terrane Manifestationen. Klaus Paschenda. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Klaus Paschenda
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Афоризмы и цитаты
Год издания: 0
isbn: 9783749782543
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die Logs der Michelsons an. Kiddies: für alle Michelsons Sensitivitäten und Signale gegen Zeit von 14: 03: 50 bis 14: 05: 10, maximale Vergrößerung.“

      Sofort wurden die Schriebe bildschirmfüllend angezeigt.

      „Wie wir sehen, sind die Sensitivitäten zu langsam heruntergegangen. Michelson 1 hat es bis auf etwa 10% geschafft. Da ist nichts zu erkennen. Michelson 2, das war wohl doch zu brutal, da sind Einbrüche in der Sensitivität, hier scheint es von null wieder zu kommen, aber da haben wir nicht mal eine Sekunde Aufzeichnung bei 1 Milliprozent. Kiddies: Michelson 1 Signal und Michelson 2 Signal jeweils Fourieranalyse43 alle zehn Sekunden, grafische Darstellung, Abschätzung maximale Amplitude, Summensignal alle zehn Sekunden.“

      Die gewünschten Diagramme und Werte erschienen auf dem Schirm. Kaum zu glauben: Die empfangenen Gravitationswellen waren um eine Million stärker als die von ihnen gesendeten.

      „Kiddies: Alle Systeme zu Experiment 3 auf Standby. G-Generator aus. Vollzug auf Screen 2“, wies Maxim die KI an. Aber eigentlich interessierte sich jetzt keiner für Screen zwei. Damit konnte man sich in der Reflexionsphase beschäftigen.

      Pierre ergriff das Wort: „Ich hab da einen Gedanken. Im ersten Experiment haben wir Energie in der anderen Welt versenkt, im zweiten Experiment von der Modulation abgesehen auch. In beiden Fällen waren es im klassischen Sinn EM-Felder. Heute haben wir G-Felder44 benutzt und mehr als ein Echo zurückerhalten. Klammer auf: Werden die anderen G-Wellen-RX45 wie in den USA oder in Sibirien was gemerkt haben? Klammer zu. Gravitationswellen verursachen eine Reaktion. Aufgrund des Zeitverhaltens war das meines Erachtens keine natürlich Sache, sondern die Reaktion einer Intelligenz. Vorschlag: Wir schicken eine Masse über die Brücke. Masse einerseits als Quelle von Gravitation und in einem zweiten Aspekt als konzentrierte Energie gemäß Einsteins Grundgleichung46 E=mc2. Nach den heutigen Erfahrungen sollten wir mit der Menge sehr vorsichtig sein. Wenn aus einem Gramm eine Tonne wird, möchte ich nicht daneben stehen.“

      Zustimmende Blicke gingen durch die Runde. Am liebsten hätten sie gleich einen Cent auf die Reise geschickt. Doch erst musste die Technik aufgebaut werden und zweitens war da das Gewissen in Gestalt eines Schweizer Mitglieds.

      41 Gravitationswellennachweis Koerber-Preis-2017; Hamburg, 2017, S. 8

      42 Michelson-Interferometer können kleinste Wegunterschiede messen.

      43 Mittels der Fourieranalyse können komplizierte Signalformen auf einfache Grundformen zurückgeführt werden, zum Beispiel eine Rechteckform auf mehrere Sinusformen.

      44 G-Felder = Gravitationsfelder gehen von Massen aus.

      45 RX ist die Abkürzung für Empfänger (R als Abkürzung für Receiver).

      46 E = m c2 Diese Gleichung besagt, dass Energie E und Masse m gleichwertig sind und ineinander umgewandelt werden können.

      13 Fragen

      Sokrates war zum Wochenende an den Vierwaldstätter See gefahren. Die längst ausgemusterte Seewarte war zwar sündhaft teuer gewesen, aber mit dem Bootsschuppen dabei hatten sich einige Zimmer einrichten lassen. Am Steg dümpelte ein altes Segelboot, dessen Kajüte notfalls vier Personen Platz bot. Er war allein hier. Die Sonne hatte es doch noch geschafft. Auf der Bank mit Blick über den See auf das etwa drei Kilometer entfernte Kehrsiten konnten seine Gedanken frei schweifen.

      Die Ereignisse vom letzten Montag mussten verdaut und eingeordnet werden. Was sollten sie sich unter Beta vorstellen? Mit welcher unheimlichen Macht hatten sie zu tun? Wer konnte so starke Gravitationswellen erzeugen? Vor allem: Wie sollte es weitergehen?

