Den Frauen blieb fast das Herz stehen. Was waren das für Kerle, die so brutal sein konnten? Sie hatten sie noch nie in ihrem Leben gesehen.
Carlo Janos sah mit Entsetzen, was geschehen war. Wilder Zorn packte ihn. Es war seine Schuld, das sah er jetzt ein. Er war zu nachlässig gewesen. Zumindest hätte er ein paar Wachen aufstellen müssen. Aber es hatte ihn keiner gelehrt, wie ein misstrauischer Bandit zu handeln. Sie waren nichts weiter als Bauern, die ihre Ruhe haben wollten.
Sie wollten nicht kämpfen, sie waren seit jeher eher fortgezogen, als sich einer blutigen Auseinandersetzung zu stellen. Ihre Fäuste waren an den Umgang mit Werkzeugen und nicht mit Waffen gewöhnt. Wenn sie auch in den letzten Tagen geplündert und andere Menschen geschlagen hatten, so war dies doch nur aus reiner Not geschehen. Schließlich wollten sie überleben. Und jetzt erschienen diese finsteren Gestalten und bedrohten ihre Frauen und Kinder.
Mit einem wütenden Aufschrei riss er sich von Bolo Montana los, der ihn zurückhalten wollte. Er hielt noch einen Hammer in der Hand, den er beim Errichten der Zelte benutzt hatte. Fred Steel sprang ihn von der Seite an, aber er duckte sich und hetzte weiter. Und jetzt stand er keuchend vor Maxwell Hook und schwang den Hammer, obwohl der andere seine Frau mit dem Revolver in Schach hielt. Der Anführer der Bande erwartete den Verzweifelten mit tückischem Glitzern in den Augen. Er steckte sein Schießeisen rasch in den Gürtel und ließ seine langen Arme pendeln. Besser konnte er es gar nicht erwischen. Wenn er diesem Kerl einen gehörigen Denkzettel verpasste, war das wirkungsvoller als eine Kugel. Er wartete, bis Carlo Janos mit aller Kraft zuschlug. Da wich er wie ein Puma aus und wuchtete beide Fäuste vor.
Maxwell Hook kannte kein Erbarmen. Während Maja vor Entsetzen schrie und der kleine Mano laut zu weinen anfing, knüppelte er den Campesino zusammen. Maja wollte sich über ihn beugen, aber Hook schleuderte sie brutal zurück.
„Er ist noch nicht krepiert“, fauchte er. „Aber wenn einer von euch miesen Maisdreschern das Gleiche versuchen sollte, stecke ich ihm ein Stück Blei in seinen ausgemergelten Bauch. Ich hoffe, dass das klar ist.“
Es war klar. Aber Juan Diego ergriff unbändiger Zorn, als er mitansehen musste, wie Carlo Janos zusammengeschlagen wurde und sich schon längst nicht mehr verteidigen konnte, während der Bandit nicht von ihm abließ. Hastig stürzte er in eins der halb fertigen Zelte und holte eins der Gewehre heraus, das sie bei ihren Überfällen erbeutet hatten. Er fühlte, dass er handeln musste. Carlo Janos war dazu nicht mehr in der Lage. Es gelang ihm nicht, auch nur einen Schuss abzugeben. Im Nu waren Al Burn und Fred Steel bei ihm, die ihm das Gewehr aus der Hand rissen und anschließend auf den Kopf schlugen. Juan Diego konnte eine Kleinigkeit vertragen. Er hatte in seinem Leben schon eine Menge Prügel einstecken müssen. Sein gebrochenes Nasenbein und die zahlreichen Narben in seinem Gesicht zeugten davon. Doch den beiden Banditen war er hilflos ausgeliefert. Keiner der anderen Campesinos wagte es, ihm beizustehen. Die brutalen Kostproben hatten ihnen sämtlichen Mut genommen. Wenn schon die beiden Stärksten ihrer Gruppe nichts ausrichteten, wäre ihr Eingreifen reiner Selbstmord gewesen, den sie trotz allem riskiert hätten, wenn er etwas genutzt hätte.
Aber die fünf Männer hatten längst gewonnen. Auch Juan Diego wälzte sich jetzt unter Schmerzen am Boden. Die Banditen trieben alle Männer, Frauen und Kinder zusammen und bedrohten sie mit ihren Revolvern und den Gewehren, die sie bei den Campesinos gefunden hatten.
„Das haben sie sich selbst zuzuschreiben“, sagte Maxwell Hook kalt und deutete auf die beiden Zusammengeschlagenen. „Ich hatte sie gewarnt.“
Die Überfallenen drängten sich dicht zusammen. Die Frauen durften sich um die Verletzten kümmern. Zum Glück hatten sie nichts gebrochen, aber sie sahen beide entsetzlich aus. Sie dienten für alle anderen Mexikaner als eindringliche Abschreckung, aber es verfiel ohnehin niemand mehr auf den abwegigen Gedanken, Widerstand zu leisten.
