„Woher hatten Sie die Waffe?“, wollte der Hauptkommissar wissen.
„Gekauft. Schon vor langer Zeit. In einer Bar in Freiburg. Für hundertfünfzig Euro.“
„Warum haben Sie dieses Verbrechen verübt?“, fragte der Hauptkommissar. „Waren Sie in Geldschwierigkeiten?“
„Ich musste es tun“, erklärte der Gangster heiser.
„Weshalb?“, wollte der Beamte wissen.
„Ich liebe Tilla ...“
„Wer ist Tilla?“
„Tilla Deltgen“, antwortete der Mann.
Der Hauptkommissar schrieb sich den Namen auf.
„Ich liebe sie, und ich dachte, sie würde mich ebenfalls lieben. Aber sie war nicht ehrlich zu mir“, sagte Elmar Spira gebrochen. „Mir kam das komisch vor, dass sie an manchen Tagen keine Zeit für mich hatte. Ich begab mich zu dem Haus, in dem sie wohnte, und wartete. Sie ... sie ging mit einem andern aus. Für mich stürzte eine Welt ein. Tilla und ein anderer Mann! Mal traf sie sich mit ihm, dann ging sie wiederum mit mir aus. Sie dachte, ich wüsste nichts von dem andern, aber ich holte Erkundigungen ein. Ich erfuhr seinen Namen und dass er einen Supermarkt leitete. Ich hasste ihn, weil Tilla ihn ebenso sehr mochte wie mich. Ich konnte das nicht ertragen, sagte mir, dass ich dieses Problem irgendwie lösen müsse. Radikal lösen! Ich erzählte Tilla von einer Erbschaft, die ich in Aussicht hätte. Ich dachte, sie mit Geld gewinnen zu können, und ich wollte meinen Rivalen ein für allemal aus dem Weg räumen. Deshalb überfiel ich den Supermarkt, und ich hatte die Absicht, Volker Ahlert zu erschießen. Dann hätte ich Tilla getröstet und für mich allein gehabt. Aber Ahlert blieb am Leben.“
Der Hauptkommissar ließ sich den Tathergang genau schildern.
Danach sagte Elmar Spira: „Ich liebe Tilla immer noch, und ich bereue nicht, was ich getan habe. Ich würde.es wieder tun, damit Tilla mir gehört.“
„Damit ist es ja nun endgültig vorbei“, sagte Hauptkommissar Biegler ernst. Er wandte sich an den Beamten, der die Aussage des Lehrers mitstenografiert hatte. „Haben Sie alles?“
„Jawohl, Herr Hauptkommissar.“
Biegler lehnte sich zurück und zündete sich eine Zigarette an. Er hatte sein Ziel wieder einmal erreicht. Jetzt war er müde, aber auch zufrieden.
Diesmal war das Tatmotiv verschmähte Liebe gewesen. Enttäuschte Menschen sind zu allem fähig, das wusste Biegler.
„Bringen Sie ihn hinaus“, sagte er zu seinen Kollegen.
Eine Hand legte sich auf Spiras Schulter. Er zuckte zusammen, hob den Kopf, blickte sich geistesabwesend um, stand auf und sagte: „Sie kennen Tilla nicht, Herr Hauptkommissar. Diese Frau ist jedes Verbrechen wert.“
„Frau Deltgen kann von Glück sagen, dass Sie ihr erspart blieben“, erwiderte Biegler und zog an seiner Zigarette. „Kein Mensch ist es wert, dass man für ihn ein Verbrechen begeht. Sie werden sehr viel Zeit haben, darüber nachzudenken, und irgendwann werden Sie, davon bin ich überzeugt, zur Einsicht kommen.“
27
Es war für Tilla ein Schock, zu erfahren, dass Elmar Spira blind vor Liebe und Hass, dieses schwere Verbrechen begangen hatte. Aber sie kam darüber hinweg, und Volker Ahlert erholte sich großartig.
Er wurde wieder völlig gesund. Nur die Operationsnarbe zeugte noch von seinem schrecklichen Erlebnis.
Er traf sich häufig mit Tilla, fast jeden Tag, und sie küssten sich jetzt anders als früher. Inniger, leidenschaftlicher. Nichts stand mehr zwischen ihnen.
Ihre Beziehung durfte sich ungehindert entwickeln.
Ein wundervoller Abend war zu Ende gegangen. Tilla saß neben Volker im Wagen, und seine Lippen näherten sich ihrem Mund.
Sie war wie hypnotisiert, war voller Verlangen. Zum ersten Mal spürte sie Volkers starke erotische Ausstrahlung.
Zuerst küsste er sie ganz sanft, doch dann mit aller Macht eines Gefühls, und Tilla beteiligte sich an diesem Kuss voll Feuer und Leidenschaft.
Es war eine völlig neue Erfahrung für die Frau. Sie schmiegte sich eng an diesen faszinierenden Mann und atmete schwer.
Ein nie gespürter Hunger nach Liebe erwachte in Tilla. Jedes Fleckchen ihres bebenden Körpers schien in hellen Flammen zu stehen.
Volker wollte sich zurückziehen,vielleicht um Tilla zur Besinnung kommen zu lassen, doch sie hielt ihn fest, wollte nicht mehr klar denken. Es war so herrlich auf diesen stürmisch aufgepeitschten Wogen der Leidenschaft zu schwimmen.
Sie nahm ihn mit in ihre Wohnung, und sie blieben die ganze Nacht zusammen. Tilla schmolz unter Volkers Berührungen dahin. Sie war in seinen Armen so glücklich wie noch nie. Keinen Gedanken verschwendete sie an Elmar Spira.
Es gab nur noch Volker, sie und ihre große, wunderbare Liebe.
„Es war eine unvergessliche Nacht“, sagte Volker Ahlert am nächsten Morgen.
„Für mich auch“, sagte Tilla.
Sie frühstückten zusammen.
„Ich stelle es mir herrlich vor, jede Nacht an deiner Seite zu liegen“, sagte Volker. „Deinem Atem, dem Schlagen deines Herzens zu lauschen, an deiner Seite zu erwachen. Nichts kann schöner sein.“
Wie ein Ehepaar kamen sie sich vor, aber noch waren sie nicht verheiratet.
Noch nicht!
Sie verließen später zusammen das Haus. Der Mann brachte Tilla zur Arbeit und fuhr weiter zum Supermarkt.
Den Abend verbrachten sie wieder zusammen. Ein Tag war schöner als der andere, und Tillas Freude kannte keine Grenzen, als Volker sie eines Abends fragte: „Willst du meine Frau werden?“
Jauchzend fiel sie ihm um den Hals. „Ja! Ja! Ja!“, rief sie überglücklich aus. „Oh, Volker, du weißt nicht, wie glücklich du mich machst.“
Sie lachte und weinte, und sie sagte, wenn er sich nicht zu diesem Heiratsantrag entschlossen hätte, hätte sie ihn ihm gemacht.
„Wir sind reich, weißt du das?“, fragte Volker seine Tilla. „Wir haben so viel Liebe, dass sie für ein ganzes Leben reichen wird.“
Er sprach von Kindern und davon, dass er genug verdiene, um es sich leisten zu können, dass seine Frau nicht zu arbeiten brauche.
„Du wirst zu Hause sein, die Kinder erziehen und mich mit einem strahlenden Lächeln empfangen, wenn ich nach Hause komme“, sagte er.
„Unsere Kinder werde ich in der Wiesen-Klinik zur Welt bringen“, sagte Tilla.
„Wo denn sonst?“, fragte Volker schmunzelnd.
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