„Kannst du mir bitte mal verraten, warum du den Herd niedriger gestellt hast? Und warum bitte steht der Kurzzeitwecker jetzt auf zwanzig Minuten statt auf dreizehn Minuten?“
„Das habe ich so gelernt.“
„Hast du dir einmal überlegt, aus welchem Grund ich die Kartoffeln so klein geschnitten habe?“
„Nö, wie gesagt, das habe ich so gelernt.“
Jörg ging das alles zu weit und er wollte schon aufbrausen. Im letzten Moment hielt er sich zurück und stellte den Wecker jetzt auf zehn Minuten und die Herdplatte auf knapp zwei, so dass das Kartoffelwasser wieder leicht sprudelte.
„Du brauchst die Platte nicht wieder auf drei oder so zu stellen.“
„Kochst du oder ich?“
„Ich meine ja nur. Das verbraucht dann weniger Strom.“
„Und die Kartoffeln möchtest du halb roh essen?“
„Nö, die sollten schon gar sein. Aber ich meine ja nur.“
„Hast du schon bemerkt, dass ich heute koche?“
„Ja, ja, du kannst ruhig einen Rat von mir annehmen.“
„Meinst du, ich wüsste nicht, wie man was kocht?“
„Meine Zeit, ich meine ja nur.“
„Warum redest du mir ständig rein? Schade, dass die Küche zum Flur hin nur einen Vorhang hat, sonst würde ich die Küche von innen zuschließen.“
„Das fehlt noch. Du nimmst überhaupt keinen Rat von mir an. Was ist bloß los mit dir?“
„Ich nehme gerne einen Rat von dir an, wenn er vernünftig ist. Bloß weil du mal vor fünfzig Jahren Kochen in der Schule hattest, heißt das noch lange nicht, dass alles genauso wie früher gemacht werden muss.“
„Das habe ich ja auch nicht gesagt, aber du könntest ruhig was von mir annehmen.“
„Weißt du was? Du kannst hier weitermachen.“
„So habe ich das doch gar nicht gemeint. Mein Gott, lege doch nicht gleich jedes Wort auf die Goldwaage.“
„Ach, was, meinst du vielleicht, ich sollte alles schlucken? Was glaubst du, was passiert, wenn ich dich nicht ernst nehme? Das hatten wir in der Vergangenheit schon einmal.“
„Das war aber auch etwas völlig anderes, das hatte ja nichts mit Kochen zu tun.“
Jörg merkte, wie in ihm die Wut innerlich weiter hochstieg, bis ihm schließlich der Kragen platzte.
„Wer ist hier der Boss, du oder ich? Jetzt komm‘ nur nicht auf die Idee, zu sagen, wir beide. Entweder du, dann kochst du auch, oder ich, dann halte dich bitte auch zurück.“
Gemurmel und Gegrummel aus dem Hintergrund.
„Wir kochen das nächste Mal genauso, wie du es haben möchtest, ok?“
„Ist in Ordnung.“ Es kehrte Ruhe ein, keiner sagte mehr ein Wort.
Tage später wurden die Kartoffeln genauso zerkleinert und gekocht, wie SIE es gelernt hatte. Der „Erfolg“: Die Kartoffeln waren teilweise noch leicht glasig und hart und „schmeckten“ dementsprechend. Von dem Zeitpunkt an sagte Susanne nichts mehr und ließ Jörg in der Küche gewähren. Nur hin und wieder kam ein: „Na, klappt’s?“ oder „Kann ich helfen?“
Die beiden hatten sich darauf verständigt - egal wer kocht - dass der andere zu schweigen hat, denn nur einer kann in der Küche der Boss sein.
2 - Markttag
Es war Anfang März 2000, als sich Paul entschied, für eine Woche nach Portugal an die Algarve zu fliegen, denn dort hatte ein Bekannter eine kleine Ferienanlage, die auch von Künstlern genutzt wurde. Die wenigen Häuschen konnte man zu der Zeit ohne Probleme mieten. Später im Jahr waren sie für einen längeren Zeitraum bereits alle vermietet.
