Von Hunden, Katzen und anderenMenschen
Von Gerhardt Staufenbiel
Einst fragte ein Mönch den Zenmeister Jōshu:
„Hat mein Hund Buddhanatur?“
Jōshu antwortete: „MU – Nicht!“
Der Mönch war verwirrt. „Oben all die Buddhas, unten sogar die Käfer und Würmer. Alles hat Buddhanatur. Warum mein Hund nicht?“
Diese Geschichte wird gern von japanischen Zenmeistern erzählt und die sprechen Japanisch. Für sie hat Meister Jöshu gesagt: ,MUH‘. Aber Jōshu war Chinese. Und dort heißt es nicht „MUH“, sondern „WÚ“. Ein Hund ist doch keine Kuh!
Noch einmal: „Hat mein Hund Buddhanatur oder nicht?“
„Wu!“
Ein anderer Mönch fragte Meister Jöshu:
„Hat mein Hund Buddhanatur?“
Yöshu antwortete: „YU – Hat!“
Zenmeister Dōgen meint dazu:
„Dumme Frage! Wenn du selbst die Buddhanatur nicht verwirklicht hast, wie kannst du dann wissen, ob der Hund sie verwirklicht hat?“
Von Hunden, Katzenund anderen Menschen
Von Gerhardt Staufenbiel
Myoshinan Chadojo
1. Auflage, 2020
© Gerhardt Staufenbiel – Alle Rechte Vorbehalten.
Verlag und Druck:
tredition GmbH
Halenreie 40 – 44
22359 Hamburg
978-3-347-01660-6 (Hardcover)
978-3-347-01659-0 (Paperback)
978-3-347-01661-3 (e-Book)
Inhaltsverzeichnis
Hunde sind auch nur Menschen
Großvaters Dackel
Waldi der Eisenbahner
Assi der Pudel
Maira die Lügnerin
Er war da und saß im Nebel.
Chigmo – Tibet, Zen und Tee
Captain Scottie
Ein Leben ohne Hund?
Kin: Einfach nur ein Hund
Dui Dui – die Freude
Hunde sind auch nur Menschen
Wenn man ein ganzes Leben mit Hunden zusammen gelebt hat, dann fragt man sich manchmal: „Sind Hunde menschlich oder deuten wir da etwas in sie hinein? Verstehen Hunde die menschliche Sprache oder verstehen die Menschen die Sprache der Hunde?“ Schon Martin Luther hat gesagt: „Wer so könnt beten wie der Hund auf die Wurst kann schauen!“ Wer so innig auf die Wurst schauen kann, wie ein Hund, braucht keine Worte, um zu sagen, was er möchte! Nur der Hund kann derart schauen, dass es selbst ein Herz aus Stein erweichen würde. Der Wolf, sein alter Verwandter beherrscht diesen Blick nicht. Das legt die Vermutung nahe, dass der listige Hund diesen Blick nur im Zusammenleben mit dem Menschen erlernt hat. Nur so konnte er an die Wurst kommen!
Ein Hund kann nicht nur innig auf die Wurst schauen. Alle meine Hunde zeigten deutlich, wenn sie Hunger hatten. Einer leckte den leeren Futternapf aus und schob ihn dabei lärmend über den Fußboden. Solange, bis der Napf wieder gefüllt war. Ein anderer legte sich neben den Napf und starrte ihn bewegungslos an, bis Herrchen sich erbarmte. Mein letzter Hund Kin setze sich vor mich, wenn ich am Computer saß und schlug mit der Pfote auf mein Knie. Dabei schaute er mich so an wie Luthers Hund, dass ich nicht anders konnte, als ihm sein Futter zu geben. Dennoch habe ich einmal die Meinung eines Tierarztes gelesen, der meint, dass Hunde kein Hungergefühl kennen. Sie fressen, wenn man ihnen Futter vorsetzt. Dieser Mann hat wohl niemals mit einem Hund zusammengelebt. Er kennt Hunde offenbar nur aus dem Hundezwinger in der Tierversuchsanstalt!
Wie bringt es ein wuscheliger Hund fertig, einen traurigen oder fröhlichen Gesichtsausdruck zu zeigen? Wenn Herrschen dabei war das Haus zu verlassen und nur leise sagt: „Leider“ dann schlich sich Kin mit einem unendlich traurigen Ausdruck in sein Körbchen. Und manchmal strahlte sein wuscheliger Kopf in einem leuchtenden Lachen. Ist das nur Einbildung von uns Menschen, wenn wir die Freude oder Trauer eines Hundes sehen? Können wir Hunde überhaupt verstehen?
