Kein Wunder, dass die übergroßen Schlafmöbel noch viele Jahre mit der geehelichten Jugendliebe geteilt wurden - bis in die neue Heimat Cottbus gerettet, genutzt für weitere Zeugungen.
8. Kampf um Anerkennung im Arbeiter- und Bauernstaat
Walter Ulbricht fordert Aktivitäten mit Selbstgereimtem: “Jedermann an jedem Ort - einmal in der Woche Sport”.
Anlässlich einer Tagung des Zentralkomitees der SED zur Agrarpolitik wird der Kreis Eilenburg als erster vollgenossenschaftlicher Kreis gemeldet.
DDR-Jahresrückblick 1959
An diesem schönen Osterfest war Edub glücklich, marschierte am Dienstag - Mutter hatte nichts, auch keine Liebesspuren in den Laken, gewittert - gut gelaunt zur Arbeit in die KNOHOMA.
Unter diesem Kürzel firmierte die traditionelle Schmöllner Knopf- und Holzmaschinen-Fabrik, wo er vor Wochen die Lehre als Technischer Zeichner abgeschlossen hatte. Das erste selbst verdiente Geld zierte das neu angelegte Konto: 221,- Mark der DDR. Der Angestelltenberuf wurde schlecht bezahlt. Diese Berufsgruppe gehörte eben nicht zur regierenden Arbeiterklasse. Gleichaltrige Schlosser bekamen 280,- Mark und mehr.
Es war seinerzeit ein schwerer Schlag, als ihn Mutter bittend ins Gebet nahm:
„Frieder, wir haben kein Geld, die Schule dauert zu lange - es hilft nichts, du musst nach der 10. Klasse aufhören - machst die Mittlerer Reife-Prüfung und lernst dann einen Beruf.“
Nach Vaters Tod mit dem Verzicht auf das Erbe der verschuldeten Firma lebte die Familie von der Hand in den Mund. Die 78 Jahre alte Oma, als Dritte im Haushalt, hatte als Frau des Uhrmachermeisters Knorr nichts für die Rente eingezahlt, lebte von den dürftigen
Mieteinnahmen des Hauses. So musste man sich mit West-Bruder Albrechts Päckchensegen so schlecht und recht durchwursteln.
Trotz dieser Einsichten des jungen Edub, der Oberschulabgang kränkte. Es war für ihn wie eine Degradierung gegenüber seinen Freunden.
Dass er in der KNOHOMA überraschend statt der viel besser benoteten Mitschülerin Helga, Freundin seiner ersten platonischen Schuster-Liebe, eingestellt wurde, war nur ein schwacher Trost: „Mädchen kriegen Kinder, machen auch sonst bei technischen Berufen Schwierigkeiten“, war die im Nachhinein durchgesickerte Aussage der Betriebsleitung für diese umstrittene Entscheidung.
In der Lehrwerkstatt, dem riesigen Saal im Obergeschoss der Fabrik, feilen wochenlang zwanzig Schlosser-, Dreher- und ein einsamer Zeichner-Lehrling aufgereiht an einer langen Werkbank. Die armlangen beidseitig mit scharfen Kanten geriffelten Feilblätter kratzen von eisernen Probestücken, fest im Schraubstock eingespannt, mit jeder Gleitbewegung kleine Spänchen vom Metall, silbrig glänzende Flächen erzeugend, welche wörtlich „plan“ sein sollen.
„Der Zeichnerlehrling ist nur sechs Monate bei uns, zukünftig einer der feinen Pinkel mit weißem Kittel. Dem werden wir zeigen was Arbeiten heißt!“, ist der hintergründige Tenor des Lehrausbilders.
Eine Tortur. Zur Häme des Meisters muss Linkshänder Edub mit rechts die Feile führen. Immer wieder an den U-Stahl den Messwinkel anlegen, immer wieder klafft zwischen Winkel und gefeilter Fläche ein Lichtschlitz, der nicht sein durfte:
„Noch mal dasselbe von vorn, hier hast du ein neues U!“, wie das eiserne Profilstück heißt.
Auf dem vergammelten, beißend duftenden Sch….haus der Lehrwerkstatt wird beim Austreten-gehen-müssen Zeit geschunden. Ewig lässt sich dort das Wasserlassen aber nicht vortäuschen - frei vor der feuchten schwarzen Wand balancierend, an der Abflusskante stehend, verschwitzt, ölbeschmiert, auf dem Fluchtklo in Erinnerungen schwelgen:
Die Freunde sitzen jetzt gut gelaunt in den Schulbänken, witzeln mit den Mädchen. „Pieps“, wie sie den Kleinsten nennen, ärgert wieder den ergrauten gutmütigen alten Mathelehrer. Der lauert wie ein Luchs auf jede Bewegung und Bemerkung in seinem Rücken, dreht sich blitzartig! Seine Hand schnellt in Richtung des Störenfriedes: "Zwei Seiten!" Auf frischer Tat ertappt, muss der Störenfried am nächsten Tag zwei Seiten handgeschriebenen beliebigen Text als Strafarbeit beim Lehrer abliefern. Pieps greift diesmal sofort in die Schultasche, hält dem Pauker das Papier entgegen: "Herr Kolbe, darf ich die zwei Seiten gleich abgeben?" Die unerwartete Reaktion mit der bevorrateten Strafarbeit erzeugt ein schallendes Gelächter, dem sich selbst die pädagogische Autorität nicht entziehen kann.
