„Doch wie schaffte es dennoch der ‚Erectus‘, von Asien nach Afrika oder doch umgekehrt? Denn vor rund 100 Millionen Jahren drifteten im sogenannten ‚Kontinentaldrift‘ die Kontinente, so wie sie auch heute vorzufinden sind, auseinander“, wusste ich dieses Mal zu klugscheißern. „Hm, wahrscheinlich nicht mit dem Boot, sondern bestimmt mit seinen behaarten Füßen! Irgendwie scheinen aber der ‚Erectus‘ und der ‚Sapiens‘ zwei unterschiedliche Spezies zu sein, wobei der ‚Erectus“ und das gilt, so glaube ich, als belegt, der erste ‚Mensch‘ gewesen zu sein scheint, welcher Feuer machte. Jetzt wird es allerdings noch kurioser, denn diese Spezies gilt als ausgestorben. Und somit haben wir uns höchstwahrscheinlich nicht aus dem ‚Homo erectus‘ entwickelt.“
„Ach herrje. Und was nun?“, fragte ich. „Ja, da staunste, was?“ Tatsächlich habe ich einen weiteren interessanten Fakt in meinem modernen Gehirn abgespeichert“, sagte mein Kumpan: „Ein circa 280 000 Jahre alter Schädel wurde in China entdeckt. Dieser gilt als eine Vorstufe zum ‚Homo sapiens‘ und wird als ‚Homo sapiens daliensis‘ bezeichnet.“ „Oh Mann, oh Mann, jetzt sind wir völlig ab vom Thema gekommen und ich bin noch verwirrter als vorher, dann warte mal lediglich wenige Jahrzehnte ab, mal sehen, was bis dahin die Wissenschaftler noch alles herausfinden und von wem wir noch so alles abstammen … Leg du dich mal wieder schlafen und ich lese weiter!“ Doch vorher dachte ich: Alle Menschen dieser Welt sind irgendwann einmal, irgendwo hin zugewandert.
Am frühen Vormittag landeten wir in Hanoi, hatten somit noch den ganzen Tag vor uns und entschieden uns deshalb dazu, in einem kleinen, gemütlich rustikalen Café bei Kaffee und Mürbekuchen nur eine Nacht in der Stadt bleiben zu wollen. „Mann, Bangkok war dagegen ja der reinste Kurort.“ Denn was in dieser Stadt an Verkehr mit und ohne Moped, und an Massen von Leuten los war, die allesamt zielloser herumzuirren vermochten wie Ameisen in einem nur für uns Menschen ungeordnet zu scheinenden Ameisenhaufen im Wald, war beeindruckend.
Ja, so ein Chaos hatten wir beide zuvor noch nie erlebt und doch war das Erlebnis mehr als spannend, so wie es einst Ulrich Wickert bei einem Filmdreh in Paris demonstrierte, als er sich, ohne nach links und nach rechts zu schauen, einfach in den Wahnsinnsverkehr hechtete und dabei „blind“ über eine breite Straße latschte. So taten wir es ihm nach und nein, lebensmüde musste man dazu nicht sein, weil so chaotisch es auch aussah, die Menschen dort jedoch tatsächlich Rücksicht nehmen. Vielleicht wäre das Durcheinander bedeutend größer, wenn es Ampeln gäbe!“, sagte die Amsel.
Wir waren beeindruckt und der alte Stadtkern mit seinen zahlreichen Gassen war äußerst interessant. So stellt jeweils eine schmale Straße beispielsweise eine bestimmte Berufsgruppe, wie Schmied, Korbflechter, Maler oder Drechsler dar. „Perfekt, hier sind wir richtig, komm lass uns mal einen Schuhmacher suchen.“ Wir spazierten von der Gasse mit der Berufsgruppe der Schmiede in die der Drechsler7, welche ihre Arbeiten und ihr Handwerk Geschäft an Geschäft direkt auf dem Fußweg verrichteten. Ja, auch all die anderen Berufsgruppen nutzten diesen als offene Werkstatt.
Bei unserer Tour durch die Gassen hätten wir hin und wieder nichts gegen Ohrstöpsel oder aber zudem Schutzbrillen einzuwenden gehabt, so laut war es nämlich teilweise und zudem spritzten uns ständig irgendwelche Funken vor die Füße. Bis wir in einer Ecke, auf einem kleinen Sockel, der nicht größer als eine halbe Katze war, einen alten Mann mit tiefen Furchen im Gesicht und Schuhmacherutensilien sitzen sahen. „Vielleicht kann er mir ja helfen?“ Dabei blickte ich dem Herrn ins Gesicht, senkte meinen Kopf als Geste des “Hallo Sagens“ und streckte ihm vorsichtig meinen linken Fuß mit dem kaputten Flip-Flop entgegen. Bei diesem kurzen Akt schaute er mir nicht eine Sekunde in meine Augen, sondern blieb eisern und ohne sich dabei groß zu bewegen auf seinem Schemel hocken, nahm sich meinen „Schuh“ und machte sich gewissenhaft an sein Werk. Nach weniger als vier Minuten bekam mein linker Fuß seinen FlipFlop zurück, welcher wieder wie neu aussah.
