Der Kaiser. Geoffrey Parker. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Geoffrey Parker
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Историческая литература
Год издания: 0
isbn: 9783806240108
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die für die Steuern gestimmt hatten«, als die Cortes zuletzt zusammengetreten waren.11

      Karl ignorierte diese gefährlichen Entwicklungen und verbrachte auf seinem Weg nach Santiago stattdessen vier Tage in Tordesillas bei seiner Mutter und seiner Schwester Catalina. In Santiago zog er sich dann (wie üblich) »während der ganzen Karwoche zum Gebet in ein örtliches Kloster zurück«. Am 31. März eröffnete er die Sitzung der Cortes mit der Forderung nach einem weiteren stattlichen servicio zur Finanzierung seiner Reise nach Deutschland.12 Gattinara zufolge waren Karls Ratgeber in dieser Sache uneins: »Chièvres wollte von ihnen einen neuen servicio fordern. Mercurino war dagegen. Er wies darauf hin, dass der vor zwei Jahren beschlossene servicio noch immer nicht eingetrieben war, weshalb es nicht sinnvoll erscheine, einen neuen zu fordern. Er prophezeite, dass man andernfalls einen Volksaufstand heraufbeschwören werde.« Adrian von Utrecht teilte die Befürchtungen des Großkanzlers und rief Karl später in Erinnerung, dass er eine ähnliche Warnung schon früher ausgesprochen hatte: »Als wir in Santiago waren, sagte ich Eurer Hoheit, dass Ihr die Zuneigung all dieser Untertanen verloren hättet, aber Ihr glaubtet mir nicht.«13 Stattdessen hielt Pedro Ruiz de la Mota, einst ein Felipista, der sein Exil an Karls Hof verbracht hatte, »auf königlichen Befehl« eine wortgewaltige Ansprache an die Cortes, in der er verkündete:

      »Die Glorie Spaniens, die lange Jahre geschlummert hat, ist nun wieder erwacht. Von jenen, die Spaniens Ruhm besungen haben, wissen wir, dass andere Völker Tribut nach Rom geschickt haben – Spanien aber schickte Kaiser [Trajan, Hadrian, Theodosius]. Und nun ist das Reich nach Spanien gekommen auf der Suche nach einem Kaiser, und unser König von Spanien ist durch Gottes Gnade zum König der Römer und zum Kaiser der ganzen Welt erwählt worden.«

      Der Bischof erinnerte die Delegierten daran, dass »es nicht weniger ehrenvoll ist, das Gewonnene zu bewahren, als es überhaupt erst zu gewinnen – und genau so ist es nicht weniger ehrlos, einem Triumph nicht weiter nachzugehen, als gleich geschlagen zu werden«. Er versicherte der Versammlung in Karls Namen, dass »er mit Gottes Hilfe binnen – allerhöchstens – drei Jahren nach seiner Abreise zurückkehren wird«. Ferner versprach er, dass in Zukunft »kein Amt in diesen Königreichen an jemanden vergeben werden soll, der nicht von hier stammt«. »Sogleich nach der besagten Rede«, fährt der offizielle Sitzungsbericht fort, »gab Seine Majestät höchstselbst den in den Cortes versammelten Prokuratoren« eine feierliche Bestätigung der soeben von Mota gegebenen Versprechen.14

      Die Rede erfuhr schon bald in gedruckter Form eine weitere Verbreitung. Gattinara überwachte ihre Metamorphose in einen lateinischen Traktat mit dem Titel »Die unmittelbar vor seiner Abreise gehaltene Ansprache Karls, des Königs der Römer, vor den spanischen Cortes«, in dem Karl prahlte:

      »Wer glaubt, die Herrschaft über die ganze Welt falle irgendeinem durch Truppen oder Reichtümer zu oder durch widerrechtliches Drängen oder List, der irrt. Die Herrschaft kommt von Gott allein. Ich habe eine derartige Verantwortung nicht selbst angestrebt, denn ich wäre in der Tat schon mit meinem spanischen Reich (Hispano imperio) zufrieden gewesen, mit den Balearen und Sardinien, mit dem sizilischen Königreich, mit großen Teilen von Italien, Deutschland und Frankreich sowie mit noch einer anderen, sozusagen goldträchtigen Welt [pene alio aurifero orbe, d. i. Amerika].«

      Jedoch, fuhr Karl fort, habe ihn eine »schicksalhafte Notwendigkeit« dazu gezwungen, die Kaiserwürde auf sich zu nehmen:

      »[Diese] Entscheidung muss auch aus der gebührenden Ehrfurcht vor der Religion heraus getroffen werden, deren Feind [d. h. die Türken] sich so sehr ausgebreitet hat, dass weder der Frieden der Christenheit noch die Würde Spaniens noch schließlich das Wohlergehen meiner Königreiche einer solchen Bedrohung gewachsen wäre. All diese werden kaum fortbestehen können, wenn ich nicht Spanien mit Deutschland verbinde und dem König von Spanien den Titel des Kaisers hinzufüge.«

