DAS SCHLOSS DES VAMPIRS. Eric Borna. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Eric Borna
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Учебная литература
Год издания: 0
isbn: 9783749735525
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und drückend schwül. Der Fuchs, froh, dass er den Rucksack nicht mehr tragen brauchte, hatte das Pfadfinder-Halstuch abgebunden und zu-sammengefaltet in die Hosentasche gesteckt. Zur Kühlung trug er sein Hemd weit geöffnet, was die nun überall he-rumsummenden Mücken offenbar sehr erfreute. Eigentlich sol-len Moskitos ja nachtaktive Tierchen sein, die hier wussten aber scheinbar nichts davon. Jedenfalls bemühten sie sich nach Kräf-ten, Tim zu stechen, wo sie ihn nur erwischen konnten. Sogar mitten auf seiner spitzen Fuchsnase prangte inzwischen eine prächtige, juckende Schwellung. Sozusagen der Häuptling aller Mückenstiche. „Gut, dass Füchse wenigstens keine Malaria be-kommen können“, glaubte unser geplagter Fernreisender zu wissen.

      Malusi, der offenbar bisher keinen einzigen Mückenstich ab-bekommen hatte, grinste den Fuchs an. „An mich gehen diese Biester Gott sei Dank nicht ran, ich bin immun gegen die Stecherei“, freute sich der Zebrajunge.

      Mückenstiche, Blutsauger – Tim wurde schmerzhaft an den Zweck seiner Südafrikareise erinnert. „Ich muss mal dringend vor zum Chef“, sagte er zu Malusi und stiefelte in seinen quiet-schenden Botten los.

      „Du, Pieter“, sagte der Fuchs, an der Spitze ihrer kleinen Wandergruppe angekommen. „Wie ist das eigentlich, ich hab‘ mal gehört, in euren Drachenbergen hier im Hochland von Transvaal spukt es.“

      „In deinem Kopf spukt es“, entgegnete der Oberpfadfinder. „Wir latschen nun schon seit über einer Stunde am Flussufer herum, hast du eigentlich inzwischen ein paar von deinen ge-liebten Pflanzen entdeckt und eingesammelt?“

      „Noch nicht so richtig, aber ich guck‘ mir hier ja bald die Au-gen aus dem Kopf“, nuschelte Tim. „,Meine geliebten Pflanzen‘ sind das übrigens auch nicht unbedingt, wenn du es genau wis-sen willst. Ist eben ein Schulauftrag. Die wissen, dass ich nach Südafrika reise. Da soll ich mir hier vor allem die Wiesenpflan-zen ansehen und dann im Unterricht einen Kurzvortrag darüber halten. Ist etwas merkwürdig, aber nicht zu ändern“

      „Ach so ist das also“, wunderte sich der Büffeljunge. „Aber nun mal Klartext: Was genau suchst du dabei eigentlich? Welche Pflanzen wachsen denn bei euch in Deutschland eigentlich so auf den Wiesen?“

      Gänseblümchen, Butterblumen, Brennnesseln, Löwenzahn…, viel mehr hätte Tim darauf normalerweise nicht zu sagen ge-wusst. Nun aber antwortete er Pieter voller Fachkenntnis: „Schafgarbe, Spitzwegerich, Huflattich, Klee, Acker-Kratz-disteln, echte Kamille, an Blumen zum Beispiel Margeriten, Lu-zerne, Klatschmohn, blaue Korn- und Glockenblumen; es gibt ja so viel Schönes in unseren Fluren zu bestaunen.“

      Pieter war erstaunt über dieses Wissen. „Einiges davon gibt es hier auch. Halte die Augen offen und such‘ mal schön weiter“, riet er dem Fuchs. „Ein bisschen Zeit ist ja noch für deine Pflan-zenerforschung übrig. Hauptsache, wir sind pünktlich bei den anderen oben auf dem Falkenberg. Dort können wir dann nach dem Mittagessen über deine Funde reden.“

      Wie aber war es eigentlich zu Tims verblüffendem Wissens-zuwachs gekommen?

      Man sagt wirklich nicht umsonst „schlau wie ein Fuchs“: Un-ser angehender Vampir-Jäger hatte diese Frage der Pfadfinder vorausgesehen und sich gut darauf vorbereitet. Schließlich war er zu Gast bei Samantas Familie in Graskop! Gestern Nachmittag hatten die Kinder dort im Garten herumgealbert und im Pool geplanscht. Das Bad war sehr erfrischend gewesen, aber ir-gendwie für Tim auch recht anstrengend. Er hatte nämlich stän-dig mit einer Hand die viel zu große Badehose, eine Leihgabe von Samantas älterem Bruder George, festhalten müssen. Aber schließlich war es ihm doch gelungen, die absolute Peinlichkeit eines völlig nackigen Fuchses im Schwimmbecken einer fremden Familie zu vermeiden. Am späten Abend hatte er noch vom Ga-zellenmädchen ein Küsschen auf die Wange gedrückt bekom-men. Dann war er zum Schlafen ins geräumige Gästezimmer geschickt worden. Im Bett hatte Tim dann in den untersten Tie-fen seines unergründlichen Rucksacks gekramt und schließlich das kleine iPad, seinen treuen Reisebegleiter, zutage gefördert. Der Rest war dann dank Papa Gazelles WLAN-Anschluss, Google und Wikipedia, dem Wissensspeicher im Internet, sozu-sagen ein Kinderspiel gewesen.