Im Anschluss daran stiegen wir in ein albern buntes Tuk-tuk und rollten zwischen vielen alten, traditionellen Hütten und Häusern, bei welchen öfters der französische Einfluss unverkennbar war, zu einer sehr alten Zitadelle hin. Hier setzten wir letztlich unsere Schritte rein und erhielten die Info, dass das große Grundstück des Gebäudes, das aus dem Jahr 1000 nach Christus stammt, noch unbeschadet ist, weshalb Hanoi auch eine der ältesten, noch gut erhaltenen Städte Südostasiens ist. Danach hockten wir uns wieder in ein Tuk-tuk und rasten durch die Metropole. Wir mussten währenddessen feststellten, dass diese trotz des französischen Einflusses an keiner Ecke ihre eigene vietnamesische Identität verloren hat. Und im Vergleich zu Bangkok entdeckten wir viel weniger herumschleichende Touris mit ihren großen Fotoapparaten. Am darauffolgenden Tag fläzten wir uns für drei Stunden in einen Bus und betrachteten bei dieser Fahrt die nahezu endlos scheinenden Reisplantagen, bis wir in Halong City landeten. Ab diesem Zeitpunkt hatten wir keine zwei Wochen mehr Zeit, das Land zu erkunden. Und was war mit dem Leute Kennenlernen?
In Thailand hatte ich schon gespürt, dass das Zusammenreisen und somit das die ganze Zeit über permanente Zusammensein anders ist als das Alleinreisen. Denn als ich in Südamerika dann komplett alleine unterwegs war, bemerkten das die Leute natürlich und kamen gerne auf mich zu und sprachen mich an. Reist man zu zweit, passiert das viel seltener bis gar nicht. Spaziert man alleine durch die Gegend, wird man ganz anders wahrgenommen und behandelt, als wenn man zu zweit unterwegs ist. Auch ich selbst bin davon betroffen und nehme dann meine Umwelt auf ganz andere Weise wahr und bin achtsamer sowie aufmerksamer in vielerlei Hinsicht.
Beim zu zweit Reisen hat man einen Vertrauten an seiner Seite: das ist jemand, welcher einem in gewissen Momenten beschützt und einen vor manch „Angemache“ schützt. Ich bin mir sicher, wenn ich alleine unterwegs gewesen wäre, dass mich garantiert in einigen Situationen dutzend mehr fliegende Händler in ihr Visier genommen hätten. Im Beisammensein mit der Amsel kam das natürlich hin und wieder trotzdem vor, doch mit Sicherheit viel seltener, verhaltener und es war einfach anders. Das ist allerdings der eine Aspekt; der andere ist der, dass ich mir in Situationen, wenn ich alleine reise, ab und an eine Pause gönne und dazu auf einer Parkbank Platz nehme sowie von Einheimischen angesprochen werde, weswegen meistens spannende Bekanntschaften und natürlich auch Gespräche entstehen. Dennoch haben definitiv beide Reisearten seinen Reiz.
Aber welches Argument wird wahrscheinlich in einer Liste im positiven Feld für die Variante des zu zweit Reisens ganz oben stehen? Genau: das Erleben von schönen Momenten ist zusammen doch viel schöner und man kann jene miteinander teilen! Und was ist mit dem Teilen von weniger schönen Augenblicken? Zunächst möchte ich jedoch auf die schönen Momente eingehen, welche man sich dann zu zweit teilt: Als ich in Australien war, hatte ich diese Erklärung, dass man zusammen mit einem vertrauten Menschen erlebte Momente mehr genießen könne als alleine, zu hundert Prozent unterstrichen. Mittlerweile habe ich einen noch besseren Vergleich, zudem bin ich ein paar Wochen älter geworden und muss jetzt ganz ehrlich sagen, dass das Auskosten eines schönen, besonderen Augenblicks, während man alleine ist, viel intensiver ist als beim zu zweit sein.
Heutzutage kann ich diese ganz anders genießen und vermisse in diesen Zeiten wirklich niemanden. Denn manches Mal erging es mir tatsächlich schon so, dass, wenn ich mich in einem einzigartigen Momentum befand, während ich mit einem anderen Menschen zusammen gewesen bin sowie dabei der Person ganz aufgeregt mitgeteilt hatte, wie schön und toll ich doch gerade diese Zeit empfand, leider schon öfters