      Schon ihre eigene Welt, diese Gesellschaft, diese Erde, diese Galaxie waren mehr als ein Rätsel.

      ‚Wir müssen erst einmal bei uns aufräumen‘, dachte er. ‚Nur wenn wir wissen, wer wir sind, was wir sind, was wir tun sollen - oder auch nicht tun sollen, also genau dann, wenn wir uns im Griff haben, den Dreck vor unserer Haustür weghaben, dann können wir uns um die Nachbarn kümmern.‘

      Sokrates lehnte sich zurück und schloss die Augen.

      ‚Das Fremde wirkt wie ein Spiegel. Wie die Reflexion des Lichtes von einem Spiegel wirft es uns auf uns selbst zurück, auf unsere Probleme. Ich muss in Ruhe malen‘, murmelte er vor sich hin.

      Bei sich hatte er ein historisches, hölzernes Klemmbrett mit einer Handvoll leerer Seiten. Die Eckpunkte waren zügig notiert:

      1. Da waren sie, ihre Welt Alpha, der Ursprung aus ihrer Sicht.

      2. Es gibt eine andere Welt, Arbeitsbezeichnung Beta.

      3. Zur Beschreibung dieses Sachverhalts kann die allgemeine, noch sehr unvollständige Theorie der Manifestationen dienen.

      4. Es kann ein Tor, eine Brücke, in diese andere Welt konstruiert und benutzt werden.

      5. Es kann Energie in Form von elektromagnetischen und gravitationellen Feldern durch dieses Tor unsere Welt verlassen.

      6. Beta zeigt keine Reaktion auf EM-Felder, reflektiert und verstärkt G-Felder nach nicht natürlichem Muster.

      Dies war das eine.

      In welche Elemente und welche Systeme kann die Situation gegliedert werden, wo sind Systemgrenzen? Da waren sie, ihre Welt Alpha, wo endete diese? Dann die Welt oder auch mehrere Welten wie Beta, die Tür als verbindendes Element und vermutlich eine Intelligenz in Beta, von der nichts bekannt war. Über diesem Ensemble stand die Theorie der Manifestationen, ein externes Element, das strukturelle Ordnung schuf.

      Sokrates war, wie alle anderen Gruppenmitglieder, internes Element des Systems Alpha. Im egozentrischen Zwiebelschalenmodell vom Ich bis zu den Grenzen der Galaxie war das nicht schwierig zu zeichnen.

      Was suchte er eigentlich? Was war denn hier die Frage? Oder gab es gar ein Problem? Die Aufgabe, die er sich gestellt hatte, lautete: Wie sollen wir uns in dieser Situation verhalten?

      Gleich kamen ihm wieder die Kantschen Grundfragen in den Sinn:

      - Was kann ich wissen ?

      - Was soll ich tun ?

      - Was darf ich hoffen ?

      - Was ist der Mensch?

      Hier ging es um die zweite Frage. Aber, und das war das eigentliche Problem: Was auch immer getan wurde, die Konsequenzen waren unbekannt. Da halfen die klassischen Erörterungen wenig.

      Bereits die erste Frage setzte ein Können voraus. Leben war Können und Wissen:

      - ein Können in der Auseinandersetzung mit der Umwelt und

      - ein Wissen über sich und die Umwelt.

      Dieser Unterscheidung zwischen Können und Wissen folgte dann bei Kant das Sollen. In ihrer Situation musste er seiner Meinung nach formulieren:

      - Was darf ich tun ?

      Das war inhaltlich eine fürchterlich große Frage. Häufig näherte er sich solchen Monsterfragen, indem er zuerst die sprachliche Ebene genauer betrachtete, zum Beispiel: Welche Verben werden benutzt? Das führte meist zu einer Menge von Ansätzen, von denen weiter gedacht werden konnte.

      Nochmals notierte er sich die drei Grundfragen und schrieb die Verben heraus:

      - Was kann ich wissen ? - - können und wissen

      - Was soll ich tun ? - - sollen und tun

      - Was darf ich hoffen ? - - dürfen und hoffen

      Die Verben seiner Frage – was darf ich tun – waren darin enthalten. Mit der Bauvorschrift ‚was‘ + Verb + ‚ich‘ + Verb konnte er 36 Fragen generieren:

       Was kann ich + können / wissen / sollen / tun / dürfen / hoffen ?