Alexandra - die Geschichte eines ungewöhnlichen Lebens. Michael Wolfgang Geisler. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michael Wolfgang Geisler
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Биографии и Мемуары
Год издания: 0
isbn: 9783347068643
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      Wie kann ein Menschenleben verstanden, anerkannt und angenommen werden, dass nicht allein ungewöhnlich, sondern von außen betrachtet durch große Abhängigkeit, Leid und Not gekennzeichnet ist? Wie lässt sich damit Frieden schließen, dass dieses Dasein der allgemeinen Vorstellung von einem »gelungenen« Leben radikal entgegensteht?

      Alexandras irdische Existenz fordert uns auf, die Wirklichkeit in anderer Form, als es dem herrschenden Verständnis entspricht, zu betrachten. Aus dem Erfahrenen, Bekannten und Erahnten muss eine neue Weltsicht aufgebaut werden. Eine Sicht, die nach Wahrheit und Sinn sucht und von ihnen weiß. Eine Sicht, die es unserem Denken und Fühlen erlaubt, in einem weiten Raum frei ihren Platz zu finden.

      Die Kunst sollte sich mit dem Unvergänglichen

      und nicht nur mit dem Aktuellen beschäftigen.

      Arvo Pärt

      © 2020 Michael Wolfgang Geisler

      Autor: Michael Wolfgang Geisler

      Bild Umschlag: Cecilia Dávalos de Geisler Lektorat, Korrektorat:

      LektoRat Vita Funke, Freiburg

      Verlag & Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg

      ISBN:

      978-3-347-06862-9 (Paperback)

      978-3-347-06863-6 (Hardcover)

      978-3-347-06864-3 (e-Book)

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      Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

      Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

      Ich danke den Menschen,

      die Alexandra Fürsorge und Liebe geschenkt haben.

       Auf dem Weg

      Seit sechs Monaten wächst Alexandra im Bauch ihrer Mutter. Wie umfassend hat sich in dieser Zeit ihr Dasein verändert!

      In den ersten Wochen der irdischen Existenz schien es ihr, als hätte sie in einem unüberschaubar weiträumigen Reich Platz gefunden. Warm, wohlgenährt und ganz aufgehoben schwebte sie in ihrem Zuhause. Noch vollkommen gegenwärtig schienen ihr in jenen Tagen die leuchtenden Sterne ihrer Heimat in der Weite des Alls. Wie verzaubernde Musik hatte sie dort das rhythmische Schwingen der Gestirne sanft bewegt. Weiterhin verbunden mit dem Ort ihrer Herkunft erlebte sie die umwälzende und alles verändernde Entwicklung ihres menschlichen Körpers.

      Große Zufriedenheit stellt sich bei Alexandra ein. All das, was geschah, hat sie gewollt! Sie weiß: Mensch auf der Erde zu sein ist etwas Besonderes! Als irdisches Wesen lässt sich das Leben in einer Weise erfahren, wie es die geborgene Existenz bei den glitzernden Sternen niemals ermöglichen kann. Sicher, keinesfalls ist es möglich, im Voraus zu erkennen, was die Erdenwirklichkeit bringen mag. Sie würde von ihrer Intensität vollkommen erfasst, ja überwältigt werden. Doch ihr ist bekannt, zu welchem Ziel sie strebt und warum sie das Menschsein suchte.

      Verblasst waren während ihrer Existenz in den himmlischen Gefilden die Erinnerungen aus früheren Tagen an das Leben auf Erden. Das Sein im Himmel hatte ihre Gedanken mit reinen und vollkommen wahren Ideen erfüllt, geboren aus einem alles umfassenden Bewusstsein. Doch wie konnte sie diese begreifen, wie sie besser verstehen? Ein Verlangen zu lernen meldete sich mit Macht. Es bedarf der irdischen Erfahrung, gab sie sich selbst zur Antwort. Sie war ja in dieser geistigen Existenz nicht die Alexandra, die nun im Bauch der Mutter heranwächst, sondern von ganz anderer Gestalt und Art.

      Als Wesen des Sternenhimmels hatte sie sich vorgenommen, auch als Mensch der Erde mit dem Ort ihrer Herkunft in ständigem Kontakt zu sein. Die Einheit von allem, was ist, sollte erhalten bleiben. Ein forderndes Unterfangen! Sie kannte den Ursprung von Wahrheit, Licht und Vollkommenheit. Niemals wollte sie sich davon trennen. Sich dessen bewusst strebte sie hinab auf die Erde mit ihrer Vielfalt an Formen und Dingen, in der die vollkommenen Ideen sich in Gegensätze aufspalten und eine Wirklichkeit größter Spannung erschaffen, die in Empfindungen, Gefühlen und Gedanken gelebt werden muss.

