Tochter der Inquisition. Peter Orontes. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Peter Orontes
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Историческая литература
Год издания: 0
isbn: 9783839250686
Скачать книгу
mir«, versicherte er murmelnd und wickelte zärtlich eine Strähne ihres Haares um seinen Finger. »Wir bleiben nicht länger als unbedingt nötig. Sobald unsere Mission hier zu Ende ist, reisen wir zurück, das schwöre ich. Bleibt nur zu hoffen, dass wir bald irgend­etwas Greifbares in die Hände bekommen, das uns weiterbringt.«

      Er wollte gerade sein Gesicht erneut über ihr Haupt beugen, um sie zu küssen, als sie sich plötzlich seinen Armen entwand und auf die Bettkante setzte.

      »Ich muss dir etwas sagen, Falk. Ich glaube, ich habe etwas Greifbares.« Ihre Stimmung schien mit einem Mal wie umgeschlagen. Das Zärtliche in ihrem Ton war kühler Sachlichkeit gewichen.

      Befremdet richtete er sich auf.

      »Ach, tatsächlich, was denn?«

      Statt einer Antwort sprang Christine mit einer federnden Bewegung vom Lager, ging zum Tisch und zündete ein Öllicht an. Flackernd rötlicher Schein erhellte die Kammer.

      Erstaunt beobachtete Falk, wie sie eine auf dem Tisch befindliche Rolle in die Hand nahm.

      »Nun komm schon, sieh es dir an«, drängte sie ihn ungeduldig, eine Aufforderung, der er umso verwunderter folgte, als ihn die plötzliche Verwandlung, die mit ihr vorgegangen war, irritierte.

      »Hier, lies dieses Schriftstück. Aber pass auf, es ist klebrig«, sagte Christine, als sie ihm die Rolle reichte.

      Noch während er sie entgegennahm, registrierte er den Stofffetzen mit dem daran befindlichen Knopf.

      »Was ist … Das darf nicht wahr sein«, murmelte er entsetzt und starrte Christine verständnislos an. »Woher …«

      »Ich erklär’s dir gleich. Lies den Brief doch erst einmal«, drang sie in ihn.

      Falk entrollte das Blatt und überflog die wenigen Zeilen. Als er aufsah, wirkte seine Miene wie versteinert. Doch noch bevor er dazu kam, auch nur eine einzige Frage zu stellen, begann Christine, ihm präzise zu berichten.

      In dieser Nacht fanden sie so gut wie keinen Schlaf. Lange noch besprachen sie sich, erörterten dieses und jenes und stellten auch die eine oder andere Hypothese auf. Über einen Punkt allerdings waren sie sich schnell einig geworden: Stadtrichter und Burggraf mussten darüber in Kenntnis gesetzt werden, dass gegen Gundel Schreyer dringender Tatverdacht bestand. Der Fund, den Christine gemacht hatte, rechtfertigte es, den Mann unverzüglich in Ge­wahr­sam zu nehmen und zu verhören. Doch wie würde der Ternberger rea­gie­ren, wenn er erfuhr, dass der Inhalt des kompro­mittie­renden Schreibens anderen zur Kenntnis gelangt war?

      »Ob er wohl darauf bestehen wird, die Ermittlungen weiterzuführen, wenn er vom Doppelleben seiner Frau erfährt?«, fragte Christine.

      Falk zuckte die Schultern. »Wenn wir das wüssten, wäre die Entscheidung einfacher.«

      »Du meinst, es würde dir leichter fallen, Stadtrichter und Burggraf den Brief zu präsentieren?«

      »Aber ja doch. Versetz’ dich mal in Wernhers Lage. Es gibt für einen Mann nichts Peinlicheres und nichts, das ihn mehr in Rage bringt, als erfahren zu müssen, dass seine Frau ihm Hörner aufgesetzt hat. Und wenn das Ganze anderen bekannt wird – umso schlimmer.«

      »Aber wir können Stadtrichter und Burggraf den Brief nicht vorenthalten. Es ist der einzige Beweis, den wir gegen Gundel Schreyer haben.«

      »Du sagst es. Ohne ihn gäbe es keinen Grund, den Stadtrichter aufzufordern, sich den Mann vorzuknöpfen. Es sei denn …«; Falk hielt inne, ihm war ein Gedanke gekommen.

      »Es sei denn?«, hakte Christine nach.