„Ihr seid ganz miese Zwerge“, sagte Maxwell Hook. „Geht frech über die Grenze und klaut uns Amerikanern das letzte Hemd. Aber damit ist es vorbei. Für Leute wie euch hat man hierzulande wirkungsvolle Gesetze.“
Bolo Montana übernahm notgedrungen die Rolle des Sprechers. Jetzt war das geschehen, was er schon immer befürchtet hatte. Von Anfang an war er gegen die Plünderungen gewesen, wenn er auch gerechterweise zugeben musste, dass er keinen besseren Weg gewusst hatte.
„Ihr werdet uns doch nicht etwa einem Marshal ausliefern?“, fragte er verzweifelt.
„Was hattet ihr gedacht? Marshal Erdoes in Cabeza Prieta wird sich sicher freuen, euch Halunken wiederzusehen.“
„Ihr wisst ...?“
Maxwell Hook lachte brutal.
„Natürlich wissen wir das. Wir wissen überhaupt alles, was ihr in den letzten Tagen getrieben habt, seit ihr aus Mexiko abgehauen seid. Ihr scheint noch nicht zu ahnen, dass längst ein Aufgebot hinter euch ist. Die Männer werden uns dankbar sein, dass wir ihnen die Arbeit abgenommen haben.“
Bolo Montana hörte, wie die Frauen hinter ihm weinten. Alle Hoffnung war auf einen Schlag wieder dahin, ihre Lage war entsetzlicher als je zuvor. Wenn es ihm nicht gelang, diese Leute umzustimmen und sie laufenzulassen, hatten sie nichts Gutes zu erwarten.
„Wir wollten nichts Unrechtes tun“, versicherte er. „Wir waren in Not. Unsere Kinder schrien vor Hunger.“
„Erzählt das dem Marshal! Vielleicht rührt ihr ihn mit euren Ausreden zu Tränen. Was leugnet ihr noch? Schließlich seid ihr beobachtet worden. Ihr habt wie die Wilden geplündert. Ihr habt mehr genommen, als ihr gebraucht hättet.“
„Wir werden alles wieder zurückgeben. Wir wollen arbeiten und die Bestohlenen entschädigen.“
„Das hättet ihr euch früher überlegen sollen. Ihr seid nun mal zu Verbrechern geworden. Da könnt ihr jetzt nichts mehr ändern. Allerdings ...“
„Allerdings?“ Bolo Montana schöpfte neue Hoffnung. Gab es doch noch eine Möglichkeit? War die Lage nicht gar so verzweifelt, wie er befürchtet hatte? Maxwell Hook genoss die nächsten Worte. „Ihr scheint ganz brauchbar zu sein. Wenn ihr tut, was ich euch befehle, könntet ihr eventuell mit unserem Schutz rechnen.“
Die mexikanischen Frauen atmeten erleichtert auf. Da war der Hoffnungsschimmer. Man bot ihnen eine Chance. Sie würden wieder in ein ordentliches, anständiges Leben zurückkehren können.
„Was sollen wir tun?“, fragte Bolo Montana. Er war nicht ganz so zuversichtlich. Diese rücksichtslosen Männer schienen ihm nicht von jener Sorte zu sein, ihnen ein faires Angebot zu unterbreiten.
„Ihr habt jetzt Übung“, erklärte der Bandenführer gnadenlos, „und für euch selbst habt ihr nun wohl genug geraubt. In Zukunft werdet ihr für andere arbeiten.“
„Stehlen?“, fragte der Mexikaner entsetzt.
„Ist dir das Wort so fremd, du dunkelhäutiger Strolch? Was spielt es noch für eine Rolle, ob ihr das, was ihr einmal begonnen habt, fortsetzt? Denkt daran! Der Marshal wartet nur darauf, euch in die Finger zu kriegen. Dann habt ihr nichts zu lachen. Ihr habt geplündert, also ist es egal, wenn ihr dabei bleibt. Die Strafe ist sowieso dieselbe, falls man euch erwischt.“
Die Banditen lachten roh. Sie weideten sich an der Verzweiflung der völlig zerstörten Campesinos. Der Boss war schon ein gerissener Hund. Der wusste, wie man dieses Pack anfassen musste. Sein Plan ging wieder mal bestens auf.
Anna und Maja schluchzten verhalten. Mit tränenverschleierten Augen blickten sie auf die Kinder. In welchem Elend mussten sie aufwachsen? Nahm denn das Unglück, das über sie hereingebrochen war, überhaupt kein Ende? War es da nicht besser, auf fremder Erde zu sterben, als dieses qualvolle Leben als Verbrecher fortführen zu müssen?
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