      Und um das alles zu erreichen, brauchte er nur bescheidene 500 000 Dukaten.15

      Als Redebeitrag war das schön und gut, doch schien es, wie Juan Manuel Carretero Zamora bemerkt hat, allzu vielen im Publikum, als sei »die neue Krone, die auf das Haupt Kastiliens hinabgestiegen war, in Wahrheit eine Dornenkrone«. Anders als die Ständeversammlungen in den Niederlanden, in Deutschland oder selbst in Aragón besaßen die Cortes von Kastilien – dem reichsten unter Karls Besitztümern – »so gut wie keine ›verfassungsmäßigen‹ Verteidigungsmittel (ob institutionell, demokratisch oder fiskalisch) gegen einen jungen König, der in seinem neu gewonnenen Königreich nur die Gans erblickte, die goldene Eier legt«. Die Delegationen gleich mehrerer Städte verweigerten die Kooperation. Toledo hatte erst gar keine Prokuratoren entsandt; stattdessen brachten zwei angesehene Bürger der Stadt »eine Petition vor des Inhalts, dass die Gesetze des Königreiches nicht auf derart himmelschreiende Weise gebrochen werden sollten« – jedoch hörte Karl ihnen (wie Mártir berichtet) nur »auf eine äußerst unfreundliche Weise zu«.16 Weil er unbedingt noch Heinrich sehen wollte, bevor er sich mit Franz traf, befahl er den verärgerten Prokuratoren, ihm von Santiago nach La Coruña zu folgen, wo seine Flotte vor Anker lag. Auch verkündete er, er habe Adrian von Utrecht für die Zeit seiner eigenen Abwesenheit zum »Administrator und Gouverneur« von Kastilien, der Kanarischen Inseln und der spanischen Besitzungen in Amerika ernannt. Diese Entscheidung beruhe auf »unserem eigenen Antrieb, vernünftiger Erwägung und unserer absoluten königlichen Gewalt, die wir auszuüben wünschen und ausüben als ein König und Herr, der keine andere weltliche Macht über sich weiß«. Zweifellos hielt er diese Begründung für umso angebrachter, als die Ernennung Adrians einen Verstoß gegen jenen feierlichen Eid bedeutete, den Karl erst kurz zuvor den Cortes geleistet hatte: dass nämlich »kein Amt in diesen Königreichen an jemanden vergeben werden soll, der nicht von hier stammt«.17 Umgehend meldete sich eine Gruppe kastilischer Adliger zu Wort, die den König aufgebracht »daran erinnerten, dass ein minderjähriger König (pupilo) nach den Gesetzen Kastiliens nur einem Spanier die Regierungsgeschäfte anvertrauen dürfe, nicht jedoch einem Fremden«, woraufhin Karl zurückschnappte, dass »er ja kein Minderjähriger mehr sei und dies nun einmal so tun wolle« (die erste belegte Wortmeldung Karls in eigener Sache).18 Und obwohl eine Mischung aus Bestechungsgeldern und anderen Zugeständnissen die in La Coruña festsitzenden Prokuratoren schließlich dazu bewegen sollte, dem neuen servicio zuzustimmen, lehnten es manche Städte weiter ab, die Zahlungen zu leisten – mit der Begründung, es sei »nicht recht, dass Seine kaiserliche Majestät die Einkünfte dieses Königreiches in seinen anderen Herrschaftsgebieten ausgibt«. Auch beklagten sie sich darüber, dass Karl seine Wahl im Reich angenommen hatte, »ohne den Rat oder die Zustimmung dieser Königreiche einzuholen«.19 Im April und Mai 1520 nötigten Unruhen in mehreren kastilischen Städten Vertreter der Krone zur Flucht; das entstehende Machtvakuum füllten Kommunalregierungen (von deren spanischem Namen sich die Bezeichnung »Comuneros-Aufstand« herleitet). Karl indessen kümmerte sich – obwohl er noch sechs Wochen in Galicien auf einen günstigen Wind zur Abreise wartete, fast so lange wie drei Jahre zuvor in Zeeland – kaum um diese Entwicklungen. Stattdessen konzentrierten seine Minister und er sich ganz auf ihre Angelegenheiten in den Herrschaftsgebieten im Norden.

      Am 20. Mai schließlich konnte Karls Flotte in See stechen und legte nach einer Reise von nur sieben Tagen im englischen Dover an, wo Lordkanzler Wolsey den jungen König an Land begrüßte und ihn nach dem Abendessen auf Dover Castle zu dem Schlafgemach geleitete, das man schon für ihn vorbereitet hatte. Als Heinrich die Nachricht von Karls Eintreffen hörte, sprang er kurz entschlossen auf sein Pferd, ritt zur Burg und drang »in die Kammer ein, in der Seine kaiserliche Majestät schon schlief, und dort umarmten sie sich und tauschten noch andere Zeichen ihrer gegenseitigen Zuneigung«. Am nächsten Morgen lernte Karl seine Tante Katharina von Aragón kennen und auch Heinrichs Schwester Mary, die vormalige »Prinzessin von Kastilien«. Man speiste, trank und tanzte, wobei die Festivitäten immer wieder von ernsthaften politischen Gesprächen unterbrochen wurden, die das Fundament für ein engeres Bündnis zwischen den beiden Herrschern legen sollten. Nach drei Tagen ging Karl wieder an Bord seines Flaggschiffs und segelte in Richtung Niederlande davon.20

      Heinrich hingegen setzte über den Ärmelkanal nach Calais, um dort auf dem Camp du Drap d’Or (»Feld des goldenen Tuches«) mit Franz I. zusammenzutreffen: ein legendäres, aufwendiges