35
Der Ausbruch kam für Reilly völlig unerwartet. Die Tatsache, dass seine Männer am Horizont aufgetaucht waren, schien Walker plötzlich Mut gemacht zu haben. Mit einem kräftigen Ruck zog er Reilly im vollen Galopp die Zügel, an denen dieser das Pferd des Gefangenen hielt, aus der Hand und preschte davon.
Dabei er presste er sich so dicht es ging an den Pferderücken, um Reilly kein allzu großes Ziel zu bieten, falls dieser ihm eine Kugel hinterherjagen wollte.
Reilly griff sofort zum Revolver.
"Stehenbleiben, verdammt nochmal!"
Aber Walker dachte gar nicht daran. Er glaubte, nun endlich Oberwasser bekommen zu können.
Die Wölfe kamen immer näher heran.
Vielleicht spekulierte Walker darauf, dass es Reilly vorziehen würde, seinem Gaul die Sporen zu geben, um die eigene Haut zu retten.
Reilly legte an.
Er hatte keine andere Wahl, so wie er die Dinge sah. Der Major drückte ab und schoss Walker das Pferd unter dem Gesäß weg.
Das Tier wieherte laut auf, als es zu Boden strauchelte. Es war verdammt schade um den Gaul. Reilly kam herangeprescht und richtete den Revolver auf den am Boden liegenden Walker.
Dessen Gesicht war von Schrecken gezeichnet.
"Dieser Ausflug wäre erst einmal beendet!", stellte Reilly fest. Die Sache hatte aber auch ihre schlechte Seite: Sie hatten jetzt wieder nur ein Pferd für zwei Männer. Und das würde sie langsamer machen.
Dieser Zwischenfall hatte die Meute ohnehin schon genug aufholen lassen.
Die ersten Schüsse wurden abgefeuert.
36
Reilly hörte jetzt die Pferdehufe seiner Verfolger. Er hörte ihre Stimmen, ihre wilden Schreie, mit denen sie ihre Pferde voran trieben.
Er hatte Walker jetzt vor sich im Sattel sitzen. Dummheiten konnte der im Augenblick nicht wagen, denn er wusste, dass Reilly einen Colt in der Hand hielt.
Dann gähnte da plötzlich dieser Abgrund vor ihnen.
Reilly gelang es gerade noch rechtzeitig, das Pferd abzubremsen.
Er warf einen flüchtigen Blick hinunter.
Dort unten floss ein spärliches Rinnsal von Fluss.
Es ging ziemlich steil nach unten. Keine Chance, mit einem Pferd diesen Steilhang hinunter zu kommen. Normalerweise wäre Reilly nun dieser Schlucht ein Stück Weg gefolgt, um nach einer anderen Möglichkeit zu suchen.
Aber dazu gab es jetzt keine Möglichkeit.
Reilly riss sein Pferd herum.
Das Wolfsrudel war heran. Mehr als ein Dutzend Mann, bis auf die Zähne bewaffnet.
Reilly sah die triumphierenden, rauen Gesichter.
Das bisher noch kein Schuss gefallen war, lag einfach daran, dass Reilly Walker wie eine Art lebenden Schutzschild vor sich im Sattel sitzen hatte.
Den Revolver hielt er schussbereit auf den Gefangenen gerichtet.
Das lähmte die Männer etwas.
Sie schienen ein wenig ratlos zu sein, blickten sich zunächst gegenseitig an, dann zu ihrem Boss hinüber.
"Geben Sie auf, Mister!", rief einer der Kerle.
Er trug eine Mütze, wie sie die Konföderierten im Bürgerkrieg getragen hatten. Man hörte am Akzent, dass er tatsächlich ein Südstaatler war.
"Lasst Eure Eisen stecken, Leute! Sonst geht es Eurem Boss schlecht!"
"Wohin wollen Sie fliehen, Mister? Wenn Sie dem Boss ein Haar krümmen, blasen wir Sie um!", meinte der Kerl mit der Konföderierten-Mütze.
"Lassen Sie mich aus Ihrer Gewalt!", meldete sich Walker zu Wort. "Sie haben verloren!"
"Wenn ich Sie freilasse, werden Ihre Männer mich ebenso über den Haufen schießen!", gab Reilly zu bedenken.
Der Mann mit der Konföderierten-Mütze grinste zynisch.
Die Kerle kamen ein wenig näher. Die Sache wurde jetzt wirklich bedrohlich. Es war Reilly klar, dass in den nächsten Augenblicken etwas geschehen würde.
So oder so.
Reilly nahm die Reisetasche mit dem Geld aus Walkers Safe und schwenkte sie in der Luft.
"Hier ist mehr drin, als ihr alle zusammen in eurem ganzen Leben je auf einem Haufen gesehen habt!" Reilly öffnete die Tasche und hielt sie so, dass die Kerle hineinsehen konnten.
"Das müssen mindestens...."
Dem Kerl mit der Konföderierten-Mütze blieb schier der Mund offen stehen.
"Er will euch zu kaufen versuchen!", rief Walker fast außer sich. "Ich gebe euch mehr, wenn ihr mich hier herausholt! Jedem einzelnen von euch!"
"Euer Boss verspricht euch Dinge, die er nicht halten kann!", stellte Reilly sachlich fest.
"Glaubt ihm nicht!", hielt El Tigre dagegen. Sein Gesicht war vor ohnmächtigem Zorn rot angelaufen.
Walker schien verzweifelt.
Und er hatte auch allen Grund dazu.
"Dies ist der Inhalt seines Safes!", erklärte Reilly. "Er kann euch nicht mehr geben. Er hat nämlich nicht mehr, als hier drin ist!"
"Ich habe ein Konto bei der Bank von Magdalena!"
Reilly zuckte mit den Schultern. Er wandte sich an die Männer.
"Ihr müsst wissen, ob ihr euch darauf verlassen wollt. Selbst wenn er ein solches Konto hat, wird er euch mit einem kleinen Anteil abspeisen, wenn er erst einmal wieder frei ist."
"Was wollen Sie, Hombre?", fragte einer der Männer. Er schob sich den Sombrero in den Nacken. "Sagen Sie einfach, was Sie für diesen Sack voll Pesos..."
"Das meiste sind Dollars, keine Pesos!", unterbrach Reilly.
"Also gut, um so besser! Sagen Sie, was Sie dafür haben wollen und wir überlegen uns die Sache!"
Walker schluckte, als ihm klar wurde, dass seine eigenen Leute begannen, um ihn zu feilschen, als wäre er ein abgehalfterter Ackergaul!
"Ich will El Tigre!", sagte Reilly bestimmt.
Der Mann mit der Südstaatler-Kappe grinste hässlich, wobei er zwei Reihen schlechter Zähne entblößte.
"Warum