Absender Ost-Berlin. Thomas Pohl. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Thomas Pohl
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Контркультура
Год издания: 0
isbn: 9783347069398
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       Für Olivia, Emma & Henry

      Thomas Pohl

       Absender Ost-Berlin

       Grenzgänger

      Roman

      © 2020 Thomas Pohl

      Herausgeber: Department Studios Frankfurt

      Autor: Thomas Pohl

      Umschlaggestaltung, Illustration: Nicklas Freund & Thomas Pohl

      Lektorat: Matthias Jügler

      Verlag und Druck:

      tredition GmbH,

      Halenreie 40-44, 22359 Hamburg

      ISBN: 978-3-347-05778-4 Hardcover

      ISBN: 978-3-347-06938-1 Paperback

      ISBN: 978-3-347-06939-8 eBook

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      Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

      Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

       Inhaltsverzeichnis

      1. Berlin

      2. Der Jagdausflug

      3. Anna

      4. Ost-Berlin

      5. Alexanderplatz

      6. Genosse Telemann

      7. Die Hausarbeit

      8. Im Einstein

      9. Der Führungsoffizier

      10. Nach der Liebesnacht

      11. Transitautobahn

      12. Bonner Presseball

      13. Perestroika

      14. Abflug

      15. Hamburg

      16. Ost-Berliner Wind

      17. Und wieder Alfred

      18. Beim Friseur

      19. Geröntgte Bananen

      20. Das Fernsehinterview

      21. Im Politbüro

      22. Die Verfolgung

      23. Der Ministersturz

      24. Der KGB

      25. Fußball

      26. Pullach

      27. Der BND

      28. Der Deal

      29. In der Werkstatt

      29. Hohenschönhausen

      30. Hamburg Plaza

      32. Der unveröffentlichte Bericht

      33. Geisterbahnhöfe

      34. Der BND im TV

      35. Direktive 1/67

      36. Soljanka

      37. BND versus CDU

      38. Leipzig

      39. Auf dem Hochstand

      40. Das Lager

      41. Marlene übernimmt

      42. Tempelhof

      43. Die Offenbarung

      44. Sitzung der Bezirkseinsatzleitung

      45. Held wider Willen

      46. Butter

      47. Momper

      48. Die Nacht

      49. Erfurt

      50. Das Archiv

      51. Zurück

       1. Berlin

      Die Wohnungstür im dritten Stock der Dresdner Straße Nummer 24 in Berlin-Kreuzberg stand bereits seit zwei Stunden sperrangelweit offen. Es war einer der wenigen Abende der Woche an denen Michael nicht den Verführungen der Stadt erlag. Üblicherweise genoss er die stillen Sonntagabende in seiner Berliner Wohnung. Doch seit sich die Straßen der Dunkelheit ergeben hatten, fand er an diesem Abend keine Ruhe. Auf dem Esstisch stand noch ein Teller mit Lasagne. Unangetastet und seit Stunden kalt.

      Michael saß auf der Fensterbank und schaute hinunter auf das regennasse Pflaster. Sein Daumen bohrte sich unbewusst in das Nagelbett von Finger zu Finger. Wenn er sein Gesicht an die Fensterscheibe presste, konnte er von hier aus sogar einen Teil der Mauer sehen, die sich an der nächsten Straßenecke abzeichnete. Die Graffitis auf dem Beton gehörten zu den einzigen farbigen Nuancen der grauen Umgebung. Wenige Meter von ihm entfernt, lag drohend ein Stapel unsortierter Papiere auf seinem Schreibtisch. Sie waren Teil einer angefangenen Hausarbeit, die schon seit einigen Wochen auf ihre Fertigstellung wartete. Er schaute auf die Schreibmaschine. Ein leeres Blatt steckte noch in der Walze und Michael musste innerlich über seine eigene Faulheit schmunzeln. Der Abgabetermin war bereits in drei Tagen und er hatte noch nichts Nennenswertes zu Papier gebracht. Die drohende Frist interessierte ihn jedoch in diesem Moment am wenigsten. Er wartete auf etwas ganz Anderes. Die Dämmerung, der Regen, der Wochentag, die Uhrzeit. All dies waren klare Indizien dafür, dass es heute, wenn nicht sogar in diesem Moment ein weiteres Mal passieren würde. Michael richtete seinen Blick zurück auf die Straße. Ein leichter Luftzug blies aus dem Treppenhaus durch die offene Wohnungstür. Wenn es soweit sein sollte, wollte er diesmal nicht zu spät sein. Beim letzten Mal hatte er sogar noch seinen Schlüsselbund suchen müssen. Das sollte ihm heute nicht wieder passieren. Selbst seine Jacke hatte er bereits seit zwei Stunden an. Durch die offenstehende Tür würde er bis in den dritten Stock seiner Wohnung hören, wenn jemand den Hausflur betrat. Und diesmal war er darauf vorbereitet.

      Noch vor wenigen Minuten hatte seine alte Nachbarin verstohlen durch die offene Wohnungstür in seinen Flur geschielt. Er ignorierte sie, schlürfte weiter seinen Tee und betrachtete die wenigen Gestalten auf der Straße. Einige liefen mit Regenschirmen über das glänzende Pflaster. Andere hatten ihre Kragen hochgeschlagen und trugen Mützen. Wirklich erkennen konnte Michael von hier niemanden. Noch nicht einmal sein Hauseingang war von dieser Position aus zu erblicken. Seine Observationsversuche von der gegenüberliegenden Kneipe oder anderen Positionen durchzuführen, waren bislang immer gescheitert. Als würden der oder diejenigen, jeden Schritt von ihm im Voraus wissen. Nur wenn er hier im Fenster saß, würden sie — würde er — wer auch immer — würde jemand kommen.

      Die Minuten verstrichen. Er hörte nichts als das Prasseln des Regens an den Fensterscheiben. Vier Zimmer, Küche, Bad. Eigentlich viel zu groß für ihn. Und dann. Ein entferntes Geräusch im Erdgeschoß ließ ihn aufhorchen. Sein Blick wandte sich in Richtung der offenstehenden Wohnungstür. Er vernahm das unverkennbare Zusammenspiel der dicken Eichentür mit den altertümlichen Beschlägen. Michael schreckte hoch. Noch auf dem Weg zum Flur vernahm er das blecherne Klappern seines Briefkastens. Als er bereits die Treppe hinunterrannte und fast ein Stockwerk hinter sich hatte, schnappte die Haustür zurück in ihr Schloss. Michaels schnelle Schritte auf der hölzernen Treppe schallten durch das Haus. Im Erdgeschoss angekommen, richtete er nur im Vorbeirennen seinen Blick auf seinen Briefkasten. Seine Hand drückte bereits wie von alleine die schwere Klinke der Haustür herunter. Ohne die Tür komplett zu öffnen, schob er seinen schmalen jugendlichen Körper durch den Spalt auf das Trottoir. Michael spürte den Regen auf seinen Haaren. Er drehte sich um seine eigene Achse. Er war bereit zu rennen. Nur in welche Richtung? Suchend drehte er seinen Kopf um die eigene Achse. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite lief eine alte Frau mit ihrem Dackel von Baum zu Baum. Ansonsten war in der Nähe niemand zu sehen. Michaels Rufen