Eine heterotopische Zone samt essbarem Einkaufszentrum für Eichhörnchen und Vögel, einem Rathaus mit einer Konferenz der Tiere inklusive einer pensionierten Milchkuh als Bürgermeisterin, Tauben und Mikroben, ein Friedhof im Gedenken an ausgestorbene Arten, eine Universität, in der Hunde und andere Haustiere Menschen unterrichten, ein Käfer-Filminstitut und eine Life Art-Bücherei, die Tieren als KünstlerInnen und PerformerInnen gewidmet ist.38
Zitternde Androide, schwitzende Avatare
Doch eine Topfpflanze auf der Bühne begründet noch kein Parlament der Dinge; Hasen als Protagonisten keinen Posthumanismus. Neuer Materialismus, Animismus, künstliche Intelligenz, künstliche Körper, virtuelle Welten, Algorithmen allenthalben – das etwas altmodische, analoge, anthropozentrische Medium des Theaters tut sich schwerer als beispielsweise die bildende Kunst, mit Entwicklungen umzugehen, die den Menschen aus dem Zentrum des Denkens und Fühlens verbannen wollen. Die Perspektive des Theaters ist keine aus der Zukunft, sondern eine auf die Zukunft gerichtete. Eine Welt, in der sich die Menschheit in Natur, Technologie oder Daten aufgelöst hat, kann das Theater nicht repräsentieren, nicht darstellen. Aber es kann aus menschlicher Sicht die rasanten Veränderungen reflektieren und Handlungsräume ausloten.
Stefan Kaegis Solo für einen Androiden, Uncanny Valley (2018), bringt es auf den Punkt: Während Rimini Protokoll die Darstellung ihrer ProtagonistInnen durch SchauspielerInnen immer verweigert hat, wird nun der Mensch durch einen Roboter ersetzt, der dem Schriftsteller Thomas Melle, um dessen Geschichte es geht, wie aus dem Gesicht geschnitten ist. Einerseits ist diese Maschinenpuppe Melle ähnlicher, als es ein Schauspieler vermutlich je sein könnte, andererseits ist er ihm fremder, seine Künstlichkeit ein permanenter V-Effekt.
Tatsächlich wird im Verlauf des Abends immer unklarer, wer hier eigentlich wen repräsentiert. Denn so sehr der Monolog auch davon handelt, dass das Double dem Original überlegen ist – keine Phobien, keine Krankheiten, keine Sterblichkeit –, behält doch der Mensch die Fäden in der Hand und spielt seine Macht genüsslich aus: Er stellt die Apparatur ab, lässt sie Dinge tun, die sie nicht meistern kann und vor allem legt er ihr jedes Wort in den Mund. Am Ende ist der Android ein optisch attraktiveres Diktiergerät – und doch tiefgreifend unheimlich: wegen seiner Ähnlichkeit mit dem Menschen, aber auch wegen seiner Verschiedenheit. Beunruhigend sind Androiden, Doppelgänger, Gliederpuppen, weil wir uns zu ihnen in Bezug setzen.*
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