"Dann werden Sie mir helfen?"
"Das würde vielleicht heißen, dass Rogers entkommt!"
"Ja, vielleicht."
Farley atmete tief durch.
"Ich weiß es noch nicht", murmelte er dann.
9
Am nächsten Morgen fühlte Farley sich stark genug, um weiterreiten zu können.
Es war eine kurze Verabschiedung.
Laura Barrington verlor über die Viehdiebe kein Wort mehr.
Sie war einfach zu stolz.
"Ich werde mich in San Pablo etwas umhören!", sagte er ihr, aber das schien ihr nicht zu genügen. Jedenfalls konnte es ihre Miene nicht so recht aufhellen.
"Leben Sie wohl, Mr. Farley!"
Sie bemühte sich, keinen Vorwurf in ihre Stimme zu legen, aber es war unüberhörbar, dass sie enttäuscht war.
Und so ritt Farley mit einem unguten Gefühl davon.
Es war ihm klar, dass er diesen Leuten etwas schuldig blieb.
Sie hatten ihm das Leben gerettet und ihn aufgenommen.
Aber andererseits wäre es unredlich gewesen, der jungen Rancherin etwas zu versprechen, was er am Ende nicht würde halten können.
Er wollte Rogers, den Killer mit dem halben Ohr!
Wenn er den hatte, konnte er vielleicht etwas gegen die Viehdiebe unternehmen. Falls die Bande allerdings wirklich so gut organisiert war, wie Miss Barrington behauptet hatte, dann war die Sache möglicherweise ohnehin für einen einzelnen Mann eine Nummer zu groß, wie gut der auch immer sein mochte...
Einen Moment lang überlegte Farley, ob zwischen den Viehdieben und Rogers vielleicht ein Zusammenhang bestand, aber dann fand er, dass das ziemlich unwahrscheinlich war.
Warum sollten Viehdiebe zwei Männer im entfernten Tucson umbringen lassen?
Andererseits hatten die Männer, die Farley beinahe umgebracht hatten, das Halbohr offensichtlich gekannt... Und wer konnte ausschließen, dass sie zu jener Bande gehört hatten, die in dieser Gegend ihr Unwesen trieb?
Farley drosselte das Tempo seines Pferdes etwas. Zunächst war er ziemlich schnell davongeprescht, aber die Erschütterungen taten seinen Wunden nicht gut und dem musste er Tribut zollen.
So ging es etwas langsamer vorwärts.
Farley hatte es sich anders gewünscht, aber da war nichts zu machen.
Er konnte - nüchtern betrachtet - froh darüber sein, überhaupt so schnell wieder im Sattel sitzen zu können.
Ab und zu tat es noch immer höllisch weh, aber Farley biss die Zähne zusammen.
So schnell war er nicht aus der Bahn zu werfen.
Es dauerte etwas, bis ein Pulk von wie dahingeworfen wirkenden Häusern am Horizont auftauchte.
Das war San Pablo.
Es war ein ziemlich ungeordneter Haufen, aus dem einzig und allein die helle, aus massive Stein erbaute Kirche herausstach.
Die Spanier hatten sie vor mehr als hundert Jahren hier errichtet.
Der Rest bestand aus schnell zusammengenagelten Holzhäusern und erbärmlich wirkende Lehmhütten.
Wainright hatte sich daran erinnert, einen Mann, dem ein halbes Ohr fehlte, in San Pablo gesehen zu haben.
Dieser Mann musste auch noch anderen aufgefallen sein!
Als Farley sein Pferd zwischen den Häusern hindurch lenkte, kamen einige der Leute heraus, um ihn zu begaffen.
Jeder Fremde musste hier etwas Besonderes sein.
Farley ritt zum Sheriff-Büro. Es grenzte an ein Wunder, dass es so etwas hier überhaupt gab.
Aber der Sheriff von San Pablo war eigentlich nicht nur dafür zuständig, dass zwischen den paar Häusern der Stadt Recht und Gesetz aufrecht erhalten blieben. Er war ebenfalls für das ganze Umland zuständig.
Nach Laura Barringtons Ansicht nahm er diese Pflicht allerdings nicht allzu ernst...
Nun, dachte Farley bei sich. Vielleicht ist er einfach überfordert.
10
Wainright lehnte sich zufrieden an das Gatter.
"Das sind Pferde, was Mickey?", lachte er.
Der Mann der neben ihm stand nickte. Er war noch ziemlich jung hatte erst von ein paar Wochen auf der Barrington-Ranch angefangen.
Aber Wainright mochte ihn.
Der junge Kerl war in Ordnung, ein Mann ganz nach seinem Geschmack.
Sicher, er musste noch eine Menge lernen, aber was Pferde anging, verstand Mickey schon mehr von der Sache als mancher Cowboy, der schon zwanzig Jahre im Sattel saß.
"Diese Mustangs können sich wirklich sehen lassen!", bestätigte Mickey und in seinen Augen glänzte es dabei. "Ich glaube, das werden werden mal tolle Cowboy-Pferde, die einem auf den Druck des Knies gehorchen!"
Wainright klopfte Mickey auf die Schulter.
"Schätze, das wird deine Aufgabe sein, was?"
"Wenn du keine Angst hast, dass ich sie verderbe, Vormann!"
Wainright lachte herzlich.
"Nein, Mickey, bei dir habe ich da keine Sorge. Manchmal denke ich, du musst unter Wildpferden großgeworden sein, sonst könntest du unmöglich einen so guten Draht zu den Tieren haben!"
"Du übertreibst, Wainright!"
"Nein, Mickey!"
In ihrem Rücken hörten sie Schritte. Wainright drehte sich um. Mit den Augenwinkeln sah er Laura Barrington herankommen, die jetzt eine praktische Drillich-Hose und ein derbes Baumwoll-Hemd trug.
"Mit dieser Herde werden Sie ein schönes Geschäft machen können, Boss!", meinte er zu ihr.
Die junge Rancherin nickte.
"Das wird auch nötig sein", meinte sie. "Schließlich haben uns die Viehdiebe bei den Rindern ziemlich zugesetzt! Das müssen wir ausgleichen!"
Plötzlich deutete Mickey zum Horizont.
"Hey, was ist das!"
Hinter der nächsten Hügelkette tauchte eine Gruppe von Reitern auf. Es mochten gut und gerne zwei Dutzend Mann sein, die da herankamen.
Einige von ihnen zogen Gewehre aus den Sätteln.
"Das sind sie", flüsterte Laura.
"Die kommen sicher nicht, um uns einen freundlichen Guten Tag zu wünschen...!", zischte Wainright.
"Was können die hier wollen?", meinte Mickey. "Die Rinder sind doch auf der Nordweide..."
"Die Pferde!", erkannte Wainright. "Sie wollen diese Pferde, weil sie genau wissen, wie viel sie wert sind!"
Laura schien verzweifelt.
"Aber woher können sie das wissen..."
Wainright machte eine wegwerfende Bewegung mit der Hand.
"Halb San Pablo spricht von Ihren neuen Pferden, Boss! Aber jetzt lohnt es sich nicht mehr, darüber zu lamentieren! Gleich wird uns hier das Blei um die Ohren fliegen, es sei denn, Sie wollen ihnen die Herde freiwillig überlassen!"
11
Die Cowboys wurden zusammengerufen, soweit das noch ging.