Schattenklamm. Mia C. Brunner. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Mia C. Brunner
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Триллеры
Год издания: 0
isbn: 9783839249604
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Haustür vor ihm wurde mit Schwung aufgerissen und Berthold Willig zuckte erschrocken zusammen. Die Dame, die sich im Eingang vor ihnen aufbaute, starrte sie beinahe böse an und presste ihre Lippen fest aufeinander. Als sie jedoch die Uniformen bemerkte, veränderte sich ihr Gesichtsausdruck merklich und wirkte jetzt überrascht.

      »Ja?«, fragte sie und zog eine Augenbraue nach oben, hielt aber nach wie vor die Tür fest und ließ keinen Blick in die Wohnung zu.

      Gerade als Hauptkommissar Florian Forster den Mund öffnete, um sich vorzustellen, fiel ihm sein Kollege Willig ins nicht ausgesprochene Wort.

      »Guten Tag, verehrte Frau Reuter. Wir sind von der Polizei. Kriminalpolizei Kempten. Hier.« Er zog seinen Dienstausweis hervor und hielt ihn der Dame so dicht vors Gesicht, dass diese einen Schritt zurückwich und wieder ärgerlich schaute. »Mein Name ist Kommissar Willig und das hier ist mein Kollege …«

      »Hauptkommissar Forster«, meldete sich jetzt der leitende Kommissar selbst zu Wort. »Dürfen wir kurz reinkommen, Frau Reuter? Wir hätten da einige Fragen an Sie.« Ohne eine Antwort abzuwarten, trat er auf die Tür zu und die Dame ließ ihn widerstandslos passieren. Berthold Willig folgte ihm auf dem Fuße.

      »Schön, dass Sie den Weg in unser Haus so problemlos alleine finden, Herr Hauptkommissar«, hörte Florian Forster die Dame kühl und leicht überheblich sagen, als er den Flur hinter sich gelassen hatte und jetzt im Wohnzimmer stehen blieb. »Mein Name ist übrigens Grothe. Meine Schwester, Frau Reuter, ist nicht im Hause. Vielleicht kann ich Ihnen weiterhelfen?«

      Ihr letzter Satz war nicht wirklich eine Frage, sondern eine Aufforderung, ihr zu erklären, aus welchem Grund sie überhaupt da waren. Hauptkommissar Forster lächelte zaghaft, setzte dann wieder sein charmantes Grinsen auf und drehte sich zu Frau Grothe um.

      »Vermutlich können auch Sie uns die nötigen Auskünfte geben«, teilte er ihr mit und nahm unaufgefordert Platz auf einem der Stühle am Esstisch im Wohnzimmer. Etwas verlegen stellte sich Berthold Willig neben ihn.

      »Nehmen Sie doch bitte Platz, meine Herren.« Sarkasmus schwang in ihrer Stimme mit und beinahe theatralisch deutete sie auf zwei Stühle gegenüber von Florian Forster. »Kann ich Ihnen etwas zu trinken anbieten? Tee? Kaffee? Ein Glas Wasser?« Fragend hob sie die Augenbrauen, doch in ihrem Blick sah Hauptkommissar Forster Argwohn und Misstrauen.

      »Gern. Zwei Glas Wasser, bitte«, bestellte der Beamte, zog demonstrativ den Stuhl neben sich unter dem Tisch hervor und deutete seinem Kollegen an, sich zu setzen.

      Wütend stampfte Jessica in die Küche, riss den Vitrinenschrank über der Kaffeemaschine auf und holte zwei Gläser heraus. Dann griff sie nach der Wasserflasche neben dem Kühlschrank und transportierte alles zurück an den Esszimmertisch. Höflich lächelnd platzierte sie die Gläser und die Flasche vor den beiden Beamten. Dann setzte sie sich selbst den Beamten gegenüber.

      »Und was verschafft mir jetzt die Ehre Ihres plötzlichen Besuches? Habe ich falsch geparkt?«, fragte sie süffisant lächelnd, doch konnte sie ihren Ärger trotz allem nicht gänzlich unterdrücken.

      Hauptkommissar Forster ließ sich sehr viel Zeit, griff beinahe im Zeitlupentempo nach der Flasche und schenkte sich und seinem Kollegen ein. Dann sah er Jessica lange und durchdringend an, doch Jessica hielt seinem Blick stand.

      »Neigen Sie denn dazu, falsch zu parken?«, fragte er schließlich belustigt und nahm einen großen Schluck aus dem Glas, ohne Jessica aus den Augen zu lassen.

      Jessica sparte sich die Antwort.

      »Warum sind Sie also hier, Herr Hauptkommissar?« Sie lehnte sich lässig auf ihrem Stuhl zurück und verschränkte die Arme vor der Brust.

      »Es geht um den Mord auf dem Parkplatz des Baumarktes am letzten Samstag«, erklärte der Beamte und verfiel plötzlich in einen sachlichen, professionellen Verhörton. »Sie haben sicher davon gehört?« Als Jessica nickte, zog er ein kleines Notizbuch aus seiner Brusttasche, schlug es auf und fuhr fort.

