»Du demoralisierst die Männer, Nolan«, zischte Tom Billinger wütend. »Verdammt, auch ich habe Angst. Wenn wir uns aber aufgeben...«
»Wir sind ein Haufen Verlorener«, knurrte Nolan, der Corporal. »Das ist bittere Realität. Die Rothäute werden uns die Skalps abziehen und unsere Kadaver für die Wölfe und Coyoten liegen lassen. Im Sommer werden unsere Gebeine hier in der Sonne bleichen. Zu dieser Zeit aber wird von uns schon keiner mehr reden. Mach dir nichts vor, Tom. Hier ist Endstation.«
Irgendwo hustete einer der Soldaten. Ein anderer rief: »Hat jemand was zu rauchen?« Einer fluchte mit gepresster Stimme, schließlich stieß er hervor: »Wir werden das Opfer einer verdammten Indianerpolitik sein! Dabei habe ich persönlich gar nichts gegen die roten Gentlemen. Als ich allerdings die blaue Uniform angezogen habe, hat man mir auch eine entsprechende Einstellung zu den Rothäuten eingebläut. Zur Hölle damit. Warum sind ausgerechnet wir es, die die Kastanien für eine Reihe von Politikern und Geschäftsleuten aus dem Feuer holen müssen?«
Niemand gab darauf eine Antwort. Stille kehrte ein. Lastende, trügerische Stille. Der Tod hatte Stellung bezogen. Obwohl es kalt war, schwitzten die Soldaten. Ihre Lage war nahezu hoffnungslos. Den Tod vor Augen warteten sie darauf, dass etwas geschah. Die Minuten reihten sich aneinander. In den Augen der meisten war es nur eine Gnadenfrist. Sie begannen abzuschließen. So manches leise Gebet stieg zum Himmel empor. Als einer der Soldaten seine Haltung veränderte, weil seine Beinmuskulatur verkrampfte, tötete ihn ein Apache mit einem blitzschnellen Schuss. Der Knall sprengte die Stille wie ein Donnerschlag, der in vielfältigen Echos verhallte. Die sich wieder anschließende Stille mutete die Männer in den blauen Uniformen erdrückend und schrecklich an. Es war, als hielt sogar die Natur den Atem an.
Die Stunden verrannen. Es war psychologische Kriegsführung, was die Apachen betrieben. Sie wollten die Soldaten zermürben. Das Wissen um die tödliche Gefahr ringsum und die Hilflosigkeit, mit der sie ihr gegenüber standen, sollte die Kavalleristen entnerven. Es war schlimmer als ein Angriff, dem man mit Feuer und Blei begegnen konnte.
Die Soldaten begannen zu frieren. Hoffnungslosigkeit rann wie Fieber durch ihre Blutbahnen. Die klammen Hände hatten sich regelrecht um Kolbenhälse und Schäfte der Karabiner festgesaugt. Jeder wartete darauf, dass etwas geschah, etwas, das die verdammt Spannung von ihm nahm.
Die Apachen blieben bei ihrer Taktik. Die Weißen waren ihnen sicher. Weshalb sollten sie auch nur einen einzigen Krieger opfern?
Die Stunden verrannen, dann kam der Abend. Im Februar waren die Tage noch kurz. Dazu kam, dass der Himmel voller Schneewolken hing, die kein Licht durchließen. Die Nacht kam wie ein schwarzer Vorhang und kam dem Vorhaben Sharp Knifes, sich aus der Schlucht zu schleichen, ausgesprochen entgegen. Sein Pferd nahm er nicht mit. Die Hufschläge hätten ihn verraten. Kein Stern flirrte am Firmament, der Mond wurde von Wolken verdeckt. Es war finster wie in einem Mausloch. Sharp Knife verabschiedete sich von Sergeant Billinger und verließ den Platz, an dem sich die Kavalleristen verschanzt hatten. Die Finsternis schien ihn aufzusaugen. Er schlich leise wie ein Raubtier.
Auch wenn er es schaffte, den Belagerungsring der Apachen zu durchbrechen: Eine echte Chance hatten die eingeschlossenen Soldaten nicht. Es würde viele Tage dauern, bis sich Sharp Knife zu Fuß nach Fort Thomas oder Fort Grant durchschlug. Weitere Tage würden vergehen, bis Hilfe eintreffen konnte.
Die Lage war aussichtslos.
Alles in Sergeant Tom Billinger sträubte sich auf gegen dieses Begreifen. Ein dumpfer Laut, ein Stöhnen, ein Aufbäumen gegen die Erkenntnis, dass sie keine Chance hatten, entrang sich ihm. Seltsamerweise verursachte sie keine Furcht in ihm, sondern nur ein Gefühl der bitteren Resignation...
*
Der Tag brach an. Es hatte zu schneien begonnen. Wind trieb den Schnee vor sich her. Die Soldaten froren erbärmlich. Ihre Muskeln waren verkrampft. Hinter ihnen lag eine höllische Nacht. An Schlaf war nicht zu denken gewesen. Die Schlucht des Rio Mimbres hatte sich für Tom Billinger und die Patrouille als tödliche Falle erwiesen.
