Monatelang war er den Halunken gefolgt, er hatte sie durch die Berge gejagt, ihnen in einem Hinterhalt aufgelauert, und doch hatten sie ihm immer wieder ein Schnippchen geschlagen. Doch dann endlich war es ihm gelungen, mit seinem Aufgebot die Hook-Bande zu stellen. Es war ein tüchtiges Stück Arbeit gewesen, aber sie hatte sich gelohnt.
Jetzt war Sheriff Brookson auf dem Weg nach Cabeza Prieta, um seine Gefangenen abzuholen. Er hatte sie in dieser kleinen Gemeinde gelassen, um sie schnell hinter Gittern zu haben. Nun war alles vorbereitet, dass er die Banditen dem Richter vorführen konnte.
Stan Brookson ritt in das Städtchen ein. Etwas hatte sich in den wenigen Tagen, seit er hier gewesen war, verändert, doch er vermochte nicht zu sagen, was es war. Jedenfalls erschienen ihm die Menschen irgendwie gedrückt, die er auf der Straße traf. Er lenkte sein Pferd unverzüglich zum Marshal’s Office und war sehr überrascht, dass er diesen nicht hinter dem Schreibtisch, sondern im Bett fand.
„Nanu, Erdoes“, sagte er, „was ist denn mit Ihnen geschehen? Sie waren doch noch völlig gesund, als ich Sie verließ. Ist Ihnen bei Ihrer Zimmerei etwa ein Brett auf den Kopf gefallen?“
Tom Erdoes richtete sich halb in seinen Kissen auf und warf dem Sheriff des Yuma County einen schiefen Blick zu.
„Ich fürchte, das wird mir erst jetzt passieren, und Sie werden es selbst sein, Sheriff, der mir damit dort einen Scheitel zieht, wo schon längst keine Haare mehr sind.“
Stan Brookson stutzte. Das hörte sich nicht sehr zuversichtlich an.
„Heraus mit der Sprache! Was ist passiert? Ist es unser Freund Maxwell Hook, der Ihnen Sorgen bereite?“
Der Marshal von Cabeza Prieta nickte. „Der Schuft ist weg.“
„Was?“ Stan Brookson malmte mit den Zähnen, dass es nur so krachte.
„Er und seine ganze Sippschaft.“
„Das gibt es doch nicht, Erdoes. Sie wollen sich einen Spaß mit mir erlauben.“
„Sehe ich so aus, als wäre mir zum Witzereißen zumute?“
Stan Brookson schüttelte entschieden den Kopf.
„Das nun wirklich nicht. Sie sehen eher aus, als hätten Sie mit Ihrem Gaul gerungen und das Pferd wäre Sieger gewesen.“
„Das war kein Pferd, sondern ein paar verdammte Halunken.“
„Hooks Leute?“
„Nein, sie sahen aus wie mexikanische Bauern. Aus heiterem Himmel fielen sie über unsere Stadt her und plünderten und droschen mit armdicken Prügeln um sich, dass es nur so rauchte. Sie nahmen alles, was sie erwischen konnten: Lebensmittel, Kleidung, Werkzeug, Geräte, sogar einen Wagen und zwei Maultiere. Ich wollte einschreiten, aber die Kerle zögerten nicht lange, und ehe ich mich’s versah, lag ich auch schon mit dem Gesicht im Dreck.“
„Das ist ja ein starkes Stück.“
„Das kann man wohl sagen“, schimpfte Marshal Erdoes. „Dabei hatte ich nicht den Eindruck, als handle es sich um Banditen. Sie sahen eher aus wie ausgehungerte Tiere. Sie stahlen auch kein Geld, wie ich inzwischen erfahren habe. Nur lauter Dinge, die man so zum Leben braucht. Allerdings auf wenig freundliche Weise.“ Er rieb sich den Kopf und kniff die Augen zu engen Schlitzen zusammen.
„Hat es Tote gegeben?“
„Zum Glück nicht. Unsere Männer haben zum Teil zwar auch den einen oder anderen Hieb abgekriegt, aber ernsthaft hat sich von denen keiner zur Wehr gesetzt. Dadurch haben sie sicher das Schlimmste verhindert.“
Stan Brookson konnte sich gar nicht beruhigen.
„Ich habe es nicht geglaubt“, sagte er mehr zu sich selbst.