      »Der Ermordete hieß Klaus Vollmer. Sagt Ihnen der Name etwas? Kennen Sie ihn?« Florian Forster schaute jetzt wieder von seinen Notizen auf und starrte Jessica unverwandt an.

      »Nein, tut mir leid«, gab sie kopfschüttelnd zur Antwort. »Aber würden Sie mir bitte erklären, warum Sie ausgerechnet mich dazu befragen?« Dann fiel ihr ein, dass die Beamten ursprünglich nach Susanne gefragt hatten, und sie fügte hinzu: »Und was wollen Sie diesbezüglich von meiner Schwester? Wir haben den Mann schließlich nicht umgebracht.« Wieder schüttelte sie den Kopf, doch dieses Mal mehr aus Fassungslosigkeit.

      »Davon gehen wir auch gar nicht aus«, wehrte Hauptkommissar Forster ab und hob beruhigend die rechte Hand. Es sah beinahe so aus, als würde er Jessica auffordern, stehen zu bleiben und nicht näher zu kommen.

      »Und? Was wollen Sie dann hier? Haben Sie festgestellt, dass wir an diesem Tag in genau diesem Baumarkt eingekauft haben, und überprüfen Sie jetzt alle Kunden?« Wieder schwang Sarkasmus in ihrer Stimme mit und sie konnte es nicht verhindern. Sie war wütend und verstand die Zusammenhänge nicht. Was hatte das alles hier mit professioneller Polizeiarbeit zu tun?

      »Das ist ja interessant«, stellte Herr Forster sachlich fest, doch konnte Jessica den Schalk in den Augen des Beamten aufblitzen sehen. »Sie geben also freiwillig zu, dass Sie am Tatort waren.« Noch bevor Jessica wütend aufbrausen konnte, winkte er erneut ab, verwies sie mit seiner erhobenen Hand in ihre Schranken und grinste breit und überheblich.

      »Keine Panik, Frau Grothe. Das war nur ein Scherz«, erklärte er und schaute wieder in das kleine lederne Notizbuch. »Sagen Ihnen die Buchstaben ›LLFS‹ etwas, Frau Grothe?«

      Jessica seufzte tief und eindeutig genervt. »Nein«, blaffte sie den Beamten wütend an. »Und ich möchte jetzt auf der Stelle wissen, was Sie von mir … was Sie von meiner Schwester wollen.« Um die Nachdrücklichkeit ihrer Worte zu unterstreichen, presste sie die Spitze ihres Zeigefingers auf die Tischplatte und den Mund fest zusammen.

      »Wir haben festgestellt«, begann der Hauptkommissar schließlich, »dass es eine Verbindung des Opfers zu Ihnen und Ihrer Schwester gibt. Diesem Sachverhalt gehen wir nach. Was würden Sie also hinter den Buchstaben …«, er beugte sich wieder über sein Notizbuch und las ab, »›LLFS‹ vermuten?«

      »Keine Ahnung, vielleicht eine Partydroge, vielleicht eine Abkürzung für … für … Lothar Lommel Fahr-Schule? Woher soll ich das denn wissen? Ich dachte, dafür würde man Sie bezahlen?«

      »Deshalb sitze ich hier. Wir haben diese ›Abkürzung‹, oder was immer es ist, neben der Telefonnummer Ihrer Schwester gefunden. Sie war im Handy des Opfers gespeichert. Und die internen Ermittlungen haben ergeben, dass mehrmals Gespräche von diesem Handy an eben diese Nummer geführt wurden«, erklärte Florian Forster, legte sein Notizbuch auf den Esstisch und schob es zu Jessica hinüber. »Ist das die Telefonnummer Ihrer Schwester?«

      Jessica schaute auf die etwas krakeligen Aufzeichnungen und fand schließlich die besagte Telefonnummer. Ungläubig schaute sie auf die zehn Ziffern. Dann nickte sie zögernd.

      »Ja«, bestätigte sie schließlich. »Diese Telefonnummer gehörte zu dem Anschluss Wolfgang und Susanne Reuter in Hamburg. Und auch ich war unter dieser Nummer gemeldet, denn ich habe im selben Haus gewohnt.« Sie machte eine Pause und versuchte, ihre Gedanken zu ordnen. Der Hauptkommissar unterbrach sie nicht.

      »Wieso hatte das Mordopfer unsere Nummer in seinem Handy gespeichert? Und was bedeuten die Buchstaben vor der Telefonnummer? Wenn er diese Nummer benutzt hat, dann müssten wir diese Person doch kennen. Hat er schon immer in Kempten gewohnt? War er einmal in Hamburg zu Besuch? Wo hat er gearbeitet?« Jessica fühlte sich plötzlich ganz in ihrem Element. Der Fall interessierte sie brennend und sie wollte Antworten auf all diese Fragen, wollte die Verbindung verstehen, die angeblich zwischen ihrer Familie und dem Opfer bestand.

      »Führen Sie jetzt die Ermittlungen, Frau Grothe?«, fragte der Hauptkommissar belustigt, schnappte sich sein Notizbuch vom Tisch und verstaute es in seiner Jacke. »Das überlassen Sie mal lieber den Profis.«

      Jessicas Handy