»Das wird ein Brunnen, nicht? Tja, wenn ich Ihnen dabei irgendwie helfen kann. Ich kenne mich mit so etwas aus.«
Herr Trautwein arbeite bei der Stadt und stellte Personalausweise und Visa aus. Also quasi ein Fachmann auf dem Gebiet des Brunnenbaus.
»Mach ich, Herr Trautwein, mach ich.«
Wieso war der eigentlich schon wach? Ach, ja! Luc hatte ihn durch sein Hämmern an die Haustür geweckt. Egal, er würde in ein paar Stunden ins Büro müssen. Dann hatte er seine Ruhe.
Luc kam in den Garten und reichte Daniél zwei Mettbrötchen. Die musste er mitgebracht haben. Ganz sicher sogar. Daniél konnte sich nicht daran erinnern, frische Brötchen im Hause zu haben.
»Danke!«
»Iss tüchtig; das ist eine sehr anstrengende Arbeit.«
»Ja, ich freue mich schon. 300 Euro, ja?«
Luc nickte: »Und keinen Cent mehr. Festpreis.«
»Was bedeutet eigentlich Festpreis bei dir?«
»Ist doch klar! Die 300 Kracher bekomme ich nur dann, wenn der Brunnen funktioniert. Wenn wir tiefer gehen müssen, zum Beispiel, sagen wir, elf Meter oder so, kostet es das Gleiche.«
»Ach so. Kann das sein? Ich meine, müsste das Grundwasser nicht überall gleich hoch sein?«
»Ja, so ungefähr. Aber das schwankt schon mal. Beim alten Pierre musste ich zwölf Meter tief rein. Aber bei der Marie nur sechs.«
»Marie hat auch einen Brunnen?«
Luc grummelte: »Ja, hat sie. Los, lass uns anfangen.«
»Seit wann?«, bohrte Daniél.
»Seit letzter Woche! Wo ist deine Schaufel?«
»Warte, ich hole sie.«
»Nicht nur holen«, sagte Luc, »auch buddeln!«
Daniél holte die Schaufel und fing an einen Schacht zu buddeln. Herr Trautwein lugte über den Zaun und bemerkte: »Sie müssen mit der linken Hand weiter unten anfassen!«
Daniél seufzte: »Mach ich, Herr Trautwein, mach ich.«
»Dann geht es gleich viel leichter!«
Luc steckte derweil einige Rohre zusammen. Am letzten befestigte er eine Stange mit zwei Fahrradgriffen. Es sah aus wie ein Presslufthammer. Dann holte er noch einen Gartenschlauch.
Mit einem Auge schaute Luc Daniél über die Schulter. »Ja, sieht gut aus! Jetzt lass mich mal.«
Daniél war erleichtert. Jede Pause war ihm willkommen. »Mensch, das ist wirklich anstrengend!«
»Sei froh, dass wir so früh angefangen haben. Heute Mittag wirst du zerfließen. Obwohl, bei dir ist ja kein Fett dran.«
»Hey!«, empörte sich Daniél.
»Na, ist doch so!«
»Kann ja nicht jeder wie Conan aussehen«, scherzte Daniél.
»So, nun lass mich mal ran.«
Luc stellte sich mit seiner Apparatur an das Loch und füllte Wasser hinein, um das Erdreich zu lockern. Dann begann er mit wilden Drehbewegungen, als ob er sich nicht entscheiden könne, ob er mit seinem Fahrrad nun rechts oder links abbiegen möchte. Dann wieder Wasser. Und erneut ließ er die Apparatur um die Hochachse rotieren. Luc wiederholte das Ganze ein paar Mal und schließlich zog er das Rohr heraus. Im Rohr befand sich nun Matsch. Luc hatte gute 20 cm geschafft. Nur, dachte Daniél. Aber Luc sagte: »Anfangs geht es immer leicht.«
»Das war leicht?«
»Jetzt bist du dran!«
Das wäre an sich nicht so schlimm gewesen, wenn nicht zwei Augen über den Zaun hinweg sein Tun beobachten würden. Auch Daniél rührte nun in der Erde herum. Er brachte es auf stolze 15 cm.