Ein andermal lässt der Mathe-Lehrer beim Verlassen der Klasse seinen Hut auf dem Fensterbrett liegen. Ölex attackiert gerade diesen mit den Fäusten, als der Lehrer zurückkommt: „Gucken Sie mal, Herr Kolbe, was die mit ihrem Hut gemacht haben!“ Reaktionsschnell richtet Ölex dabei den Filz und überreicht diesen dem erstaunten Pauker, der mitjovialer dankbarer Geste diesen in Empfang nimmt.
„Raus! - aber schnell, dalli, dalli!“ brüllt es in Edubs Rücken, während der in Gedanken versunken dem Pennälerdasein nachtrauert. Der ausbildende Aufseher treibt die ermüdeten Lehrlinge regelmäßig aus dem mit Ölfarbe grau, unten schwarz, getünchten Pinkelatorium, dem notdürftig belüfteten Verlies, welches nur mit Pendeltür abgeschottet ist.
Jedenfalls schwor sich Edub damals, später nie wieder eine Feile anzufassen. Wie oft hat er den Schwur schon gebrochen, dankbar für diese lehrreiche Schinderei!
Endlich! Endlich saß er dann im Zeichensaal hinter seinem eigenen „großen Brett“, wie die Zeichenmaschine hieß. Ein Schutzschild gegen fremde Sicht: einen Meter hoch, doppelt so breit - wie im Himmelreich. Man konnte dahinter versteckt vor sich hinträumen, durchs Fenster auf die Straße sehen oder auf der jetzt sauberen Toilette sitzend lesen oder schlafen. Der Toilettendeckel diente als Rückenlehne, wie es ihm sein Brettnachbar, späterer Schlagzeuger, geraten hatte.
Aber wehe, er musste in die Werkstätten. Dann hieß es auf der Hut sein. Peinlichst von Schlossern, Bohrwerks- und Drehmaschinenarbeitern beobachtet, vom Brigadier, wie deren Vorgesetzter hieß, überwacht, dass der Weißkittel auch höflich grüßte. Beim Canossa-Gang durch die Maschinenhalle ist er ganz Auge und Ohr. Ein Pfiff von links: Dienstbeflissen schwenkt Edubs Kopf ehrerbietig dorthin – schnell guckt der Bösewicht weg - feixten sich eins. Edubs Gruß geht in Leere.
Das Grüßen, lieber mehrfach als gar nicht, damals eingebläut, hat sich bis heute erhalten.
Später duldete man ihn an den Werkbänken als Stammgast. Wurden Witze erzählt, reichte er diese sofort an die nächste Halle weiter. Die Wiederholungen verfeinerten seine Rhetorik, der ausgefuchste Witzbold polierte sein Renommee in den Werkstätten auf. Das unbeobachtete Vor-sich-hin-dösen am großen Brett war wohltuend. Aber ansonsten hatte die pedantische Strichzieherei aber auch gar nichts mit seiner guten Schulnote „Zeichnen“, den gestalterischen Idealvorstellungen zu tun. Statt bildhaft zu malen, wurden auf großem durchsichtigem Papier mit dicken bis haardünnen Linien im rechten Winkel Kästchen, selten auch Kreise und Kurven gezeichnet, welche für den Laien künstlerisch ein impressionistisches Wirrwarr bildeten.
Diese Malerei mit schwarzer Tusche war anfangs gefährlich. Das Teufelszeug musste mittels Pipette zwischen mit Schraube verstellbare zugespitzte Metallbügel, an einem schwarzen Holzstab zuunterst befestigt, geträufelt werden. Kratzten die Bügel dieser Zeichenfeder, am Lineal geführt, über das Papier, entstand eine schwarze Linie. Bei zuviel Tusche dort drin, gab es beim Ziehen einen hässlichen Fleck auf dem Papier. War zu wenig drin, bekam die Linie Buckel, wurde immer dünner, endete in einzelnen Punkten.
Den Tuscheklecks konnte man mit einem kleinen Glasfaserpinsel ausradieren. Wenn dies fehlschlug, mit einer Rasierklinge solange das Papier zerkratzen bis dort ein Loch entstand. Dann war das Malheur perfekt. Korrekturen waren auch ohne Loch immer, ewig sichtbar. Besonders, wenn erneut dort gezeichnet wurde, lief das Schwarze in den Kratzern breit, so dass neue Strichränder wie behaart aussahen, den ungeschickten Täter entlarvten. Wurden die Glasfaserreste