Dave Durango sprang vorwärts, warf sich auf den Rücken des Tieres hinauf und griff in die Mähne. Fast am Schluss der Herde sprengte er dahin. Dann wurde das Tier, auf dem er saß, durch das Gewicht langsamer und fiel zurück. Die letzten Tiere sprengten vorbei. Dave parierte das Pferd und blickte der Herde nach, die mit hämmernden Hufen im Dunkel verschwand.
Er hatte das Glück, dass es keine Wildpferde waren. So stand sein Tier still.
Der Hufschlag wurde leiser. Dave wusste, dass der Leithengst irgendwo stehenbleiben würde. Er ritt auf der Spur weiter. Solange er ihr folgte, war seine Spur von den anderen nicht zu unterscheiden. Dann aber beschrieben die Eindrücke einen Bogen. Vielleicht kehrte der Leithengst um und kreuzte bald seine eigene Spur.
Dave Durango hielt wieder an und blickte zurück. Von hier aus hatte ein schneller Reiter vielleicht zwei Stunden bis zu Tetleys Ranch. Er konnte nur noch hoffen, dass dieser Vorsprung Jay genügen würde. Er wandte sich wieder nach vorn und ritt weiter nach Westen. Von hier an würden die Verfolger merken, dass nur ein Mann die Herde geführt hatte. Das musste ihnen alles sagen.
*
„Es kommt jemand“, sagte Jago Kidd und stand von der Verandatreppe auf, um die beiden untersten Stufen hinunterzusteigen. Dann blieb er stehen, die Hand auf dem Revolver.
Rule und Zattig hatten die Köpfe gehoben. Auch sie sahen den Schatten eines Reiters neben der Wand des letzten Schuppens auf der anderen Bachseite.
„Wer ist da?“, rief Jago Kidd. Seine Stimme klang unsicher. Er zog den Colt und spannte den Hammer.
„Wirf die Waffe weg!“, rief der Reiter.
„Durango“, sagte Jago Kidd. „Es ist Jay Durango!“
Seine Waffe fuhr in die Höhe und entlud sich. Krachend sprang das Echo zwischen den Schuppen und Scheunen hin und her. Jago Kidd stürmte vorwärts und drückte wieder ab. Pochend fuhr die Kugel in die Schuppenwand und schleuderte Jay Durango einen Holzsplitter ins Gesicht. Dann der dritte Mündungsblitz. Jay hörte die Kugel über sich hinwegstreichen. Sein Pferd wollte ausbrechen. Da drückte er ab.
Jago Kidd wurde mitten im Lauf jäh gestoppt, drehte sich schreiend halb um seine eigene Achse und fiel auf das Gesicht. Er bewegte sich, als wollte er sich auf den Rücken wälzen. Dann erlahmte auch das und er lag still.
Jay Durango ritt aus dem Schatten des Schuppens und auf die Brücke zu. Er sah Nat Brock, der aus dem Haus stürzte, die Treppe hinunter rannte und wie festgenagelt stehenblieb.
„Es ist Durango!“, schrie Zattig. „Sie haben euch zum Narren gehalten! Idioten seid ihr alle! Hoffentlich weißt du es nun. Schneide uns los, zur Hölle!“
Jay Durango hatte das Pferd wieder pariert. Er sah Nat Brock auf Jared Zattig zustürzen. Im Lichtschein, der aus den Hausfenstern fiel, funkelte die Klinke des Messers, das Nat Brock in der Hand hielt.
„Halt!“, rief Jay Durango und schoss aus dem Colt über die Männer hinweg. „Keiner bewegt sich!“ Seine Worte wurden vom grollenden Echo halb verschluckt.
Nat Brock dachte nicht daran, stehenzubleiben. Mit zwei schnellen Schnitten hatte er Zattig befreit.
Jay Durango sah den Banditen nach links rennen.
„Halt!“, schrie er und schoss, aber wieder so hoch, dass die Kugel über das Hausdach kratzte. Er wollte nicht auf einen fliehenden, unbewaffneten Mann schießen.
Zattig verschwand hinter der Scheune. In der gleichen Sekunde war Clint Rule frei und hetzte hinter ihm her. Nat Brock führ herum, ließ das Messer fallen und zog den Colt.
Jay Durango setzte dem Pferd die Sporen ein und sprengte über die Brücke. Zwei, drei Schüsse peitschten auf, und das Wimmern der Kugeln ging an Jay vorbei.
Er schoss zurück und sah den Banditen zur Verandatreppe springen. Da war er mitten im Hof und schwang das eine Bein über den Sattel hinweg. Seine Hände hielten ihn am Sattelhorn fest. Vor der Verandatreppe warf sich das Pferd herum. Jay Durango zog den Stiefel aus dem Steigbügel und ließ das Sattelhorn fahren. Das Pferd jagte an ihm vorbei.
