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Es wäre übertrieben zu behaupten, dass diese Nacht mein Leben verändert hatte, aber als ich am nächsten Morgen erwachte, war etwas verschwunden und etwas Neues an seinen Platz getreten. Mike war weiter von mir entfernt als je zuvor. Aber auch der Mann, der neben mir lag, vermittelte mir keine Nähe. Eine unbestimmte Gleichgültigkeit lag zwischen uns.
John schlief noch. Fahl schien das erste Licht des Tages durch die Vorhänge. Ich wollte die Gelegenheit nutzen, unbemerkt zu verschwinden, doch kaum hatte ich meine Sachen zusammengesucht, schlug er die Augen auf.
»Guten Morgen meine Schöne ... Wo willst du so früh hin?«
Seine Stimme wirkte belegt, aber sie hatte die gleiche Autorität wie am Abend zuvor.
»Ich habe heute noch Vorlesung«, entgegnete ich mit dem Höchstmaß an Entschlossenheit.
»Aber die beginnt doch sicherlich nicht um sieben Uhr?«
»Nein, aber ich will vorher noch nach Hause und etwas frühstücken.«
»Frühstücken kannst du bei mir.«
John spürte meinen schwächer werdenden Widerstand, setzte sich auf und griff nach meiner Hand. Als ich sie ihm überließ, zog er mich sofort wieder in das Bett.
»Ich muss gehen, John, ich muss wirklich ...«
Er vergrub sein Gesicht an meinem Hals, seine erwachende Leidenschaft und die Erinnerung an die vergangene Nacht überwältigten mich. Ich war nicht gewappnet gegen diese ungefilterte Leidenschaft und überließ mich ganz seinen Berührungen.
»Stimmt etwas nicht?«, fragte er schließlich, als meine Passivität fast greifbar wurde. Doch ich presste seinen Kopf an meine Brust, und er machte weiter. Ich wollte ihn noch einmal in mir spüren, wollte noch einmal so gänzlich ausgefüllt sein wie in der vergangenen Nacht. Er war geübt darin, Frauen zu entkleiden. Wenige Handgriffe genügten und ich stand wieder nackt vor ihm.
Dieses Mal liebten wir uns in der Missionarsstellung. John war sehr ausdauernd, aber meinen gezielten Berührungen an seinem Rücken konnte er dennoch nicht allzu lange Widerstand leisten. Ich spürte seine Hitze an meinem Bauch. Seine Schulter schmeckte salzig, als ich mein Gesicht dort vergrub. Auch wenn ich nicht zum Höhepunkt kam, war es großartig, diesen Mann in seinem Element zu erleben. John war ein Glücksfall. Ich hatte es mit einem talentierten Liebhaber zu tun, bei dem jeder einzelne Stoß größte Willenskraft besaß.
Im Anschluss sprang ich schnell unter die Dusche. Als ich, etwas erfrischt und nach seinem Deo riechend, aus dem Bad trat, lag John noch immer auf dem Bett.
»Auf dem Tisch findest du das Geld für dein Taxi«, sagte er und lächelte.
Ich erkannte auf den ersten Blick, dass die bereitgelegten Scheine etwa zehnfach so viel waren, wie ich an einem ganzen Abend im Restaurant verdiente. »Aber das ist viel zu viel. Kein Taxi der Welt kostet ...«
Sein Blick befahl mir, zu schweigen. »Es ist auch ein Trinkgeld, wenn du es so willst. Ein kleiner Dank für deine Gesellschaft.«
»Hältst du mich etwa für ...«
»Nein!«, entgegnete er deutlich, sein Tonfall duldete keine Zweifel. »Ganz bestimmt nicht. Ich halte dich für eine stolze, unabhängige Frau, Ophelia. Eine Frau, die sich ihren Platz erst noch erkämpfen muss. Und wenn ich dabei etwas behilflich sein kann ...«
»Du findest immer die richtigen Worte, oder?«
»Das ist mein Job.«
»Ein Job, der dich einsam macht. So einsam, dass du Trost in zufälligen Begegnungen suchst ...«
Dieses Mal, dieses eine Mal, wollte ich das letzte Wort behalten. Ich legte meinen Zeigefinger auf seine Lippen, er küsste ihn zärtlich. Bevor aus dieser Geste mehr erwachsen konnte, wandte ich mich um und ging. Von der bereitgelegten Summe nahm ich lediglich den obersten Schein, sodass es gerade für das Taxi reichen würde, dann verließ ich das Haus.