      »Es sei denn, wir präsentieren ihm nur den klebrigen Stofffetzen mit dem daran befindlichen Knopf. Das dürfte genügen. Der Stadtrichter hat die Leiche Klaras schließlich in Augenschein genommen. Er weiß, welche Kleidung sie trug, und das mit dem abgerissenen Ärmel ist ihm ebenfalls nicht entgangen. Den Brief nehmen wir in Verwahrung und zeigen ihn Wernher nach seiner Rückkehr. Dem Stadtrichter sagen wir, du hättest in jenem Versteck nur das Stück Stoff gefunden. Er wird keinen Argwohn schöpfen.«

      »Damit enthalten wir ihm aber eine wichtige Information vor, nämlich, dass zwischen dem Tod Klaras und dem dieses Lamprecht Bürgel ein Zusammenhang besteht.«

      »Auch das bereitet mir kein schlechtes Gewissen. Es genügt, wenn wir es wissen. Stadtrichter und Burggraf sind ohnehin alles andere als kooperativ mir gegenüber. Vorher werden wir allerdings dem Majordomus und Irmingard den Stofffetzen präsentieren. Ich will, dass sie ihn zweifelsfrei als zu jenem Kleid gehörend identifizieren, das Klara trug, als sie das letzte Mal gesehen wurde.«

      »Und Gundel Schreyer? Wie wird er reagieren, wenn man ihn verhört und ihm das Stückchen Stoff unter die Nase hält?«

      »Das lässt sich nicht so genau vorhersagen«, gab Falk zu. »Aber ich glaube, er wird den Teufel tun, hinauszuposaunen, dass es da noch einen Brief gibt. Wahrscheinlich wird er beteuern, dass er nicht die geringste Ahnung habe, wie der Fund in seine Hütte gelangte.«

      Christine sah Falk schmunzelnd an, dann nickte sie. »Eine wirklich gute Idee. Wann wirst du den Stadtrichter aufsuchen – du Obrigkeitsbetrüger?«

      Falk lächelte. »So schnell wie möglich. Gleich morgen in der Früh.«

      »Du meinst heute. Sieh mal zum Fenster. Bald graut der Morgen.«

      Falk drehte sich zur Seite, schob seinen Arm unter Christines Haupt und schmiegte sich eng an sie. »Du hast wie immer recht, Liebes.«

      Kapitel 12

      Dienstag, 11. August 1388

      Seit nunmehr zwei Tagen schon fiel dichter Regen in feinen Schnüren vom Himmel und hüllte die Landschaft in trostloses Grau, es war kühl geworden; zu kühl für diese Jahreszeit.

      Morast spritzte unter den Hufen der Pferde, deren Reiter sich gegen die durchdringende Nässe mit dicken Mänteln zur Wehr zu setzen suchten. Bereits im Morgengrauen waren sie von Steyr in Richtung Ternberg aufgebrochen.

      »Wäre es nicht besser gewesen, das Stück Stoff in seinem Versteck zu belassen? Was machen wir, wenn dieser Schreyer den Verlust bemerkt und das Weite gesucht hat?« Missmutig musterte Georg von Panhalm Falkmar von Falkenstein, der neben ihm ritt.

      »Wenn ich ein Beweismittel entdecke, habe ich es unverzüglich zu sichern, das müsstet Ihr als Stadtrichter eigentlich wissen. Warum sollte der Mann Reißaus nehmen, nur weil er dieses Stück Stoff vermisst? Und mal ganz ehrlich: Hättet Ihr Euch des Zeitlers angenommen, wenn ich Euch das alles nur erzählt hätte, ohne Euch das Beweisstück zu präsentieren?«

      Ärgerlich gab Falk seinem Rappen die Fersen und preschte schlammspritzend an die Spitze des kleinen, aus acht Mann bestehenden Reitertrupps. Erst gestern, Montag, spätabends, war es ihm gelungen, Stadtrichter und Burggraf zu erreichen und sie von dem Fund Christines zu unterrichten. Vorher hatten sowohl Irmingard als auch Hans Söhnlein be­stätigt, dass der Stofffetzen tatsächlich von jenem Kleid stammte, das Klara am Tag ihres Todes trug. Obwohl die beiden Obrigkeitsvertreter die Beweiskraft des Indiziums nicht leugneten, wurde Falk das Gefühl nicht los, dass sie alles andere als erbaut davon waren, der neuen Spur nachgehen zu müssen. Zu sehr fühlten sie sich bloßgestellt, war der Fund Christines doch ein Beweis dafür, dass sie die Umstände des Mordes an Klara völlig falsch eingeschätzt hatten. Besonders Heinrich von Pogner, dem Burggrafen, war der Ärger über die aus seiner Sicht fatale Entwicklung der Ereignisse anzusehen gewesen. Eigentlich hätte er an diesem Morgen mit dabei sein sollen; durch einen Boten hatte er jedoch, noch bevor sie aufgebrochen waren, mitteilen lassen, dass er auf der Burg unabkömmlich sei. Es genüge schließlich, wenn man ihn baldmöglichst über das Ergebnis der Unternehmung unterrichte, alles Weitere werde sich finden.

      »Wir steigen ab. Den Rest gehen wir zu Fuß«, befahl der Stadtrichter und sprang aus dem Sattel. Auch Falk und die sechs Büttel saßen ab.

      Trotz des schlammigen Straßenzustandes waren sie verhältnismäßig gut vorangekommen; soeben hatten sie den Wald verlassen und den Wiesengrund erreicht, auf dem das Anwesen