Vor ihm lag die Verandatreppe. Nat Brock war im Haus verschwunden.
Jay hastete die Treppe hinauf. Eine Feuerlanze riss den Flur aus der Dunkelheit. Die Kugel traf den Türpfosten und spaltete ihn ein Stück.
Jay war nur einen Moment stehengeblieben, dann rannte er weiter und schoss auf die Stelle, an der der Mündungsblitz aufgeflammt war. Er hörte ein Röcheln, dem ein dumpfer Aufprall folgte. In der Haustür blieb er stehen und lauschte. Das Röcheln hub wieder an. Langsam, die Waffe schussbereit in der Hand, ging er weiter. Das Röcheln vor ihm erstarb. Jay war nicht sicher, ob Nat Brock ihn nicht nur täuschen wollte. Aber wenn das der Fall war, hätte er jetzt schießen können.
In der hinteren Ecke des Flurs lag ein dunkler, unförmiger Klumpen auf dem Boden. Jay ging weiter darauf zu, stand vor dem liegenden Mann und wälzte ihn mit dem Stiefel auf den Rücken. Er sah das helle Gesicht wie einen Klecks Kalk und bückte sich. Nun konnte er auch die gebrochenen, glasigen Augen sehen, die ihn starr anblickten.
Er stand wieder auf, lehnte sich an die Wand und lud den Revolver nach. Zwei Männer hatte er erschossen. Es war schnell gegangen. Er musste daran denken, dass sie noch vor ein paar Tagen brave Cowboys gewesen waren.
Dann schüttelte er den Kopf. Nein, hier auf dieser Ranch waren die Männer immer anders gewesen. Sie waren eiskalt und hartherzig und hatten jeden anderen, selbst wenn er nur aus Hunger ein Rind stahl, ohne Skrupel aufgehängt.
Unter seiner Hand drehte sich die Trommel des Revolvers ratschend durch. Jay Durango ging weiter und betrat die Wohnhalle. Auf dem Tisch brannte die Sturmlaterne. Sie stand dort, als wäre sie während der letzten vierundzwanzig Stunden nicht weggenommen worden. Genauso lag Sean Tetley auf dem Sofa. Nur war er weder bewusstlos noch schlief er. Seine Augen waren offen und schreckgeweitet auf Jay Durango gerichtet.
Sean war an Händen und Füßen gefesselt.
„Nein!“, schrie er, dass es von den Wänden zurückschallte.
Jay Durango wandte sich um und blickte auf die Fenster. In der gleichen Sekunde fiel draußen ein Schuss. Eine Kugel zerschmetterte eine der hohen Fensterscheiben und warf Tausende von Splittern in die Wohnhalle herein.
Das Licht in der Lampe auf dem Tisch flackerte. Draußen ein zweiter Schuss. Die Kugel schlug neben Jay Durango in die Wand und hinterließ ein hässliches Loch in der Tapete. Er hob den Colt, spannte den Hammer und zog durch. Die Waffe zuckte im Rückstoß. Die Lampe wurde gegen den Blechbehälter getroffen und über den Tisch hinweg gestoßen. Sie flog in einem Bogen durch die Luft, knallte zwischen den Fenstern an die Wand und verlosch. Klirrend rollte sie über den Boden. Der Geruch nach ausgelaufenem Petroleum breitete sich aus.
Jay Durango blickte wieder zu dem Sofa. Er konnte Sean nicht mehr genau erkennen, aber das war für ihn auch nicht wichtig. Sie hatten ihn gut genug gefesselt. Entkommen konnte er ihm nicht.
„Rule und Zattig schleichen draußen herum“, sagte Jay Durango, ohne den jungen Banditen anzusehen. „Die beiden anderen sind tot, Sean. Wir reiten los. Vielleicht können wir Zattig und Rule gleich mitnehmen.“
Im Hof fiel wieder ein Schuss. Die Kugel traf die Decke und ließ Kalk durch die Wohnhalle rieseln.
Jay Durango schoss auf die Mündungsflamme. Das Krachen des Schusses schien das Haus in Fetzen reißen zu wollen. Draußen schlug die Kugel gegen eine Mauer und prallte ab. Quarrend stieg der Querschläger zum Himmel.
Jay ließ die rauchende Waffe sinken. „Du musst hinausgehen, wenn du sie haben willst, Durango!“, stieß der junge Bandit hervor. „Oder hast du Angst, ich könnte dir in der Zwischenzeit abhanden kommen.“
Jay ging auf das Sofa zu, blieb daneben stehen und blickte in das hämisch verzogene Gesicht.
„Du