Gott befiehlt ihr stillzuschweigen, verfällt in ein Wut entbranntes Donnergrollen und verjagt sie samt Adam aus dem Garten Eden. Eva aber tröstet sich mit dem Gedanken, dass das ohnehin kein Paradies gewesen wäre, in welchem Frauen nicht ihr legitimes Recht auf freie Meinungsäußerungen wahrnehmen dürfen.
Mit der Idee des Guten könnte jedes menschliche Individuum zu einem Abenteurer werden. Es gibt keine Autorität auf dieser Welt, welche dem menschlichen Bestreben an dem Guten langfristig etwas anhaben kann. Das Leben versteht sich aus diesem Blickwinkel betrachtet als ein Prüfstein, ob äußere Umstände jemanden von diesem Grundsatz abbringen könnten oder nicht.
Winston Churchill hat es einmal sehr treffend so formuliert: Erfolg ist die Fähigkeit, von einem Misserfolg zum nächsten zu gelangen, ohne dabei die Begeisterung zu verlieren. Auch der Existentialist Karl Jaspers erhob das Scheitern zu einer philosophischen Disziplin.
3.
Mahatma Gandhi setzte Gott mit der Idee des Guten gleich oder auch mit einem „moralischen Prinzip“, wie er es nannte. Es gäbe selbstredend unzählige Möglichkeiten, diese These zu widerlegen, aber ich möchte dieses an dieser Stelle mit dem Fall Jim Morrison versuchen, weil mir das Sujet interessant erscheint:
James Douglas Morrison – besser bekannt als Jim Morrison - war der Sänger der legendären Rockgruppe „The Doors“, einer Vereinigung kongenialer Musiker, die Poesie und Rock ´n Roll auf das Beeindruckendste zu verschmelzen verstand. Die Gruppe erreichte ihre künstlerischen Kontemplationen allerdings mit Hilfe von exzessivem Alkohol- und Drogenmissbrauch. Allen voran eben ihr Sänger und Dichter Jim Morrison, welcher mit Sicherheit zu den inspiriertesten Persönlichkeiten der jüngeren Musikgeschichte zu zählen ist.
Von der „Idee des Guten“ fühlte sich Morrison leider nur weniger angesprochen. Privat war er eher ein nahezu unberechenbarer Choleriker, der alles und jeden mit Aggressionen überschüttete, der ihn in seinem oftmals unverantwortlichen Freiheitsverständnis einzuschränken versprach. Frauen verstand und gebrauchte er als Sexualobjekte und seine ebenso provokanten, wie talentierten Verse handelten vom Tod, von Drogen und vom Sex bis hin zum Ödipus Komplex. In Anbetracht dieser Tatsachen mag es nicht mehr weiter verwundern, dass die Konzerte der Doors zuweilen in dunkelartige Messen auszuarten begannen.
Dennoch muss man zugeben, dass Morrison die Aufgaben, die ihm das Leben stellte, bravourös gemeistert hat und das ist schließlich das, worauf es letztendlich anzukommen hat. Seine Lebensaufgabe zufriedenstellend zu erfüllen. Morrison identifizierte sich zeitlebens mit einem „Schamanen“, denn nach seiner Interpretation waren Schamanen Menschen, welche immer tiefer und tiefer in ihr eigenes Bewusstsein vorzudringen verstehen, bis man auch andere damit befreit. Auf jeden Fall war er ein Suchender und somit jeglichen Päpsten dieser Welt wahrscheinlich vorzuziehen, die immer vorzugeben bemüht sind, bereits alles gefunden zu haben.
Beim Suchen seiner eigenen Lebensaufgabe hingegen bergen solche Beobachtungen selbstredend Gefahren. Man neigt als Mensch zum Beispiel leicht dazu, sich mit Ausnahmeerscheinungen wie Jim Morrison zu identifizieren. Es mag sicherlich lächerlich erscheinen, aber das Unterbewusstsein suggeriert unbemerkt beim Hören seiner Musik: Wenn ich jetzt exzessiv Alkohol und Drogen konsumiere, dann werde ich auch so genial inspiriert sein und Erfolg haben wie die Doors…
Und diese Rechnung geht nicht auf.
Jim Morrison übt auch deshalb Faszination aus, weil er im Alter von nur 28 Jahren - unter bis heute ungeklärten Umständen - verstorben ist. Gegen Ende seines Lebens - welches er in Paris verbrachte - hatte ihn die Realität jedoch schon sichtlich eingeholt. Unzählige Schwangerschaftsklagen machten ihm in seiner amerikanischen Heimat ebenso zu schaffen, wie ein Konflikt mit der Justiz, weil er einmal gewaltsam daran gehindert werden musste, bei einem Auftritt sein Geschlechtsteil zu entblößen. Sein Alkoholkonsum nahm derartig Besorgnis erregende Formen an, dass er sehr bald wahrscheinlich nur noch Mitleid erregt hätte, wenn er am Leben geblieben wäre. Auch die Doors hatten sich zu dieser Zeit bereits getrennt.
