Vor sich sah Reilly die letzten Häuser von Magdalena.
Halbverfallene Stallungen, die offenbar nicht mehr in Gebrauch waren.
Dahinter begann die Einöde.
Die Verfolger kamen näher heran.
Reilly drückte dem Pferd die Hacken in die Seiten, um es noch mehr anzutreiben. Dabei presste er sich so eng es ging an den Rücken des Tieres, um den Kugeln von El Tigres Leuten ein möglichst kleines Ziel zu bieten.
Sie würden ihn in das wilde, karge Land hineinhetzen, dass sich vor ihm ausbreitete.
Einen Augenblick lang dachte Reilly daran, dass er nicht einmal eine Feldflasche mit Wasser besaß.
Aber dann geschah etwas anderes, das seine volle Aufmerksamkeit an sich band.
Sein Pferd stieß einen markerschütternden Schrei aus und strauchelte.
Reilly wusste, was das nur bedeuten konnte.
Eine Kugel musste das Tier erwischt haben.
Das Pferd brachte noch ein paar Schritte hinter sich, ehe es stolperte und zu Boden ging.
Reilly sprang rechtzeitig ab, um nicht unter dem massigen Körper begraben zu werden. Er riss im Fallen den Colt aus dem Holster und rollte sich dann wenige Sekundenbruchteile später auf dem Boden ab.
Schüsse peitschten den Sand zu beiden Seiten auf. Reilly feuerte unverzüglich und holte den ersten der heranpreschenden Banditen aus dem Sattel.
Dann rappelte er sich auf und rannte hinüber in Richtung der halbverfallenen Stallungen und Scheunen.
Zwischendurch warf er sich mit einem Hechtsprung hinter eine Pferdetränke, die daraufhin von Schüssen durchlöchert wurde.
Er war nicht schnell genug gewesen, wie er jetzt feststellte. An seiner linken Schulter hatte sich sein Hemd rot verfärbt.
Es tat weh, aber Reilly konnte einiges einstecken.
Wenn er Glück hatte, war es nur ein Streifschuss.
Reilly gab ein paar Schüsse in die Richtung seiner Gegner ab. Die Kerle sprangen von den Pferden und suchten sich nun ihrerseits Deckung.
Dann klickte es.
Reillys Revolver war leergeschossen. Es war ihm klar, dass er keine Zeit haben würde, ihn jetzt nachzuladen. Sobald die Kerle auf der anderen Seite bemerkt hatten, dass er ihnen im Moment nichts tun konnte, würden sie hervorstürmen und ihm den Garaus machen.
Augen zu und durch!, dachte er.
Es blieb ihm keine andere Wahl.
Reilly schnellte hoch und rannte in halb geduckter Haltung um sein Leben, während ihm das Blei um die Ohren flog. Bis zur nächsten Scheune waren es nur wenige Meter, aber die hatten es in sich.
Doch Reilly schaffte es.
Er hörte die Verfolger auf Englisch und Spanisch fluchen, als er hinter dem Scheunentor verschwand.
Es blieb keine Zeit, um sich die Wunde an der Schulter genauer anzusehen. Sie behinderte Reilly im Augenblick nicht allzusehr, und er ging daher davon aus, dass es nicht allzu schlimm sein konnte.
Seine Finger glitten zu den Patronen, die er am Gürtel trug. Er nahm eine nach der anderen heraus und steckte sie in seinen Revolver.
Gleichzeitig musterte er mit den Augen den halbdunklen Innenraum der Scheune. Am Giebel befand sich ein kleines, rundes Loch, durch das etwas Licht hereinfiel.
Das gesamte Gebäude befand sich in einem baufälligen Zustand. Reilly bemerkte einen behelfsmäßigen Pfeiler, der den Heuspeicher vor dem Herunterstürzen bewahrte.
Er umfasste den Pfeiler vorsichtig und drückte etwas.
Es würde nicht viel Kraft dazu gehören, ihn von seinem Platz zu entfernen.
Eine morsche Leiter, der bereits einige Sprossen fehlten, führte hinauf zum ehemaligen Heuspeicher, wo sich jetzt alles Mögliche befand, nur kein Heu mehr.
Als Reilly hinaufkletterte, fand er einen halb von Ratten zerfressenen Sattel und anders Gerümpel, das niemand mehr zu gebrauchen schien.
Mit gezogenem Revolver blickte er hinunter zum Eingang.
Noch hatte es keiner von den Halunken gewagt, seinen Fuß durch das Scheunentor zu setzen, aber sie würden nicht ewig damit warten.
Reilly fand einige halbvermoderte Seilenden, von denen er sich das Längste aussuchte.
Dann band er eine Schlinge um den Stützpfeiler und kletterte weiter hinauf in den Dachstuhl.
Wenn er jetzt mit einem kräftigen Ruck am Seil zog, würde der Heuspeicher wie ein Kartenhaus in sich zusammenstürzen.
Reilly konnte nur hoffen, dass alles übrige stehenblieb, sonst sah es übel für ihn aus.
Er befand sich im Schatten.
Hier fiel kaum etwas von dem Licht hin, das durch das runde Loch im Giebel hereinkam und so hoffte Reilly, dass die Kerle ihn nicht gleich ausmachen würden, wenn sie die Scheune betraten.
Er brauchte nicht lange auf sie zu warten.
Das Scheunentor wurde knarrend aufgestoßen.
Das erste, was zu sehen war, war ein Gewehrlauf und dann wurden blind ein paar Schüsse angegeben.
Mündungsfeuer blitzte im Halbdunkel auf.
Ein paar Kugeln durchlöcherten die Bohlen des Heuspeicher und Reilly schätzte sich glücklich, dort nicht mehre zu sitzen.
"Er muss hier irgendwo sein!", war eine heisere Männerstimme in akzentschwerem Englisch zu hören. "Er ist hier hineingelaufen! Ich habe es gesehen!"
Reilly musste noch warten, bis sie ganz hereingekommen waren.
Dann würden sie ihr blaues Wunder erleben. In der einen Hand hielt Reilly das Seilende, in der anderen den schussbereiten Revolver.
Wenn sie ihn jetzt bemerkten, würde er ein schönes Ziel abgeben...
Der Mann mit dem Gewehr trat vorsichtig ein paar Schritte nach vorn. Reilly konnte sein Gesicht nicht sehen, denn er trug einen riesigen Sombrero.
Zwei weitere Bewaffnete folgten, dann noch ein vierter.
Ihre Augen suchten sorgfältig jeden Winkel der Scheune ab.
Sie blickten hinauf zum Heuspeicher.
Dann sah einer das Seil, folgte ihm mit den Augen und sah hinauf, in den Dachstuhl.
"Da oben!"
Reilly sah das Aufblitzen eines Mündungsfeuers und wusste, dass er jetzt handeln musste. Der Schuss ging in einen der Dachbalken.
Reilly zögerte keine Sekunde, feuerte sofort zurück und riss mit aller Kraft an dem Seil.
Wenig später waren sie unter einem Haufen Holz begraben.
Der Heuspeicher kam wie eine Fliegenklatsche auf sie herab.
25
Burnett