„Was haben Sie nicht geglaubt, Sheriff?“
„Das mit den mexikanischen Plünderern. Ich habe schon unterwegs einiges von ihnen gehört, aber schließlich weiß man ja, was so alles erzählt wird, wenn nicht wirklich was passiert. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass Mexikaner bei uns im County auf Raub ausgehen. Und nun ist das also tatsächlich wahr, und sie haben zu allem Überfluss auch noch die Hook-Bande befreit.“
„Nein, Sheriff“, widersprach der Marshal. „Damit haben die Burschen nichts zu tun. Das hat Maxwell Hook mit seinen Männern schon allein fertiggebracht. Sie haben in dem allgemeinen Durcheinander das Gitter aus dem Jail gebrochen und anschließend die Tür eingeschlagen. Und dann sind sie auf und davon ...“
„... und bereiten natürlich eine neue Schurkerei vor“, ergänzte Stan Brookson ahnungsvoll.
„Das ist immerhin möglich. Als wir sie erwischten, haben wir wahrscheinlich gerade ihre Pläne durchkreuzt, und sie werden nichts Eiligeres zu tun haben, als die unterbrochenen Fäden wieder aufzunehmen.“
„Möchte wissen, was das für Mexikaner sind?“, meinte der Sheriff sorgenvoll. „Die Brüder fehlen mir gerade noch. Als ob wir mit Hook und seinen Schandgenossen nicht genug Ärger hätten.“
„Das tut mir natürlich sehr leid, Sheriff“, beteuerte Tom Erdoes. Sein gerötetes Gesicht drückte Schuldbewusstsein aus.
Doch Stan Brookson beruhigte ihn.
„Sie trifft keine Schuld, Erdoes. Damit war wirklich nicht zu rechnen. Wir müssen sie eben wieder von Neuem jagen. Irgendetwas haben sie hier in unserer Gegend vor, und wenn sie diesen Plan nicht aufgeben, werden sie uns auch wieder in die Finger laufen.“
„Ich kann unmöglich mit Ihnen reiten, Sheriff.“
„Das erwarte ich auch nicht. Sie bleiben schön brav im Bett und sehen zu, dass Sie bald wieder auf den Beinen sind. Beim nächsten Mal sind Sie dann wieder mit von der Partie. Ich brauche Sie wohl nicht zu fragen, ob Sie eine Ahnung haben, wohin sich die Banditen gewandt haben?“
Tom Erdoes schüttelte bedauernd den Kopf.
„Sie haben nichts zurückgelassen, was einen Hinweis geben könnte. Auch haben sie zuvor nicht über ihre Pläne gesprochen, solange ich mich in ihrer Nähe aufhielt. Anscheinend waren sie sich ziemlich sicher, dass sie ihren Coup noch würden durchführen können.“
„Umso mehr hoffe ich, dass ich ihnen die Suppe noch versalzen kann.“
„Was haben Sie vor, Sheriff?“
„Ich alarmiere jetzt sofort meine Deputies. Die ganze Gegend muss sorgfältig abgesucht werden. Das ist besonders hier in den Bergen sehr schwierig, und die Burschen scheinen sich recht gut auszukennen. Aber wir müssen sie kriegen. Sie und die geheimnisvollen Mexikaner, die uns wahrscheinlich der Teufel über die Grenze geschickt hat.“
Er verließ den Marshal und schwang sich grimmig in den Sattel. Er hatte sich zu früh gefreut. Aber diesen Fehler sollten die Banditen mit ihm teilen. Auch für sie, so hoffte er, sollte es noch eine unliebsame Überraschung geben.
16
Anita Cosia wich ängstlich vor dem Mann zurück. Anita war Ramons Frau. Erst seit vier Monaten. Sie hatten noch drüben in der Heimat geheiratet, obwohl man schon damals eigentlich nicht mehr ans Heiraten hätte denken dürfen. Aber Ramon, dieser seelengute, einfache Bauer mit den ehrlichen Augen und den einfachen, geradlinigen Gedanken hatte gewollt, dass man auch nach außen sehen konnte, dass sie zusammengehörten. Sie liebten sich, und sie würde bald ein Kind von ihm haben. Wenn es ein Chico sein würde, sollte er auch Ramon heißen wie sein ehrlicher Vater, der sich jetzt vor sich selbst schämte, weil er Dinge zu tun gezwungen war, die er verabscheute.
Ramon war gut, aber er war jetzt nicht bei ihr, denn die bösen Männer hielten die Familien streng getrennt, um ihre Abhängigkeit noch deutlicher werden zu lassen.
Einer der Banditen, ein