Schließlich reichte er ihn an Parry weiter.
"Hier!", meinte. "Du kannst doch lesen, oder?"
"Es geht. Bin vielleicht etwas aus der Übung."
"Sag uns, was da drauf steht!"
Es dauerte eine Weile, dann meinte Parry: "Unser Freund Mortimer - oder Rogers - scheint ein bunter Hund zu sein! Wird in drei Staaten wegen mehrfachen Mordes gesucht! Wenn ihr mich fragt: Es war nicht besonders klug vom Boss, so einen anzuheuern!"
Der Blondschopf zuckte mit den Schultern.
"Er wusste es wohl nicht. Außerdem - weshalb sollen wir uns den Kopf vom Boss zerbrechen?"
"Auch wieder wahr..."
Parry zerknüllte den Steckbrief und warf ihn in den Staub.
Der Blondschopf wandte sich wieder an Farley.
"Wir kommen nicht recht weiter, Mister!", stellte er fest.
"Sie scheinen mir etwas zu halsstarrig zu sein!"
Er zog sein langes Bowie-Messer heraus, dass er am Gürtel hängen hatte.
Um seine Lippen spielte ein zynisches Lächeln.
"Sie waren hinter einem Mann her, dem ein Stück vom Ohr fehlt, nicht wahr? Wir wollen doch mal sehen, wie Ihnen so etwas steht, Marshal..."
6
Farley schluckte, als er die scharfe Klinge auf sich zuschnellen sah. Das blanke Metall spiegelte das grelle Sonnenlicht.
An Armen und Beinen wurde er mit eisernem Griff niedergehalten. Er konnte nichts tun, sich nicht bewegen.
Keine Chance zu irgendeiner Art von Gegenwehr.
"Mach's schön langsam", raunte Parry. "Er hat's verdient, der Bastard!"
Der Blondschopf bleckte die hellen Zähne und erinnerte in diesem Moment an einen Wolf, der darauf wartete, die Fänge in den Hals seiner Beute schlagen zu können.
Mit einer Hand packte er Farleys Kopf am Kinn und drückte ihn zur Seite, während die andere das Messer hielt.
Der Marshal spürte das kalte Metall, das nun bereits seine Haut ritzte...
Dann donnerte ein Schuss und hallte zwischen den Felsen wider!
Plötzlich ging ein Ruck durch den Körper des Blondschopfs.
Seine Augen, aus denen nicht der Hauch irgendeines Mitgefühls sprach, erstarrten. Mitten auf seiner Stirn war ein roter Punkt zu sehen, der rasch größer wurde.
Er sackte leblos in sich zusammen.
Die beiden anderen ließen Farley augenblicklich los und griffen zu den Waffen.
Aber sie kamen nicht mehr zum Schießen.
Ein Kugelhagel prasselte auf sie nieder. Parry drückte seine Waffe noch einmal ab, bevor er von den Geschossen förmlich durchsiebt wurde, der andere kam nicht mehr dazu.
Farley befreite sich von dem toten Blondschopf und blickte sich um. Er hörte Schritte und dann sah er ein paar Männer herankommen.
"Sind Sie in Ordnung, Mister?"
"Es geht...", hauchte er. Seine Stimme klang entsetzlich schwach, wie er fand. Die Wunde an der Schulter war halb so schlimm, aber hinten an der Seite schmerzte es höllisch.
Er fühlte sich elend.
Die Männer waren gekleidet wie Cowboys.
Sie kamen näher und dann sah einer von ihnen den Blechstern an Farleys Brust.
"Ein Marshal!", rief er. "Er ist ein Marshal!"
"Es hat ihn übel erwischt!"
"Er braucht dringend einen Doc!"
Farley wollte sich erheben, aber es schwindelte ihm. Und dann wurde es dunkel vor seinen Augen.
7
Als Farley erwachte, fand er sich in einem Bett wieder. Er blinzelte etwas und blickte sich um.
"Hey, er kommt wieder zu sich!", hörte er jemanden sagen.
Er versuchte sich aufzurichten, hatte aber ziemliche Schwierigkeiten dabei.
Schließlich sank er zurück.
"Nicht so eilig, Marshal!", meinte eine tiefe Bassstimme.
Ein Mann einem buschigen Schnurrbart und kräftigen Augenbrauen trat zu ihm heran. Sein Gesicht wirkte auf Farley sympathisch.
"Sie haben verdammtes Glück gehabt!", meinte der Schnauzbart. "Das waren üble Kerle..."
"Ich danke Ihnen. Sie sind gerade noch rechtzeitig dazwischengegangen", murmelte Farley.
"Keine Ursache. Mein Name ist übrigens Wainright. Ich bin hier der Vormann! Und wer sind Sie?"
"Farley. Rick Farley. Wo bin ich hier?"
"In der Cowboy-Baracke der Barrington-Ranch, ein paar Meilen nördlich von San Pablo."
Farley betastete vorsichtig seine Wunden. Jemand hatte sie ziemlich fachmännisch verbunden.
"Wir haben hier keinen Doc", erklärte Wainright. "In San Pablo gibt es keinen - und der in Santa Ana ist vor einigen Monaten bei einer Schießerei uns Leben gekommen."
"Aber..."
Wainright lachte, als das Unverständnis in Farleys Augen sah.
"Hier!" Er deutete auf den Mann, der hinter ihm stand. Es war großer Bär mit einem schwarzen Vollbart, der sicher ein ziemlich kräftiges Pferd brauchte, wollte man vermeiden, dass es nach wenigen Meilen zu Schanden geritten war.
"Das ist Harper!", fuhr Wainright dann fort. "Er hat sich eigentlich auf Pferde und Rinder spezialisiert, aber wenn's drauf ankommt, dann verarztet er auch Menschen! Harper hat Ihnen die Kugeln herausgeholt!"
Farley versuchte anerkennend zu nicken.
"Alle Achtung!"
"Ich mache das nicht zum ersten Mal", erwiderte Harper.
Plötzlich war Farley sehr ernst.
"Ich bin hinter einem Mann her!", sagte er. "Das ist ein gefährlicher Killer! Ich muss weiter, sonst wird sein Vorsprung zu groß!"
Farley versuchte erneut, sich aufzurichten. Er setzte die Füße aus dem Bett.
"Lassen Sie das besser!", meinte Harper. "Reiten Sie morgen weiter - oder wann immer Sie soweit wiederhergestellt sind, dass Sie sich ohne Probleme auf einem Pferderücken halten können!"
Und Wainright nickte.
"Harper hat Recht. Es hat keinen Zweck!"
Dann nahm der Vormann ein zerknittertes Stück Papier aus seiner Jackentasche, faltete es auseinander und hielt es Farley unter die Nase.
Es war der Steckbrief von Rogers - oder Mortimer, wie er sich inzwischen zu nennen schien.
"Ist das der Kerl, hinter dem Sie her sind?"
"Ja."
"Ein Mann mit einem halben Ohr... So einen habe ich schon einmal hier in der Gegend gesehen. Auf der Main Street von San Pablo. Aber das ist schon ein paar Wochen her... Was ist das für ein Kerl?"
"Ein Killer", murmelte Farley. "Ein Mann, der für ein paar Dollars einen Menschen umbringt. Zuletzt waren es zwei Männer in Tucson."
Wainright lachte.
"In Tucson mag so einer etwas besonderes sein, aber hier draußen, in der Wildnis ist das anders! Hier sammelt sich solches Gesindel, weil diese Halunken genau wissen, dass