schritte enthalten darf) wir von den angegebenen Reaktanten zu den gewünschten Produkten kommen, ist die Enthalpieänderung des Gesamtprozesses stets gleich. Die Bedeutung des Satzes von Hess besteht darin, dass wir eine bestimmte, auf direktem Weg vielleicht schwer zu untersuchende Reaktion anhand von Kenndaten bekannter Reaktionen beschreiben können.
Beispiel 2-5 Die Anwendung des Satzes von Hess
Die Standardreaktionsenthalpie der Hydrierung von Propen,
beträgt –124kJmol–1. Die Standardreaktionsenthalpie der Verbrennung von Propan,
beträgt –2220 kJ mol–1. Wie groß ist die Standardreaktionsenthalpie für die Verbrennung von Propen?
Vorgehen Mit diesem Beispiel wollen wir den Aufbau einer thermochemischen Gleichung aus Teilschritten üben. Wir versuchen, die gesuchte Reaktion durch Addition und Subtraktion der gegebenen und ggf. anderer erforderlicher Teilreaktionen aufzubauen. Dann können wir die Reaktionsenthalpien der Teilschritte entsprechend addieren und subtrahieren. Tabelle 2-6 enthält zusätzlich benötigte Daten.
Antwort Die gesuchte Verbrennungsreaktion ist
Sie kann als Summe folgender Reaktionen geschrieben werden:
Übung 2-6
Berechnen Sie die Hydrierungsenthalpie von Benzol aus seiner Verbrennungsenthalpie und der Verbrennungsenthalpie von Cyclohexan. [–205 kJ mol–1]
Anwendung 2-2 Energiespeicher im Körper
Die thermochemischen Eigenschaften von Brennstoffen und Nahrungsmitteln diskutiert man in der Regel anhand der spezifischen Enthalpie, der Verbrennungsenthalpie für ein Gramm der Substanz: Ist die Standardverbrennungsenthalpie der Verbindung ΔCH⦵ und ihre molare Masse M, so ist die spezifische Enthalpie ΔCH⦵/M Tabelle 2-7 fasst die spezifischen Enthalpien einiger Brennstoffe zusammen.
Der tägliche Energiebedarf eines durchschnittlichen 18 bis 20 Jahre alten Mannes beträgt ungefähr 12 MJ, der einer gleichaltrigen Frau etwa 9 MJ. Würden wir uns ausschließlich von Glucose (3) mit einer spezifischen Enthalpie von 16kJg–1 ernähren, so müsste ein Mann davon 750 g pro Tag essen und eine Frau 560 g, um den angegebenen Bedarf zu decken. Die spezifische Energie verdaulicher Kohlenhydrate ist etwas höher als diejenige von Glucose; eine reine Kohlenhydrat-Diät wäre deshalb nicht ganz so mühsam wie eine reine Traubenzuckerdiät (und außerdem besser verdaulich, denn Ballaststoffe – unverdauliche Kohlenhydrate – helfen dabei, die Stoffwechselprodukte durch den Verdauungstrakt zu transportieren).
Die spezifische Enthalpie der Fette, langkettiger Ester wie Tristearin (Rinderfett), ist mit 38 kJ g–1 deutlich höher – fast so hoch wie die spezifische Enthalpie der als Brennstoff verwendeten Erdölbestandteile (48kJg–1). Fette dienen als Energiespeicher, aufdie der Organismus nur zurückgreift, wenn die leichter verwertbaren Kohlenhydrate knapp werden. Bei Tieren, die in den Polargegenden heimisch sind, wirken Fettspeicher außerdem wärmeisolierend; Arten, die in Wüsten leben (wie das Kamel) nutzen Fettreserven zusätzlich als Wasserquelle (Wasser ist ein Oxidationsprodukt der Fette).
Auch Proteine können dem Körper zur Energiegewinnung dienen. Ihre Bausteine, die Aminosäuren, sind für den Organismus jedoch in aller Regel zu wertvoll, um sie in dieser Weise zu verschwenden, denn sie werden zum Aufbau körpereigener Proteine benötigt. Die Enthalpiedichte der Oxidation von Proteinen (zu Harnstoff, CO(NH2)2) liegt im Bereich derjenigen von Kohlenhydraten.
Damit der Körper eine Temperatur von 35.6–37.8 °C aufrecht erhalten kann, muss die bei der Oxidation der Nahrung frei werdende Energie abgeführt werden. Zu diesem Aspekt der Homöostase (der Fähigkeit eines Organismus, physiologisch auf Veränderungen der Umweltbedingungen zu reagieren) tragen verschiedene Mechanismen bei. Der Blutkreislauf sorgt für eine ungefähr einheitliche Temperatur im gesamten Körper. Muss schnell Wärme abgegeben werden, so fließt Blut durch die Kapillaren der Haut, was sich durch Erröten bemerkbar macht. Neben der Strahlung steht auch die Verdampfung von Wasser als Mittel zur Wärmeabgabe zur Verfügung. Je Gramm ausgeschwitzten Wassers geben wir ungefähr 2.4 kJ Energie (für die Verdampfungsenthalpie) an die Umgebung ab. Bei intensiver körperlicher Betätigung schwitzen wir stark (dafür sorgt das Temperaturregulationszentrum im Hypothalamus). Stündlich können wir dann einen bis zwei Liter Wasser abgeben, was einem Energieverlust von 2.4–5.0 MJ entspricht.
Tabelle 2.7 Thermochemische Daten einiger Brennstoffe.
Brennstoff | Verbrennungsreaktion | ΔcH⦵/(kJmol–1) | Spezifische Enthalpie/ (kJg–1) | Enthalpiedichte/ (kJ dm–3) |
Wasserstoff |
|
–286 | 142 | 13 |
Methan |
|
–890 | 55 | 40 |
Oktan |
|
–5471 | 48 | 3.8 × 104 |
Methanol |
|
–726 | 23 | 1.8 × 104 |
2.2.2