Seit einiger Zeit aber lief immer eine einzelne Katze in seinem Revier umher, die von ihm nichts wissen wollte. Schnurr hatte sie schon lange bemerkt und sein Augenmerk auf sie gerichtet, aber sie dachte nicht daran, ihm auch nur einen Blick zuzuwerfen. Die Dame war bildschön. Ihr Fell war ganz weiß, Schwanz und Pfötchen jedoch schwarz. Bei ihr könnte man meinen, sie käme geradewegs aus einem Kohlenkeller. Schnurr wollte so gerne mit dieser Mieze anbandeln, kam aber nicht an sie heran.
Ein paar Tage später überlegte er sich, dass eine andere Taktik anwendet werden müsse. Nach einer geraumen Zeit gelang es ihm, eine Maus zu fangen. Die ganze Damenschar, die sonst um ihn herum war, freute sich und rätselte, wer den Fang nun bekommen würde. Schnurr stolzierte jedoch mit seiner Maus im Maul an allen vorbei und schritt schnurstracks auf seine Angebetete zu. Diese würdigte ihn keines Blickes. Doch plötzlich blieb sie stehen, als hätte sie es sich anders überlegt und ging ein paar Schritte auf ihn zu. Er konnte sein Glück nicht fassen und übergab ihr freudestrahlend die Maus, die sie gerne annahm und sofort gierig verschlang, hatte sie doch schon länger kein ordentliches Futter gehabt. Der Schmaus war deshalb sehr willkommen. Die anderen Miezen sahen sich die ganze Sache mit Unbehagen an, konnten aber nichts machen. Seit dem Tag bekamen sie Schnurr nur noch ganz selten zu sehen, denn er hatte sich rargemacht und keine der Damen wusste, warum.
Eines Tages tauchte er wieder auf und tat so, als sei nichts gewesen. Dem war aber nicht so. Seine Angebetete kam etwas später aus dem nahe gelegenen Gebüsch hervor und hinter ihr die vier Katzenkinder. Schnurr zeigte mit seiner Angebeteten voller Stolz den Nachwuchs. Die Kleinen waren so niedlich, dass die anderen Katzendamen nicht anders konnten, als die ganze Familie freudig zu begrüßen und zu beglückwünschen.
Ein paar Wochen später tollten alle auf dem Hof der Wilkens herum und waren glücklich, dass sie so eine große Familie waren.
9 - Einkauf im Supermarkt
Für einen Städter, der neu in einem Dorf wohnt, muten viele Dinge sehr seltsam an, ist er doch eine völlig andere Geschwindigkeit gewohnt. Dies bezieht sich nicht nur auf das Autofahren, sondern auf alle Bereiche des Lebens, nach dem Motto: Zeit ist Geld. Aber ist das wirklich alles? Wer nun aus einer Großstadt kommt, empfindet das Dorfleben, und auch das Miteinander, als völlige Ausbremsung. Egal was, alles ist wesentlich langsamer und gemütlicher. So auch beim Einkaufen im Supermarkt.
Friedhelm fährt mit seinem PKW auf den Parkplatz des Supermarktes, steigt aus und verriegelt sein Auto. Aus einer Tasche seines Anoraks kramt er eine Ein-Euro-Münze hervor, geht zum Unterstand, wo die ganzen Einkaufswagen geparkt sind, entriegelt mit der Münze einen Wagen, und schiebt ihn langsam gehend zum Haupteingang des Marktes. Die Schiebetür öffnet sich und er sieht drei ältere Frauen schwatzend dastehen, die keine Anstalten machten, ihn passieren zu lassen, obwohl sie ihn kommen sahen.
„Meine Damen, darf ich bitte mal vorbei?“
„Herrgott, können Sie nicht einen Moment warten oder um uns herumfahren?“
„Wenn ich es könnte, hätte ich es ja getan.“
„Die jungen Leute von heute haben überhaupt keine Zeit mehr. Alles muss holterdiepolter gehen, schrecklich.“
Friedhelm verdrehte innerlich die Augen und sagte, als die drei Grazien ihn schließlich passieren ließen: „Zu gütig von Ihnen, danke.“
„Auch noch unverschämt werden.“
Er beachtete die drei nicht weiter, schob den Einkaufswagen von Reihe zu Reihe und legte seine benötigten Waren hinein. Zum Schluss seines Einkaufs ging er noch zu den Obst- und Gemüseregalen, um auch dort noch das eine oder andere mitzunehmen. Er wollte noch Champignons haben, die der Markt nur heute im Sonderangebot hatte, bog mit seinem Wagen um die Ecke und stand neben einer Frau, die sich jede Packung ansah, um sie wieder zurück ins Regal zu legen.
