»Ich habe lange nicht begriffen, wieso du auf einmal nichts mehr von mir wissen wolltest. Inzwischen weiß ich es. Du hast mich mit Doris gesehen.«
»Es war ja wohl der Gipfel der Geschmacklosigkeit, sie in aller Öffentlichkeit vor der Fahrschule zu küssen!«, klagte Marina ihn an. »Ich bin froh, dass ich rechtzeitig dahinterkam, was für einen verdorbenen Charakter du hast, denn so konnte ich wenigstens noch vor unserer Griechenlandreise einen Schlussstrich ziehen.«
Tommy nickte. »Ich bin dir nachgereist, um diesen Irrtum aufzuklären ...«
»Was für einen Irrtum denn?«, fragte Marina angriffslustig. »Willst du etwa bestreiten, was ich mit eigenen Augen gesehen habe?«
»Nein, es stimmt, ich habe Doris geküsst.«
»Ich hatte den Eindruck, ihr würdet euch wieder ausgezeichnet verstehen.«
»Auch das ist richtig«, gab Tommy zu.
»Na also ...«
»Trotzdem ist es nicht so, wie du denkst«, behauptete Tommy.
»Ach, erzähl das doch bitte deiner Großmutter, ja?!«
»Hab ich leider keine mehr«, erwiderte Tommy. »Ich gebe zu, es muss für dich ein schlimmer Schock gewesen sein, als du mich zusammen mit Doris gesehen hast, aber die Sache war völlig harmlos. Sie war gekommen, um mir zu sagen, dass sie demnächst heiraten würde. Ich habe mich mit ihr gefreut und sie geküsst.«
Marina sah ihn ungläubig an. »Ist das wahr?«
»Ich will tot umfallen, wenn das nicht stimmt.«
Marina ging plötzlich das Herz über. Sie hatte Tommy unrecht getan! Tränen stiegen ihr in die Augen. Sie schämte sich, an Tommys Liebe gezweifelt zu haben. Durch ihre Dummheit hätte sie ihn, den sie immer noch über alles liebte, beinahe verloren. Es gab nichts mehr, was sie trennte. Marina glaubte Tommy, und sie hatte die Absicht, es ihm zu beweisen, indem sie ihn stürmisch umarmte und küsste. Doch das ließ er nicht zu.
Verwirrt sah sie ihn an. »Was hast du?«
»Ich konnte dir erklären, warum ich Doris Staller geküsst habe, aber wie steht es mit dir? Ich habe gesehen, wie du und dieser Carsten Baumann ... wie ihr ...«
»Carsten bedeutet mir nichts, ehrlich«, beteuerte Marina.
»Oh, da hatte ich aber einen völlig anderen Eindruck. Du hast ihn regelrecht angehimmelt, und geküsst hast du ihn auch.«
Marina schüttelte den Kopf. »Nicht ich habe ihn geküsst, sondern er mich.«
»Werd jetzt bloß nicht spitzfindig. Ein Kuss bleibt ein Kuss!«
»Sollte man meinen, aber wie man in deinem Fall sieht, stimmt das nicht. Und der Kuss, den ich mir von Carsten geben ließ, hatte nur einen Zweck: Dich zu ärgern.«
»Wusstest du denn, dass ich euch beobachte?«
»Aber ja. Der Kuss hatte überhaupt nichts zu bedeuten, Tommy. Ich schwöre es dir.« Marina schmiegte ihr Gesicht in seine Halsbeuge. »Ich liebe dich, nur dich.«
Er fasste um ihre Taille und zog sie an sich. »Wir haben uns ganz schön dumm benommen, was?«
»Es wird uns bestimmt nicht nochmal passieren.«
»Wir hätten einander beinahe verloren.«
»Ich pflege aus meinen Fehlern zu lernen«, flüsterte Marina zitternd. »Himmel, warum küsst du mich nicht endlich?«
Ihre Lippen fanden sich zu einem langen, wunderbaren Kuss. Eine alte Frau sagte etwas auf Spanisch und schüttelte den Kopf. Tommy grinste. »Ich habe zwar nicht verstanden, was sie gesagt hat, aber sie hat bestimmt recht. Wir sollten das nicht vor allen Leuten tun. Damit wecken wir bloß Neid bei unseren Mitmenschen.«
»Darfst du in deinem Hotel Damenbesuch empfangen?«
»Denkst du, da frage ich erst lange? Du kommst einfach mit, und basta. Allerdings ist mein Bett für zwei Personen nicht besonders komfortabel.«
Marina schmunzelte glücklich. »Ich bin sicher, das wird uns nicht stören.«
33
Es dauerte nicht lange, bis Angie Quaid in Tränen ausbrach und zugab, das goldene Armband gestohlen und in Tommy Lindners Zimmer versteckt zu haben. Alles hatte sich genauso abgespielt, wie Tommy es angenommen hatte. Angie war an der offenen Tür vorbeigekommen, hatte das Armband gesehen und sich blitzschnell entschieden, dem arroganten Deutschen, der es gewagt hatte, sie abblitzen zu lassen, eins auszuwischen. Der Schuss war nach hinten losgegangen, und wenn Katja Winter, der Hotelmanager und Inspektor Garcia nicht sämtliche Augen zugedrückt hätten, hätte dieser Racheakt sehr unangenehme Folgen für sie gehabt. Wie ein begossener Pudel kehrte sie ins Hotel zurück mit dem festen Vorsatz, sich bei der nächsten Gelegenheit bei Tommy für die Unannehmlichkeiten, die er durch sie hatte, zu entschuldigen.
34
Die letzten Wochen auf Teneriffa waren für Marina und Tommy ein einziger Glücksrausch. Jeder Tag begann mit einem aufregenden Frühstück im Bett. Hatten sie dann geduscht und waren angezogen, stand mal ein Ausflug zu den Schönheiten der Insel auf dem Programm, mal ein Bummel über die von Oleanderbüschen und Palmen gesäumten Strandpromenaden, oder - wenn es ihnen ganz nach Faulheit zumute war - suchten sie eine der einsamen Badebuchten auf. Tatsache war, dass sie das Glück, einander endlich gefunden zu haben, jede Sekunde genossen.
Marinas Eltern begegneten sie in dieser Zeit nicht sehr oft. Veronika und Volker Hagen waren sich selbst genug, nachdem sie sich ausgesprochen hatten. Oft sahen sie sich nur am Abend, wenn sie sich zum Essen trafen und danach noch in eins der gemütlichen Lokale gingen.
Doch wurden die Abende nie spät, denn aufregende Nächte zogen die Liebenden ins Hotel zurück.
Und dann war der letzte Abend da. Marina lag schon im Bett, während Tommy noch im Bad war. Nur mit einem Handtuch bekleidet, das er sich um die Hüften geschlungen hatte, und Wasserperlen, die auf seiner braunen Haut glänzten, trat er zu ihr.
»Weißt du, was ich mir gerade überlegt habe, Liebling?«, sagte er, während er sich zu ihr niederbeugte und sie leidenschaftlich küsste.
»Hm?«, machte Marina, zu keinem Wort fähig.
Er lachte, als er sich von ihr löste. »Diese Griechenlandreise müssen wir unbedingt