Vor langer Zeit gingen einmal zwei chinesische Weise schlendernd über eine Brücke. Untern spielten Fische im Wasser. „Schau wie die Fische sich freuen!“, sagte Zhuangzi. „Du bist kein Fisch. Woher willst du wissen, dass die Fische sich freuen?“
Sicher, ich bin auch kein Hund, woher soll ich also wissen, dass mein Hund sich freut? Aber wenn man dem Hund gegenübersitzt, SIEHT man einfach die Freude des Hundes.
Zhuangzi’s Freund vertritt die Meinung derer, die nicht mit Tieren zusammenleben. Aber wir sind fühlende und mitfühlende Wesen. Woher will ich denn wissen, ob mein menschliches Gegenüber sich freut? Nur weil er es sagt? Aber zugleich macht er oder sie ein tief trauriges Gesicht. Worte können lügen, und den Verstand betrügen. Aber ein achtsames und mitfühlendes Herz lässt sich nicht täuschen.
Und so antwortet Zhuangzi seinem Freund mit einer Gegenfrage: „Du bist nicht ich. Woher willst du wissen, dass ich nicht weiß dass die Fische sich freuen?“
Wir wissen genauso gut oder genauso wenig, was unser Gegenüber denkt oder fühlt, wie wir wissen, ob der Hund sich freut! Aber dieses Wissen entsteht nicht aus logischer Überlegung, es entsteht, weil wir fühlende Wesen sind. So sagt denn auch Zhuangzi auf die Frage, woher er denn die Freude der Fische kennt: „Ich erkenne die Freude der Fische aus meiner Freude aus dem Wandern am Fluss!“ Weil er sich selbst in absichtsloser Weise am Wandern freut, kann er die Freude der Fische mitfühlen. Weil ich Freude kenne und nicht von Sorgen oder Gedanken geplagt bin, die mich gefangen nehmen, erkenne ich auch die Freude der Anderen, gleichgültig ob Mensch oder Tier. Und weil ich Trauer kenne, ,sehe‘ ich, wenn der Hund traurig ist.
Hunde und Menschen haben ein inniges Verhältnis zueinander. Sie leben schon seit undenklichen Zeiten zusammen. Kein Wunder, dass sie mitfühlend und mit-denkend gemeinsam durchs Leben gehen.
Als Steinbrucharbeiter im Bonner Stadtteil Oberkassel die Überreste eines Mannes und einer Frau entdeckten, beachteten sie die Schädelknochen des Hundes zunächst gar nicht. Erstaunlicher als das Grab an sich ist aber das Alter der Ruhestätte der drei Gefährten: Vierzehntausendsiebenhundert Jahre lagen ihre sterblichen Reste zusammen in der Erde. Sie waren offenbar gemeinsam begraben worden. Was im Leben zusammengehörte, darf im Tod nicht getrennt werden.
Aber die Geschichte des Zusammenlebens von Hund und Mensch ist noch sehr viel älter. Und nicht nur in Oberkassel lebten Hunde und Menschen zusammen. Sonst könnte man sagen: Typisch deutsch! Überall auf der Welt findet man unverletzte Knochen von domestizierten Hunden, die offenbar liebevoll bestattet worden sind. Auch in Japan oder China.
Lange bevor der Mensch sesshaft wurde und anfing, in enger Gemeinschaft mit einem Tier zusammen zu leben, war der Hund schon seit Urzeiten sein treuer Begleiter. Der Ursprung dieser Freundschaft verliert sich im Dunkel der Zeiten.
Katzen leben nicht wirklich mit Menschen zusammen. Sie gewähren uns für eine gewisse Zeit die Gnade ihrer Anwesenheit. Aber in tiefsten Herzen sind sie wilde Jäger. Sie suchen die Nähe des Menschen nur, weil es dort einen warmen Platz zum Schlafen und gutes Futter gibt. Aber lieber noch als Futter aus der Dose frisst eine richtige Katze Mäuse oder Vögel, die sie selbst in wilder Jagd gefangen hat.
Vielleicht lieben wir Katzen deshalb, weil sie uns ihre unbändige Freiheit vorleben. Wenn sie nachts auf Abenteuer ziehen, leben sie unseren Wunsch nach Freiheit vor. Sie verraten uns niemals etwas von ihren nächtlichen Erlebnissen. Das Geheimnis behalten sie für sich. Und wenn sie dann zusammengeringelt in ihrem Körbchen liegen und schlafen, erscheinen