Die Stille ringsum war bleischwer und erdrückend. Sie lastete auf den Gemütern und brachte die Nerven zum Schwingen. Die Kavalleristen würden sich dem Dämon einer absolut ungerechten Indianerpolitik stellen müssen, und nichts schien den Strudel aus Gewalt und Tod aufhalten zu können, auf den sie zutrieben.
Plötzlich erklang Hufschlag. Und dann schälte sich ein Reiter aus dem Schneetreiben. Das Pferd ging im Schritt und kam am Fluss entlang. Der Reiter saß nach vorne gekrümmt auf dem Pferderücken. Sein Kopf baumelte vor der Brust.
Jetzt blieb das Pferd stehen, stampfte auf der Stelle, warf den Kopf in den Nacken, wieherte und peitschte mit dem Schweif.
»Zur Hölle!«, erklang es heiser. »Das ist Sharp Knife. O verdammt, sie haben ihn geschnappt und umgebracht. Und jetzt schicken sie uns seinen Leichnam, um uns vor Augen zu führen, was uns blüht.«
Corporal Nolan richtete sich auf und trat hinter seiner Deckung hervor.
»Bist du verrückt!«, fauchte der Sergeant. »Runter mit dir, Nolan! Die schießen dir den Kopf von den Schultern.«
»Was spielt es schon für eine Rolle?« Nolan setzte sich in Bewegung. Den Karabiner hatte er an den Felsen gelehnt, der ihm Schutz geboten hatte. Steifbeinig und hoch aufgerichtet schritt er zu dem Pferd hin. Was er sah, ließ sein Herz höher schlagen. In der Brust des Scouts steckten einige Pfeile. Sein Gesicht war blutüberströmt. Die Apachen hatten ihm den Skalp genommen und ihn auf dem Pferd festgebunden ...
Der Corporal führte das Pferd zu den Tieren der Kavalleristen, die sich zwischen Flussufer und Felswand drängten. Dort zerschnitt er die Rohlederschnüre, die Sharp Knife auf dem Rücken des Mustangs hielten. Der tote Scout fiel vom Pferd und schlug schwer am Boden auf. Sein Körper war bereits starr. Der Hauch von Tod wehte durch die Wildnis – lautlos wie der Wind, der den Schnee vor sich hertrieb. Das Schicksal der Soldaten schien sich in einer Sackgasse verfahren haben zu haben.
Nolan befand sich wieder in der Deckung des Felsblocks. »Wir müssen den Ausbruch versuchen!«, rief er. »So haben wenigstens ein paar von uns eine Chance, der tödlichen Umklammerung zu entkommen. Wenn wir hier bleiben, werden wir alle sterben.«
»Ja«, pflichtete Tom Billinger bei, »das sehe ich auch so. Wir müssen alles auf eine Karte setzen. Ich bleibe mit einem halben Dutzend Männer zurück und gebe euch Feuerschutz, Nolan. Ihr anderen lauft zu den Pferden, sitzt auf und jagt die Gäule, als säße euch der Satan im Genick. Ihr nehmt die Verwundeten mit.« Er nannte sechs Namen. Dann rief er: »Jetzt, Nolan!«
Es waren nicht ganz ein Dutzend Männer, die hochkamen und zu den Pferden liefen. Die drei Verwundeten wurden mitgeschleppt. Billinger und die sechs Soldaten, die in ihren Deckungen geblieben waren, feuerten die Rohre heiß. Querschläger jaulten. Das feine Schneetreiben begünstigte die Absicht der Soldaten. Den Verwundeten wurde in die Sättel geholfen, die Kavalleristen warfen sich auf die Pferde. Auf so manchem Tier saßen zwei Männer. Die Hufe begannen zu wirbeln. Der Lärm steigerte sich zu einem krachenden, hämmernden, klirrenden und jaulendem Inferno. In dieses Getöse mischten sich das Kriegsgeschrei der Apachen, das ihre Schüsse begleitete, Wiehern und das Brüllen der Soldaten. Lanzen und Pfeile zogen ihre lautlose Bahn.
Zwei – drei Soldaten wurden getroffen und stürzten von den Pferden. Zwei Pferde brachen zusammen. Die Soldaten überschlugen sich am Boden, die Angst vor den Kugeln, Pfeilen und Lanzen der Indianer riss sie hoch und ließ sie den Durchbruch zu Fuß fortsetzen.
Dann waren Corporal Nolan und seine Leute durchgebrochen. Drei tote Kavalleristen waren die traurige Bilanz.
Schießend folgten Sergeant Tom Billinger und seine Gruppe. Nolan und seine Männer gaben ihnen Feuerschutz. Wieder erwischte es zwei Soldaten. Dann aber waren auch Billinger und die restlichen Kavalleristen durch. Sie saßen auf und verließen im Trab die Schlucht. Wütendes und enttäuschtes Heulen