      »Ich schaue auf mich«, sprach sie zu sich selbst. »Ich weiß, dass ich bin, und ich weiß von dem Einen, das in der irdischen Welt so ganz verloren scheint. Doch ebenso – und das lässt mich zögern – sehe ich, wie ich eine vielfarbige Schleppe nachziehe, die zu mir gehört. Es sind meine Aufgaben, die ich mit in das irdische Dasein trage. Denn stets soll im irdischen Sein fortgeführt und zu einem Abschluss gebracht werden, was einst in anderen Zeiten begonnen wurde.«

      Natürlich, das helle Licht, welches sie zuvor umgeben hatte, fehlte nun im Mutterleib. Doch dafür schaukelten sie die weichen Bewegungen des Wassers, in dem sie frei schwebte. Unendlich schien es sich um sie auszudehnen.

      Allmählich bildet sich eine Ordnung mit klaren, fassbaren Strukturen heraus. Diese festen Formen sind nun für sie deutlich zu spüren. Ihre Arme und Beine stoßen auf entschiedenen Widerstand. Zu erkunden, was dies bedeutet, schenkt ihr eine völlig neue Erfahrung. Je mehr ihr Körper wächst, desto enger werden die Begrenzungen um sie, und immer fester verbindet sich die Seele mit dem Leib. Ein gleichmäßiges Pulsieren und Rauschen lässt sich vernehmen. Auch hört sie unterscheidbare Töne und Stimmen aus einer fernen Welt. Voller Interesse lauscht sie dem Geschehen.

      »Ein schönes Kind, eine schöne Mutter«, spricht Dr. Christiansen, die Ärztin, mit einem Lächeln. Eine Weile schaut sie versonnen auf den sich rund wölbenden Bauch. Das Stethoskop, ein kleines, häufig gebrauchtes und entsprechend abgenutztes Hörrohr aus Buchenholz, hält sie in ihrer Hand. Soeben hat sie den Herztönen des Ungeborenen gelauscht, die sich regelmäßig und in schneller Abfolge vernehmen lassen. Sie ist erfahren und seit vielen Jahren begleitet sie Schwangere und ihre Kinder. Doch immer noch erfüllt sie der intime Augenblick mit großer Freude, wenn sie ihr Ohr an das Hörrohr legt und in Kontakt mit dem Kind im Bauch tritt. Meist schließt sie dann für einen Moment die Augen, um sich dem, was sie vernimmt, andächtig hinzugeben.

      Hören berührt den Menschen auf vollkommen andere Weise als sehen. Die Ärztin weiß, es ist der erste Sinn, den der Embryo entwickelt und der ihn nun mit der ihn umgebenden Welt verbindet. Sie möchte sich auf der gleichen Ebene wie das Ungeborene befinden. Es scheint ihr, als öffne sie mit ihrem hölzernen Stethoskop ein kleines Fenster und das Kind begänne zu ihr zu sprechen: »Ich wachse, ich bin da, ich erzähle dir von mir. Mein kleines Herz schlägt schnell und Blut durchströmt meinen Körper. Hörst du mich? Was ich erlebe, ist fern und nah zugleich. Ich möchte es verstehen! Meist fühle ich mich geborgen. Dann lebe ich in Harmonie als Teil eines großen Ganzen. Fast vergesse ich mich in solchen Augenblicken. Aber es existieren auch andere Momente. Es kann laut sein, unangenehm laut, oder es fehlt mir an Versorgung und ich bemerke, wie mein Körper sich verkrampft. Gefühle der Angst und die Vorstellung von einer Trennung steigen dann in mir auf. Meist klingt diese Beunruhigung schnell wieder ab. Trotzdem, sie findet Zugang zu mir. Sie lässt mich die große Forderung erahnen, die an mich herantritt.«

      Voller Faszination lauscht die Ärztin dem Pulsieren des Herzens, dem Rauschen des zirkulierenden Blutes, und blickt auf das, was sie in ihren inneren Bildern wahrnimmt. Vor ihrem geistigen Auge gewinnt das Kind Gestalt. In Gedanken spricht sie zu ihm. »Du bist beschützt, du bist sicher. Genieße deine Zeit im Bauch! Deine Mutter liebt dich, die Welt erwartet dich, denn du hast hier eine bedeutsame Aufgabe zu erfüllen! Du bist wichtig für uns!« Manchmal scheint es ihr, als antworte das Ungeborene auf ihre Gedanken, indem der Herzschlag sich leicht wandelt. Stets empfindet sie in solchen Augenblicken tiefe Liebe.

      Nun wendet sie sich wieder der Mutter zu. »So viel Ruhe strahlen Sie aus! Es ist schön, dies zu sehen.«

      Eine