Der Tod jedoch, eines der zentralen Themen seiner Texte, ließ ihm nicht nur die Würde, sondern sollte seine Person sowie sein Werk alsbald zu einem regelrechten Mythos hoch stilisieren.
Wir wollen hier hingegen mehr von einem Freiheitsverständnis reden, welches auch langfristig von jedem Menschen umgesetzt werden könnte, ohne sich selbst und anderen dabei im Wege zu stehen.
Es soll an dieser Stelle mehr vom Regelfall die Rede sein und nicht von Ausnahmen desselben. Der Regelfall hat uns gelehrt, dass Alkohol und Drogen destruktive Wirkungen auf ihre Konsumenten auszuüben verstehen und Kettenreaktionen von Auslieferung und Negativerlebnissen in die Wege leiten.
Das mit dem Gott und der Moral bleibt also immer relativ. Wenn Gott mit der Idee des Guten identisch wäre, dann hätte wohl auch der zweite Weltkrieg gut sein müssen. Und ein Jim Morrison hätte sich in diesem Ausmaß niemals verwirklichen können.
Vielleicht bleibt Gott bei allen Eskapaden seiner Existenz ja immer nur dabei, sich selbst zu suchen, weil er als vollkommen anzunehmendes Ziel ansonsten nicht mehr wäre. Offensichtlich scheint er sich wohl im Verlieren finden zu wollen…
…einigen wir uns lieber nur auf seine Unergründlichkeit.
4.
Mahatma Gandhi lässt bereits im Titel seiner Autobiographie andeuten, dass es sich in seinem Lebensbeschreibungen um „Experimente“ mit der Wahrheit handelt. Dieses Experimentieren wäre theoretisch jedem möglich.
In den gesellschaftlichen Idealvorstellungen des kapitalistischen Westens gibt es zum Beispiel Angstbegriffe, mit welchen man um keinen Preis etwas zu tun haben möchte. Die bloße Erwähnung solcher Wörter löst Entsetzen, Verstörung und manchmal sogar regelrechte Aggressionen aus, und nach diesem Kriterium der abschreckenden Wirkung soll hier nun eine Art Hitparade aufgestellt werden:
Platz 1: Sexualverzicht
Platz 2: bewusstes Fasten
Platz 3: Freiwillige Besitzlosigkeit
Platz 4: Vegetarische Ernährung
Platz 5: Moralischer Lebenswandel
Die Umsetzungen genau dieser Begriffe verstand Mahatma Gandhi jedoch als Voraussetzungen zu einem erfüllten Leben. Auf sie beziehen sich - neben dem gesellschaftlich etwas tolerierteren Begriff der Gewaltlosigkeit - hauptsächlich seine „Experimente mit der Wahrheit“. Als er nach seiner Meinung zum zivilisierten Westen gefragt wurde, antwortete er wohl auch aus diesem Grund:
„Ich denke, das wäre eine gute Idee.“
5.
Ich möchte eine Geschichte von den Axiomen erzählen: Ein Axiom definiert man als einen Begriff, dessen Wahrheitsgehalt dermaßen offensichtlich ist, dass er keinerlei weiterer Beweise mehr bedarf. Um als Beispiel ein Axiom aus der Geometrie zu verwenden, verlaufen zwei gerade Linien parallel, wenn sie sich bis ins Unendliche nicht überschneiden. Jeder Mensch mit ein wenig gesundem Menschenverstand wird die Beweiskraft dieser Aussage gern akzeptieren wollen1.
Mahatma Gandhi hat in seinen Lebensprinzipien des Öfteren eben solche Axiome festgehalten, wahrscheinlich ohne sich dieser Tatsache bewusst gewesen zu sein oder das überhaupt bemerkt zu haben. Ich möchte hierzu gern ein Beispiel geben mit der Beobachtung Gandhis:
„Die natürlichste Form der Empfängnisverhütung besteht darin, den Geschlechtsverkehr zu unterlassen.“
In meinen Augen ist diese Aussage ein Axiom. Wenn man die Sache ohne Vorurteile wertfrei und an sich betrachtet, wird man den Wahrheitsgehalt dieser These kaum bestreiten können.
Gehe ich hingegen nun zu einem Mitmenschen meiner Umwelt und erzähle ihm von dieser Selbstverständlichkeit, werde ich keine Freunde damit gewinnen können. Die Reaktionen