F&%K THE CRISIS. Fox Hardegger. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Fox Hardegger
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Биографии и Мемуары
Год издания: 0
isbn: 9783347138711
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auch die Kraft, um Krisen und Rückschläge zu bewältigen. Scheitern, untergehen, durch den Dreck robben und dabei Staub schlucken: Das habe ich erlebt. Tiefschläge sind die Essenz aller Erfahrungen, sie machen das Leben aus und schaffen eine Erkenntnis: Dass man fast alles überlebt, auf jeden Fall aber viel mehr als man denkt. Wer aufsteht, sich den Staub von den Kleidern klopft, die Krone richtet und weiterläuft, weiss auch: Der Unterschied zwischen einem Verlierer und einem Gewinner ist einfach, dass der Gewinner einmal mehr aufsteht.

      Wer gut verliert, gewinnt auch gut und die schlechten Erfahrungen relativeren später riesige Erfolge, sorgen aber auch dafür, dass man den Bezug zur Realität nicht verliert. Zu viele unerfüllte Träume trüben die Seele. Die Zukurzgekommenen! Sie sind keine angenehmen Zeitgenossen. Wer viel wagt, steckt allerdings auch viel ein. Manche Fehlschläge, von denen einige erst noch kommen sollten, waren schmerzhaft, von anderen glaubte ich mich nicht mehr zu erholen und einige machten sogar das Weiterleben zu einer Qual. Doch im Nachhinein betrachtet, waren all diese Erfahrungen wichtig für mich. Sie trugen dazu bei, wer ich heute bin. Jenem Menschen, den ich so gut kenne, mit all seinen guten und schlechten Seiten, kann ich heute im Spiegel mit gutem Gewissen in die Augen blicken, denn Selbstrespekt findet man erst, wenn man die eigenen Fehler überlebt und dabei etwas lernt.

      Was noch alles auf mich zukommen sollte, wusste ich nicht, als ich an den kommenden Tagen vor meinem Glacé-Laden mit Namen «Gelateria Italia» stand: Klein und bescheiden, wie ein Neuanfang nach dem totalen wirtschaftlichen Crash zu sein hat. Trotzdem war ich der glücklichste Gelato-Verkäufer der Welt. Nach allen Dramen und Anstrengungen der zurückliegenden Zeit war ich endlich wieder im Geschäft! Viele andere hatten dieses Projekt für eine Spinnerei gehalten. Ich antwortete: «Wenn man versucht, seine Träume in die Realität umzusetzen, spielt es keine Rolle, ob man scheitert. Hauptsache, man hat es versucht.» Der Versuch hatte sich offensichtlich gelohnt. Noch ahnte ich nicht, dass sich unsere Produktion bald auf 15 Tonnen pro Monat belaufen würde und jeden Tag Zehntausende von Eiskugeln über die Ladentheken unzähliger Lokale gehen würden, die ich in Singapur betreiben würde.

      Voll motiviert stürzte ich mich in die neuen Aufgaben. Van Gogh schien ebenfalls Spass zu entwickeln und natürlich waren seine Produkte in jeder Hinsicht erstklassig. Obwohl ich über seine schwierige Persönlichkeit im Bild war, bot ich ihm bald eine Beteiligung an meiner Firma an. Als Gegenleistung wollte ich die Rechte an seinen Rezepten. Er betrieb weiterhin seine Firma, die im Vertrieb und in der Schulung im Bereich der Eisherstellung tätig war, in den anderen Bereichen waren wir nun als Business-Partner aufeinander angewiesen.

      Meine Frau und ich arbeiteten bis zum Umfallen. Produzieren, verpacken, laden, fahren, liefern, auffüllen, verkaufen, abrechnen, die Belegschaft schulen: Am Nachmittag fuhr Anh jeweils mit unserer Tochter nach Hause, um mit ihr Zeit auf dem Spielplatz zu verbringen und sie am Abend ins Bett bringen zu können, während ich bis spät in die Nacht weiterarbeitete. Gegen Mitternacht fiel ich ins Bett, um sechs Stunden später wieder aufzustehen. Dieses Programm zog ich an sieben Tagen die Woche viele Monate lang durch. In Australien hatte ich mir geschworen, dass ich mich nie mehr über zu viel Arbeit beschweren werde. Viel Arbeit ist kein Stress, keine Arbeit zu haben, macht Stress. Für Stress sorgte in dieser Situation höchstens Mario «van Gogh». Die Unstimmigkeiten dauerten an und immer häufiger schnitt ich ihm jetzt in Gedanken ein Ohr ab. Doch noch brauchte ich ihn, noch musste ich mich mit ihm arrangieren.

      Seine Beleidigungen und Versuche mich zu erniedrigen, rissen nicht ab. Ich versuchte meine Reaktionen zu mässigen und betrachtete es als Schulung meines Charakters, damit klarzukommen. Manchmal erschien mir diese Situation dennoch unerträglich. Zum Glück verfügten wir über finanzielle Reserven und das Business lief gut. Wir konnten einander aus dem Weg gehen, sonst hätte es wohl Mord und Todschlag gegeben. Ich versuchte mich in dieser Zeit auf das Positive in meinem Leben zu konzentrieren, mein Kind, meine geliebte Frau, die guten Erträge, die ich erwirtschaftete. Es herrschte Aufbruchsstimmung! Rückblickend war es eine fast sorglose Zeit. Hart aber gut.