      Weiter ging es für die Wanderer auf dem schmalen Pfad durch die feuchten Wiesen am Fluss. Tim, der gerne etwas über Vampire und alte Schlösser oder Burgen hier in der Gegend er-fahren hätte, war mit seiner Spuk-Anfrage bei Pieter nicht wei-tergekommen. Dafür hielt er nun nach verschiedenen blöden Blümchen Ausschau. Rote, blaue, gelbe…, irgendetwas musste er sich jetzt genauer anschauen und möglichst in seine Botani-siertrommel einpacken.

      „Schau‘ mal, Pieter, dahinten, die schöne weiße. Die sieht aus wie eine besonders große Glockenblume. Nur eben weiß gefärbt. Seltsam, die guck‘ ich mir mal aus der Nähe an.“ Tim verließ den Weg und machte sich querfeldein Richtung Blume auf die Socken.

      Die Pfadfinder hörten ihn laut irgendetwas schimpfen, das sich wie „dämlicher Schlamm“ anhörte. Dann klatschte es und der Fuchs verschwand von der Bildfläche. Er war im Matsch ausgerutscht und mit dem Po in einer beachtlichen Pfütze ge-landet. Allerdings: Genau vor seiner spitzen Nase baumelte nun die Blüte, wegen der er in diese dumme Lage geraten war.

      Na, wenigstens etwas, dachte der Fuchs und rieb sich seinen feuchten, schmerzenden Hosenboden. „Gleich siehst du diese schöne Botanisiertrommel von innen“, rief er und trennte mit dem Taschenmesser die weiße Blüte ab. Die Pflanze verströmte einen süßlich-schweren Duft. Tim wurde etwas schwindlig. Er richtete sich auf und rief Pieter lauthals zu: „ICH HAB‘ SIE.“

      „WER HAT WAS?“, antwortete der Büffeljunge. Er blieb ste-hen und blickte verblüfft in die Richtung, in die der Fuchs ver-schwunden war. Suchend streifte sein Blick über die leere Wiese. Sanft wiegten sich Halme und Blumen im Wind. Sonst war au-ßer einer eingedrückten Stelle im hohen Gras nichts zu sehen, kein Rotpelz weit und breit!

      „Na, hier stehe ich doch“, brüllte Tim zurück, „ihr müsst mich doch sehen.“ Nun blieben auch die anderen Pfadfinder stehen und starrten auf die Wiese.

      „Nö, da ist niemand“, sagte Malusi. „Aber, wer blökt hier rum, und wo ist eigentlich unser Forschungsreisender abgeblie-ben?“

      „Die tun ja gerade so, als ob ich unsichtbar bin“, dachte der Fuchs. „Vielleicht bin ich es auch“, überlegte er weiter. „Aber sowas gibt‘s ja gar nicht. Das ist Quatsch, völliger Unfug.“ Er-neut hörte er, wie die Pfadfinder nach ihm riefen. Und das, ob-wohl er aufgerichtet und gut sichtbar dastand.

      Tim wurde schlecht. Er fing an zu zittern. Die Beine wurden weich, die Knie knickten ein und plumps, saß er wieder im Matsch auf dem Hintern. Dabei fiel ihm die Blüte, die ihn in die-se miese Lage gebracht hatte, aus der Hand.

      „Was soll’s, dann nehme ich eben eine andere“, schimpfte der Fuchs und stand wieder auf.

      „Na also, da bist du ja“, hörte er Malusi rufen. „Gott sei Dank, wo warst du denn bloß? Kugelst du dich hier im hohen Gras rum?“, auch Pieter klang erleichtert.

      „Ihr könnt mich jetzt sehen?“, schallte Tims Stimme über die Wiese hinüber zu den anderen.

      „Klar doch, warum auch nicht. Wir sind doch nicht blind“, antwortete der Büffeljunge prompt.

      In diesem Moment fiel beim Fuchs der Groschen. So sagt man jedenfalls, wenn einem ganz plötzlich etwas klar wird. „Guckt noch mal ganz genau zu mir rüber“, rief er seinen Wanderge- fährten, die immer noch auf dem Wiesenweg standen, zu. „Ich hebe jetzt die weiße Blume wieder vom Erdboden auf, passiert da irgendetwas?“

      Die Pfadfinder sahen, wie sich Tim bückte. Kaum hatte er die Blüte in der Hand, flimmerte die Luft ein wenig, und weg war er. Verblüfft starrten alle auf die nun wieder scheinbar völlig fuchslose Wiese.

      Erneut flimmerte es in der Luft und Tim, der die Pflanze wie-der im Gras abgelegt hatte, erschien so plötzlich wie ein Fla-schengeist.

      „Habt ihr’s kapiert?“, schrie der wieder Sichtbare. „Ohne Blu-me – Fuchs, mit Blume – kein Fuchs. Da ich euch die ganze Zeit gesehen oder wenigstens gehört habe, war ich hier nie weg. Das bedeutet, dass meine große weiße Blüte“, Tim deutete auf das abgeschnittene Gewächs zu seinen Füßen,