„Darf ich bitte mal da ran? Ich will mir nur zwei Packungen Pilze rausnehmen, dann können Sie genüsslich weiterschauen.“
„Sehen Sie denn nicht, dass ich hier stehe?“
„Das sehe ich. Ich möchte nur zwei Pakete rausholen.“
„Da müssen Sie noch einen Moment warten.“
Seine Gedanken gingen hin und her und er wusste nicht, ob er der Frau die Meinung sagen sollte, oder einfach ihren Wagen beiseiteschieben sollte, um sich die zwei Pakete Pilze aus dem Regal zu nehmen. Er entschied sich für Letzteres.
„Sie unverschämter Kerl, können Sie nicht einen Moment warten?“
„Nein, kann ich eben nicht. Meine Frau, die ich zum Arzt fahren muss, wartet zu Hause auf mich.“
„Dann fahren Sie doch zuerst zum Arzt und gehen dann einkaufen.“
Friedhelm reichte es mit der Einkauferei für heute und er fragte sich, warum ihm die Leute so blöde kamen, oder machte er etwas total falsch?
Er hatte alles bekommen, was er brauchte, auch die zwei Pakete Champignons, und schob seinen Einkaufswagen in Richtung Kasse. Dort angekommen sah er, wie eine Frau im Schneckentempo ihre Waren aus dem übervollen Einkaufswagen auf das Band legte. Der Kassiererin schwante schon etwas. Sie nahm das neben der Kasse liegende Telefon und sagte dann nach einer Weile:
„Gerda, kannst du bitte Kasse zwei aufmachen? Danke.“
Zwei ältere Frauen - sie mochten zwischen siebzig und achtzig Jahren alt sein - gingen zur Kasse zwei, so dass Friedhelm der dritte dort war. Die beiden hatten nicht viel eingekauft und er hoffte immer noch, schnell aus dem Markt zu kommen. Kassiererin Gerda setzte sich auf den Stuhl, richtete die Kasse ein und begann die Waren der ersten Frau über den Scanner zu ziehen.
„Ach, Gerda, dich habe ich ja schon Ewigkeiten nicht mehr gesehen. Wie geht es dir? Was machen Helmut und die Kinder?“
Für Friedhelm gingen die Einkaufsqualen weiter, konnte er in der Situation doch wenig Einfluss nehmen. Wenn er jetzt rumgemotzt hätte, wäre es dann schneller gegangen? Vermutlich nicht.
„Ja, uns geht es allen gut, auch den Kindern. Der Jüngste wurde vor zwei Monaten eingeschult.“
„Was, ist er schon so alt?“
„Ja, ja, an den Kindern merkt man, dass man älter wird. Wie geht es dir denn? Hast du immer noch Probleme mit deinem Knie und dem Magengeschwür?“
„Ach, mit dem Knie wird das wohl nichts mehr werden. Das Magengeschwür wurde mir vor vier Monaten herausoperiert.“
„Was, so schlimm?“
Es ging noch eine Zeit lang so weiter und Friedhelm konnte seinen Unmut kaum noch im Zaum halten, anlässlich seiner Zeitnot. Endlich bezahlte sie ihren Einkauf und ging gemächlich Richtung Ausgang, drehte sich noch einmal um und sagte:
„Schöne Grüße und alles Gute, man sieht sich.“
Friedhelm dachte nur, hoffentlich nicht mehr in diesem Laden. Die Frau vor ihm legte ihre wenigen Sachen auf das Band und nahm im Gehen ihr Portemonnaie aus ihrer Einkaufstasche.
„Ach, Gerda, schön, dich mal wiederzusehen. Wie geht es dir.“
„Danke, gut, und dir?“
„Ich war gestern beim Arzt. Der hat einen Schleimbeutel im Armgelenk festgestellt, der nur noch mit einer Operation zu entfernen ist.“
„Ach herrje, so schlimm? Macht 12,38