Nach ein paar Tagen wollte er nach Olhao fahren, um sich das Städtchen anzusehen, welches direkt am Meer lag. Er wachte morgens auf und die Sonne schien direkt in das Häuschen. Um zu sehen, wie das Wetter insgesamt aussah, trat er auf die kleine Terrasse und sah, dass der Himmel total blau war, ohne eine Wolke und es bereits angenehm warm war, einfach herrlich. Nach dem Frühstück fuhr er mit seinem Leihwagen über Santa Catarina und Moncarapacho nach Olhao - eine liebenswerte Kleinstadt, wie er gehört hatte.
Ihm leuchteten die Häuser mit ihren weißen Fassaden entgegen. Überall blühte und grünte es und es sah manchmal aus wie auf einer kitschigen Postkarte. Die Straßen waren sauber und der Ort wirkte sehr gepflegt. Man sagte ihm, er müsse sich unbedingt die Markthallen von innen und die Stände außen herum ansehen. Er fuhr ganz in den Ort rein und sah überall die Schilder mit dem Symbol „absolutes Halteverbot“. So kurvte er eine ganze Zeit rum und hielt verzweifelt nach einem Parkplatz Ausschau. Endlich, nach unzähligen Runden, fuhr vor ihm ein großer PKW aus einer Parklücke. Gott sei Dank auch noch da, wo man offiziell parken durfte, und er war in diesem Moment der glücklichste Mensch der Welt. Er hatte nämlich gehört, dass die örtlichen Ordnungshüter nicht zimperlich und sehr rigoros seien.
Paul schlenderte eine der Hauptstraßen entlang Richtung Markthallen und sah diese von Weitem. Es waren architektonisch sehr schöne Gebäude, die sich wunderbar in das umgebende Stadtbild einfügten. Dort angekommen, genehmigte er sich erst einmal einen Kaffee, den er in aller Ruhe genoss, während das Leben drum herum geschäftig ablief. Es war alles gemütlich hier, keine Hektik und kein Gehetze.
Als er seinen Kaffee ausgetrunken hatte, bog er nach rechts in die erste Halle und fand dort nur Obst, Gemüse und Fleischstände vor, ein Gewirr von Stimmen und Gerüchen. Es wurden Waren angeboten, die er noch nie zuvor gesehen, geschweige denn gegessen hatte. Er vernahm ein buntes, herrliches Treiben, ohne jede Hektik oder Aufgeregtheit, das genaue Gegenteil von ihm zu Hause. Dann betrachtete er die ausgelegten Waren und schlenderte von Stand zu Stand. Als er einmal rundherum gegangen war, ging er in die gegenüberliegende Halle. Dort wurde nur Fisch angeboten. Es war eine unglaubliche Vielfalt, die er so auch noch nie gesehen hatte. Er drehte ganz langsam Runde um Runde, um nur ja nicht einen Stand zu verpassen. Es war aufregend und spannend. Nachdem er alles in den Hallen gesehen hatte, ging er wieder nach draußen, setzte sich in die Sonne und bestellte sich einen Kaffee, sowie einen großen Becher Eis mit Sahne. Als er alles in Ruhe genossen hatte und mit allem fertig war, begab er sich auf die Rückseite der Hallen, wo Einheimische aus ihren Privatgärten Obst, Gemüse und Kräuter anboten. Er durfte hier und da etwas kosten und es war die reinste Gaumenfreude. Auch Gewürze wurden angeboten. Leider standen ganz viele Wörter, die auf den Schildern geschrieben waren, nicht in seinem kleinen Lexikon, so dass er nur riechen oder schmecken konnte. Das Angebot war gigantisch. Ganz am Ende der Marktstände war ein Stand, dessen Verkäuferin eine ältere Frau war. Ihr Alter war für Paul nicht zu schätzen, da ihre Haut von der Sonne ganz braun gebrannt und runzelig war. Sie konnte fünfzig Jahre alt sein, aber auch fünfundsiebzig. Das Geschäft schien bei ihr an diesem Markttag nicht zu florieren, da die Stände vor ihr ziemlich leer gekauft waren. Paul entschied sich, sechs frische Orangen bei ihr zu kaufen.
Die Verkäuferin und er schauten sich an und er konnte sich an ihr nicht satt sehen. Es quoll so viel Liebe und Güte aus ihren Augen, die ihn magisch anzogen. Sie lächelten sich zu