Die Zwillingsspur, die der schwere Planwagen mit seinen knarrenden Rädern in den gelben Sand grub, fiel mit dem Sinken der Staubwolke hinter dem Gefährt so zusammen, daß sie sofort viele Tage alt zu sein schien.
Der Mann oben auf dem Kutschbock blinzelte träge über die beiden dahintrottenden Braunen und lauschte schläfrig dem Knarren der ledernen Geschirre und dem monotonen Rumpeln und Stoßen des Wagens.
Jack Lambert hatte ein von Sonne und Sand gegerbtes Gesicht, das von tausend Falten zerschnitten war. Seine buschigen Lincolnbrauen verdeckten fast seine hellen Augen. Der graue Vollbart war struppig, und das Haar, das in wilden Strähnen unter der zerfledderten Hutkrempe hervorwucherte, ließ darauf schließen, daß der Mann an die sechzig Jahre mit sich herumschleppte.
Jack Lambert kam von Pearce herunter.
Sein Ziel war Tombstone.
Seit der Alte damals vor sieben Jahren seinen kleinen Store oben in Topeka aufgegeben hatte – weil auf der anderen Straßenseite ein wohlhabender junger Bursche einen größeren Laden mit reichhaltigerem Warenvorrat aufgemacht hatte – zog er mit seinem Prärie-schoner durch das Land. Es gab in den kleinen Ansiedlungen immer wieder Menschen, die Bürsten, Töpfe, Kessel und andere Gerätschaften benötigten. Es war ein hartes Brot, das sich der alte Trader da verdienen mußte, aber er blieb dabei, weil er glaubte, zu nichts anderem mehr zu taugen. Yeah, wenn Lissy, seine Frau, damals nicht gestorben wäre, hätte er seinen Store nicht so leicht gegen den jungen Matthews aufgegeben. Schließlich hatte er eine Kundschaft gehabt. Aber nichts ist treuloser als Kundschaft, vor allem, wenn die Frau hinter dem Ladentisch fehlt.
So war er denn durch die Staaten gezogen, von Ost nach West, und vom hohen Norden zog er jetzt hinunter in den heißen Süden. Schon seit Tagen quälte ihn der mehlfeine Flugsand, und Lambert hatte sich schon des öfteren Vorwürfe darüber gemacht, daß er nach Arizona gekommen war. Die Städte lagen in diesem dünnbesiedelten Land so weit auseinander, und die Wasserläufe waren so spärlich gesät, daß allein die Beschaffung von Trinkwasser für ihn und für seine Pferde große Schwierigkeiten machte. Ganz davon abgesehen, daß er bisher auf seinem Weg durch Arizona herzlich wenig verdient hatte.
Well, er würde noch nach Tombstone fahren und dann schleunigst aus diesem öden Land verschwinden. Hoffentlich konnte er unten in der alten Silberstadt, deren Ruf ihn allerdings etwas bedrückte, noch einige Bucks verdienen. Er hatte in Pearce, in Bowie und auch schon viel weiter nördlich von den Banden gehört, die in und um Tombstone ihr Unwesen trieben. In Richmond hatte ihm ein Mietstallowner erzählt, daß im letzten Monat wieder zwei fahrende Händler überfallen und getötet worden seien. In Pearce hatte ihm ein Salooner mitgeteilt, daß vor allem die Clanton Brothers rücksichtslos gegen jeden vorgehen, der sich in ihrem ›Revier‹ sehen ließe. Gerade die Angehörigen dieser berüchtigten räuberischen Familie verleideten einzelnen Reisenden den Weg durch Südarizona, weil sie in der Nähe der mexikanischen Grenze ungestört ihren dunklen Geschäften nachgehen wollten.
Jack Lambert hatte sich jedoch durch all diese Warnungen nicht beirren lassen und den Weg nach Süden genommen, weil er überzeugt war, hier ebenso wie in anderen Gegenden, wovor man ihn auch gewarnt hatte, durchkommen zu können. Vor allem glaubte er, durch sein biederes Aussehen, den geringen Wert seiner Waren, seinen schäbigen Wagen und seine struppigen Gäule für jeden Banditen uninteressant zu sein.
Am frühen Morgen war er einem Cowboy begegnet, der ihm noch von der Fahrt nach Tombstone abgeraten hatte. Den Namen Clanton allerdings hatte er nicht erwähnt. In dieser Gegend hütete man sich, ihn zu nennen. Der Weidereiter hatte den Alten auf einen Steinhaufen hingewiesen, unter dem der Körper eines Gesetzesmannes lag, der vor kur-zem mit einer Kugel im Rücken dort aufgefunden worden war. Das allerdings hatte den alten Händler tief beeindruckt. Damned! Wenn sie einem armseligen Deputy hier schon eine Kugel in den Rücken jagten, wie würden sie dann erst einen Trader behandeln, bei dem sie vielleicht einige Bucks vermuteten?