      Der grosse Erfolg unserer winzigen Gelateria blieb auch CapitalLand nicht verborgen. Bald lag ein Angebot für eine zweite Lokalität vor. Die «JCube-Mall» existierte zwar erst auf dem Reissbrett, schien aber das Mass aller Dinge zu sein. Als Highlight sollte im zweiten Stock eine Weltklasse-Eishockey-Arena mit Eisfeld und Sitzplätzen für ein paar tausend Zuschauer entstehen, die bei ständigen Aussentemperaturen von 35 °C in Scharen in die Mall strömen würden. Uns wurde ein Ladengeschäft bei der Rolltreppe angeboten. Rolltreppen sind verkaufstechnisch gesehen immer gut, denn sie bedeuten stetige Frequenz. Dieses Objekt würde erst nach der einjährigen Bauzeit zur Verfügung stehen. Wir unterschrieben den Vertrag und leisteten, wie immer in dieser Stadt, auch ein Mietzinsdepot, das in diesem Fall mit rund 80 000 Singapur-Dollar zu Buche schlug.

      Auch anderswo hatte sich unser Erfolg herumgesprochen: Die renommierte Takashimaya-Mall – sie gilt als besonders elegante und exklusive Adresse – meldete sich bei uns. Mister Yap, der Leasing Manager bot mir eine Fläche an. Ab diesem Zeitpunkt landeten in schöner Regelmässigkeit Top-Angebote auf meinem Tisch, denn jetzt wollten auch andere Vermieter das erfolgreiche Gelato-Italia-Konzept in ihren Einkaufszentren wissen. Ich konnte auswählen und wählte das Beste: die Takashimaya-Mall. Die Gegend ist mit dem Zürcher Paradeplatz vergleichbar. Wenn einem Gastronomen dort eine Eck-Lokalität mit Aussensitzplätzen angeboten wird, sagt er auch nicht «Nein». Später sollten wir allein an der Orchard Road vier Shops betreiben, doch bereits zu diesem frühen Zeitpunkt bedeutete das prestigeträchtige Angebot eine grosse Anerkennung unserer Arbeit.

      Hut und Pfirsich

      Ich hatte immer noch genügend Geld auf der hohen Kante, verdiente sehr gut und leistete mir eine kleine «Food Factory Unit», in der ich eine Eis-Produktion mit einem riesigen Kühlraum einrichtete, da Nahrungsmittel in Singapur nur in lizenzierten Gebäuden hergestellt werden dürfen. Wir planten für die Zukunft. Gross und grosszügig, wie es meiner Art entspricht. Jedoch auch verantwortungsbewusst und so, dass die finanziellen Belastungen den Rahmen nicht sprengen. Natürlich hatte ich als Unternehmer im Verlauf meiner bisherigen Karriere viel gelernt, verfügte über das Wissen und die Erfahrung, wie man ein Geschäft lanciert, führt und expandiert. Trotzdem blieb ich vielen meiner anfänglichen Überzeugungen treu, die andere als unorthodox bezeichnen, weil sie den gängigen Schulbüchern der Wirtschafts-Hochschulen in einigen Punkten widersprechen.

      Ein Freund von mir bezeichnete mein Vorgehen einmal folgendermassen: Zuerst werfe ich den Hut über die Mauer und dann unternehme ich alles, um über die Mauer zu gelangen und den Hut an mich zu bringen. Seine Worte, so fand ich, treffen den Nagel ziemlich auf den Kopf. Ich bin kein Freund von Plänen und festgelegten Strategien. Sie können blockieren, den natürlichen Werdegang einer Geschäftsidee verhindern, denn, so entspricht es meiner Erfahrung: Es kommt sowieso anders als man denkt oder anders ausgedrückt: Will man den lieben Gott zum Lachen bringen, macht man Pläne.

      Pläne finde ich massiv überbewertet. Jene, die man für sein eigenes Leben macht, aber auch jene, die über Erfolg oder Misserfolg im Geschäftsleben entscheiden sollen. Wer von seinem Tun überzeugt ist und im Grossen und Ganzen weiss, wohin die Reise gehen soll, wird einen Weg finden, der zum Ziel oder zumindest in die Nähe des Ziels führt. Immer. Der Glaube an sich selbst, die Fähigkeit, den Blickwinkel zu verändern, aber auch die Akzeptanz eines möglichen Scheiterns, sind wichtiger als ein ausgefeilter Geschäftsplan. Das heisst nicht, dass ich keine Businesspläne erstelle, meine Ideen und Konzepte genauestens prüfe und Vorgaben ausformuliere.

      Beweglichkeit ist wichtig, wenn man auf spontane Veränderungen eingehen will und ohne Brett vor dem Kopf agiert. Wie bereits erwähnt: Leben wird erlebt und deshalb zählt jeder Tag, an dem wir unterwegs sind, spontane Entscheidungen treffen und fast alles zulassen, mehr als ein Tag, der nach festgelegten Ideen verläuft. Planen schränkt ein, zwingt zur Einhaltung von Regeln und Vorgaben, die sich vielleicht als falsch erweisen. Wenn kein Plan existiert, hinterfragt man eher, was man tut, und gleichzeitig bleibt alles im Fluss. Ich lebe schon immer nach dieser Philosophie und weiss in der Zwischenzeit, dass ich mir vertrauen kann. Weniger Fehler als derjenige, der akribisch plant, mache ich nicht, doch ich kann vermutlich besser mit diesen Fehlern umgehen. Wichtig ist es, ein Ziel vor Augen zu haben. Und der Weg dahin? Loslaufen, man kann unterwegs überlegen, wohin es genau geht und manchmal