"Warum nicht?"
27
Als Reilly Magdalena verließ, dämmerte es bereits.
Er wusste noch nicht genau, was er tun sollte, aber eines stand für ihn in dieser Situation fest: Er konnte unmöglich in der Stadt bleiben, wenn ihm daran gelegen war, die Nacht zu überleben.
So ritt er hinaus in die Sierra.
Lisa hatte ihm den Weg zur Residenz von El Tigre beschrieben. Reilly hatte keine Ahnung, weshalb sie das getan hatte.
Sie hatte geflüstert und war sichtlich darauf bedacht gewesen, dass ihnen in diesem Moment niemand zuhörte.
Wenn Walker erfuhr, dass sie auch nur den kleinen Finger für ihn gerührt hatte, konnte es womöglich unangenehm für sie werden.
Vielleicht setzte er sie vor die Tür, vielleicht bedeutete es auch Schlimmeres...
Das würde wohl ganz daran liegen, in welcher Laune sich El Tigre gerade befand. Jedenfalls hatte sie es auf sich genommen und Reilly hatte im Moment Wichtigeres zu tun, als darüber nachzudenken, was der Grund dafür sein könnte.
Vielleicht fand sie ihn einfach unsympathisch, vielleicht wollte sie auch nur die Gelegenheit wahrnehmen, Walker eins auszuwischen.
Reilly ritt noch immer jenes Pferd, dass er einem von Walkers Leuten abgenommen hatte.
Der Sattel war brauchbar.
Aus dem Futteral ragte der Kolben eines Gewehrs.
Wahrscheinlich eine Winchester, aber Reilly hatte bisher noch nicht nachgesehen.
Hinten war auch eine mottenzerfressene Wolldecke aufgeschnallt. Die würde er sicher bald brauchen, denn in der Nacht konnte es hier draußen unangenehm kalt werden.
28
"Ihr verdammten Narren!", rief Walker mit zorngerötetem Gesicht.
Diese Kerle hatten sich diesen Reilly doch tatsächlich durch die Lappen gehen lassen!
Einige von ihnen waren ziemlich zugerichtet. Einige hatten Schussverletzungen, andere waren von dem Heuspeicher begraben worden.
Ein paar waren auch nicht wieder aufgestanden, andere waren noch in Magdalena, da sie nicht in der Lage waren, sich auf einem Pferderücken zu halten.
Walker steckte sich eine lange, dicke Zigarre in den Mund und riss ein Streichholz an der Schuhsohle an, um sie anzuzünden.
Er stand vor dem großzügig ausgestatteten Portal seines herrschaftlichen Wohnhauses, das das Zentrum seines Anwesens bildete. Daneben gab es Pferdeställe, Scheunen, Unterkünfte für seine Mannschaft und sogar ein Gästehaus, in dem Walker Leute zu bewirten pflegte, die für seine Absichten wichtig waren.
"Was ist mit Burnett?", zischte er unfreundlich.
"Burnett ist tot", kam es zurück. "Dieser Reilly hat ihn niedergestreckt."
"Wo ist dieser Hund jetzt? Ist er noch in Magdalena?"
Walker packte einen der Männer bei den Schultern. "Nun red' schon!"
"Angeblich soll er aus der Stadt geritten sein..."
Walker schluckte.
Es war nicht schwer zu erraten, in welche Richtung es den Blaurock ziehen würde.
Walker wandte sich an einen der herumstehenden Männer.
"Was glaubst du hat, hat dieser Kerl vor, Marquez?"
"Schwer zu sagen... Scheint ein harter Hund zu sein, der sich nicht so leicht von dem abbringen lässt, was er vorhat."
Marquez rückte sich den Patronengurt zurecht, den er um die Schultern trug und schob sich den Sombrero in den Nacken.
"Ein einzelner Mann kann doch nicht ein so großes Problem sein, Boss!", meinte der Mexikaner dann, nach einer kurzen Pause.
Walker verengte die Augen ein wenig.
"Er wird hier her kommen!", zischte er. "Ich weiß es!"
"Dann müsste er lebensmüde sein!", kommentierte Marquez kühl.
"Für die Nacht werden verstärkt Wachen eingeteilt!", bestimmte Walker. "Wir werden den Hund zu empfangen wissen!"
29
Es war eine sternklare, kalte Nacht.
Reilly hatte sich unweit von Walkers Hacienda einen Platz zum Lagern gesucht.
Ein Feuer machen konnte er nicht, es hätte ihn unweigerlich verraten.
So saß er also zusammengekauert da, die mottenzerfressene Wolldecke um die Schultern geschlungen, die Winchester in der Faust, und wartete.
Reilly befand sich auf einer steilen Klippe. Sein Pferd hatte er in einiger Entfernung stehenlassen. Er wollte verhindern, dass es ihn verriet.
Wenn man hinabblickte, dann waren da die Umrisse jener Gebäude, die Walkers Anwesen bilden mussten. Es war nicht schwer zu erraten, in welchem dieser Häuser El Tigre selbst residierte.
Es war augenscheinlich das Größte und Herrschaftlichste.
Selbst in dieser Dunkelheit war das noch zu erkennen.
Reilly wartete mehr als die halbe Nacht. Er musste die Zähne aufeinander beißen, damit sie nicht klapperten.
Die Versuchung war verdammt groß, die Sache endlich hinter sich zu bringen, aber Reilly wusste, dass er Geduld haben musste.
Und so wartete er weiter auf seine Gelegenheit.
Jetzt etwas zu unternehmen konnte nur bedeuten, in das offene Messer dieser Bande zu laufen.
Und