Während der Fahrt beschrieben meine Gedanken unregelmäßige Bahnen. Ich sah aus dem Fenster und blickte auf die erwachende Stadt. Es war ein Ausflug gewesen, eine Reise in eine andere Welt. Ich hatte diese Nacht nicht im kleinen Zimmer einer Wohngemeinschaft verbracht, das hier war keine überfüllte U-Bahn. Ein anderes Leben war möglich, wenn ich es wollte, es lag ganz in meiner Hand ... Ich besaß die Macht. Aus dem brodelnden Chaos in mir kämpfte sich ein Hochgefühl empor.
Als ich die Wohnung betrat, kamen mir Emma und Philson entgegen, beide nur in Unterwäsche. Meinem Professor war die Situation sichtbar unangenehm, doch meine Freundin und Mitbewohnerin lächelte mir vielsagend zu. Während er sich mit seiner restlichen Kleidung in das Badezimmer flüchtete, begrüßte mich Emma mit der Gelassenheit eines Menschen, für den Scham etwas äußerst Ungewöhnliches war. Sie zeigte keine Anstalten, sich anzuziehen, stattdessen lehnte sie sich an den Türrahmen und machte zweideutige Gesten, über die ich, der Moment war einfach zu absurd, herzlich lachen musste.
Nach einer halben Minute, dieses Tempo hätte ich einem würdigen Professor in seinen besten Jahren gar nicht zugetraut, kam Philson vollständig bekleidet aus dem Bad. Nur seine Krawatte hatte er noch nicht gebunden, nachlässig hing sie ihm um den Hals, als er mit schnellen Schritten an uns vorbeizog und dabei eine Verabschiedung eher murmelte als aussprach.
»Wir sehen uns dann im Hörsaal, Honey«, rief Emma ihm nach. Die Tür schloss sich hinter ihm.
»Honey? Du nennst ihn Honey?«
Während sich meine Freundin schließlich doch ihren Bademantel überwarf, schüttelte ich noch immer leicht fassungslos meinen Kopf.
»Ja, irgendwie stand er darauf.«
»Emma, du kannst doch nicht einfach unseren Professor vögeln!«
»Oh, und wie ich das kann. Ich würde sogar behaupten, dass ich ziemlich gut darin bin.«
Das alles war so absurd, dass wir beide gar nicht anders konnten, als in herzhaftes Lachen auszubrechen. Als wir uns wieder beruhigt hatten, setzten wir uns in die Küche, Emma bereitete Tee zu.
»Ich will alles wissen. Jedes einzelne schmutzige Detail«, sagte ich, während meine Mitbewohnerin mit zwei dampfenden Tassen beladen an den Tisch trat.
»Na gut, sonst wirst du ja nie Ruhe geben«, erwiderte sie und nahm Platz.
»Gestern ... gestern war es einfach so weit. Ich hatte Philson schon länger mit eindeutigen Blicken belagert, er hätte blind sein müssen, um mein Interesse nicht zu bemerken, doch er spielte viel zu sehr den Gentleman, um von sich aus die Initiative zu ergreifen. Also war es an mir, ihn gestern bei einer zufälligen Begegnung in der Bibliothek zu fragen, ob er mir nicht etwas Hilfestellung geben könne ...«
»Hilfestellung, verstehe.«
»Ja ... Ich erklärte Philson, dass ich seinen Vorlesungen immer höchst begeistert lauschen würde, aber doch im Themenbereich des elisabethanischen Theaters den roten Faden verloren hätte. Er bemühte sich natürlich von ganzem Herzen, mir alles begreiflich zu machen. Wir saßen in der Bibliothek, bis sie uns rausschmissen. Ich fragte ihn, ob wir die Unterhaltung noch in einem etwas gemütlicheren Rahmen fortsetzen könnten, aber er zögerte. Erst, als ich ihm erklärte, dass meine WG nur einen Steinwurf von der Universität entfernt sei und meine Mitbewohnerin den ganzen Abend arbeiten würde, war er einverstanden.«
»Du bist so durchtrieben, Emma.«
»Oh, es wird noch besser. Kaum hatte ich Philson auf unserem Sofa geparkt und ihn mit Wein versorgt, meldete sich sein schlechtes Gewissen. ›Vielleicht sollte