Herr Trautwein rief: »Sie müssen mehr drehen!«
»Ja, mach ich, Herr Trautwein. Ich werde es nicht vergessen.«
Im Kopf rechnete er sich aus, wie lange es dauern würde, wenn sie mit dieser Geschwindigkeit weitermachen würden. Dreisatz. Das wären dann 182 Minuten, also etwas mehr als drei Stunden.
»Mensch, wenn das so weitergeht, dann sind wir ja noch vor Mittag fertig damit.«
»Daniél«, Luc legte ihm eine Hand auf die Schulter, »wir können froh sein, wenn wir morgen Mittag fertig sind.«
»Echt? So lange dauert das?«
»Ja, echt. Wenn du das mit dem Brunnen vorher gewusst hättest, dann hättest du dem Baggerfahrer mal fünf Euro in die Hand gedrückt und er hätte die ersten drei Meter schon mal schnell fertig gemacht.«
»Hätte, könnte, sollte. Hinterher ist man immer schlauer.«
»Du weißt ja jetzt wie das geht. Ich geh eben einen Schluck trinken, okay?
« Daniél setzte erneut mit dem Apparat an. Nach ein paar Minuten standen ihm Schweißperlen auf der Stirn. Das war alles nicht so schlimm. Immerhin sparte er viel Geld. Aber er wünschte sich, dass Herr Trautwein endlich ins Büro ginge. Was wäre, wenn er heute einen freien Tag hätte?
Nach einer halben Stunde war Daniél am Ende. Er setzte sich einfach auf den Boden und machte erst mal eine Pause. Luc kam. Was um alles in der Welt war das für ein Getränk, für das man eine halbe Stunde brauchte?
»Und? Wie viel hast du geschafft?«
»Etwas über einen Meter. Wieso bekommst du eigentlich 300 Euro, wenn ich das hier alles mache?«
»Ach? Du kannst noch?«
»Nein.«
»Ja, lass mich mal machen.«
»Was hast du eigentlich getrunken? 40 Liter O-Saft?«
»Ich habe noch etwas Frühstücksfernsehen geschaut. Dabei muss ich wohl kurz eingenickt sein.«
»Du siehst vormittags schon fern?«
»Nö, meistens penn’ ich dabei ein.«
Luc betrachtete kurz das Loch und fügte dann ein neues Rohrsegment an die Apparatur. Auch Luc schaffte in einer halben Stunde einen Meter. Danach wechselten sie sich jedes Mal ab. Herr Trautwein war mittlerweile ins Büro gefahren.
Gegen Mittag hatten sie schon über drei Meter tief gebohrt und Daniél taten die Arme weh.
»Mahlzeit!«, rief Luc.
»Schon?«, flachste Daniél, »gehen wir etwas essen?«
»Logisch, deine Frau ist ja nicht da. Aber die kann eh nicht kochen. Die kann nur Speisen erwärmen.«
»Ich habe sie nicht geheiratet, weil sie so gut kochen kann.«
Luc hob den Finger und bemerkte: »Na, ob das so weise war? Du weißt ja was man sagt. Das Essen ist der Sex des Alters!«
»Bitte? Ich bin gerade mal 29!«
»Du musst auch an die Zukunft denken! Aber scharf ist deine Claire, das muss man dir lassen.«
»Ja, aber behalte deine Gedanken bei der Arbeit, okay? Möchtest du Hamburger und Pommes?«
»Klingt verlockend!«
Sie nahmen eine unspektakuläre Mahlzeit ein und kehrten dann an ihr Loch im Boden zurück.
Bei einer Tiefe von 3.40 Meter geschah etwas Sonderbares.
»Man! Ich komme nicht mehr weiter!«, stöhnte Daniél.
»Tja, dir liegen wohl die Pommes schwer im Magen. Lass mich mal!«
Luc probierte es,