In diese düsteren Gedanken versunken, schaukelte der Alte auf seinem asthmatischen Prärieschoner in die Senke hinein, die mit dem Sandhügel und dem Mesquitegestrüpp einen Engpaß für den Weg bildete.
*
Die beiden Männer, die flach auf dem Boden hinter dem Gesträuch lagen, blinzelten zu dem herannahenden Wagen hinüber. Es waren große olivgesichtige Burschen mit kantigen Gesichtern, tief in der Stirn beginnendem Haaransatz und weit vorgeschobenen breiten Kinnladen. Sie waren gekleidet wie Cowboys, und jeder von ihnen trug zwei Revolver im Kreuzgurt.
Tom und Frank McLowery hatten den Prärieschoner schon vor zwei Stunden ausgemacht. Sie waren ihm aus der Ferne gefolgt, hatten ihn dann in der weiten Ebene im Halbkreis überholt und ihre Pferde bei einer Kakteengruppe untergebracht, die eine halbe Meile vom Fahrweg entfernt stand. Nachdem sie sich überzeugt hatten, daß der Wagen nicht die Abzweigung hinunter nach Bisbee nahm, also an dem Sandhügel vorüberkommen mußte, hatten sie sich lautlos wie Raubtiere hierher begeben, um dem Gefährt den Engpaß zu verlegen.
Noch dreihundert Yards war der Prärieschoner von der Paßstelle entfernt.
Jack Lambert wollte sich schon seit längerem eine Pfeife angezündet haben, aber der porenverstopfende Flugsand hatte es ihm, wie schon an den Vortagen, immer wieder verleidet.
Sein Blick streifte über den kegelförmigen Sandhügel zur Rechten, flog über den Mesquitestrauch zur Linken und verweilte dann auf dem kaum erkennbaren Fahrweg.
Zweihundert Yards trennten den Trader noch von der Paßenge.
Frank McLowery schloß die Augen zu strichdünnen Spalten. »Es ist ein alter Bursche«, zischelte er seinem Bruder zu. »Wir werden nicht viel Arbeit mit ihm haben.«
»Wenn er allein ist, schon«, gab Tom heiser zurück. »Fragt sich nur, wer noch im Wagen ist.«
»Eben«, versetzte Frank.
Noch einhundert Yards war der Wagen von der Paßenge entfernt.
»Er ist mindestens sechzig«, flüsterte Tom, »und sein Schießeisen stammt noch aus dem Bürgerkrieg.«
»Sei still, ich habe Kerle gesehen, die älter waren als der da und mit solchen Kanonen noch verteufelt gut schossen.«
»Der Kerl sieht nicht so aus, als ob er überhaupt mit einem Revolver umgehen könnte.«
»Darin kannst du dich täuschen. Jeff Conelly beispielsweise sah aus, als könne er nicht bis drei zählen, und doch war er einer der schärfsten Revolverschützen, die ich je kennengelernt habe. Oder denk doch nur an Doc Holliday, der soll doch aussehen wie ein Richter oder ein Prediger, und doch heißt es, daß er der beste Gunman des Westens sei.«
»Daß du mich jetzt ausgerechnet an Doc Holliday erinnern mußt«, knurrte Tom und schob sich eine widerspenstige Haarsträhne aus der Stirn. »Wenn ich daran denke, daß dieser Kerl die ganze Stadt in Atem hielt, wird mir jetzt noch grün. Hm, wenn Wyatt Earp nicht damals dabeigewesen wäre, hätte Ike ihn vielleicht gestoppt.«
»Nichts hätte er«, zischte Frank. »Man sieht, daß du immer noch nicht gescheit geworden bist. Die beiden Hunde sind nicht zu stoppen. Vor allem nicht im offenen Gunfight.«
»Du hast sie doch gar nicht gesehen.«
»Nein, so wenig wie du. Wir waren ja damals nicht in Tombstone. Aber das, was über die beiden noch wochenlang in der Stadt erzählt wurde, reichte mir vollkommen. Wenn Clanton Hemmungen einem Mann gegenüber hat, dann sagt mir das genug!«
Die Tatsache, daß die Desperados sich noch bei dieser großen Nähe so ruhig unterhielten, bewies wohl mehr als alles andere ihre Kälte. Insbesondere Frank, der ältere der beiden, war von einer Gefühlskälte, die ohnegleichen war.
Noch fünfzig Yards trennten den Schoner von der Wegenge.
Der Trader hatte die Zügel in beiden Händen, da das Gelände hier abfiel.
Frank brachte seinen Mund dicht vor das Ohr des Bruders. »Ich springe auf die andere Wegseite, und du hältst ihn von hier aus in Schach.«
»All right, wie immer«, gab Tom ohne jede Erregung zurück.
Fünfzehn Yards waren die beiden Pferde jetzt vor dem