Nichts fürchteten die weißen Plantagenbesitzer in den USA mehr als Sklavenaufstände. In der Karibik hatten die schwarzen Sklaven sich gegen die französische Kolonialmacht erhoben und 1804 die freie Republik Haiti gegründet. Diese Nachricht verbreitete sich auch in den USA. Einer der erfolgreichsten Aufstände wurde im Sommer 1831 in Virginia von einem schwarzen Prediger namens Nat Turner angeführt. An ihm beteiligten sich 75 Männer. Sie ermordeten zunächst ihre weißen Besitzer und zogen dann bewaffnet mit Äxten, Messern und Hacken von Siedlung zu Siedlung und töteten knapp 60 Weiße, bevor sie von Milizionären und einer weißen Bürgerwehr getötet wurden. Hunderte Sklaven wurden als Vergeltung durch die Weißen ermordet. Nat Turner wurde erhängt.110
Die Überzeugung war damals weit verbreitet, dass Weiße und Schwarze niemals friedlich zusammenleben können. Daher wurde auch darüber nachgedacht, die schwarzen Sklaven wieder über den Atlantik zurück nach Afrika zu schicken. US-Präsident James Monroe trat während seiner Amtszeit dafür ein, in Afrika eine Kolonie für ehemalige Sklaven zu gründen. Monroe war selbst ein Sklavenhalter aus Virginia und keineswegs grundsätzlich gegen die Sklaverei. Aber er wollte, dass die Sklaven zumindest die Möglichkeit zur Auswanderung in einen eigenen Staat hatten. 1824 wurde die Kolonie Liberia gegründet, die Hauptstadt Monrovia wurde nach US-Präsident Monroe benannt. Aber die meisten in den USA geborenen Sklaven wollten nicht in ein fremdes Land auswandern, sondern in den USA ihre Bürgerrechte erkämpfen.
Die Sklaverei in den USA wurde zuerst in den Bundesstaaten abgeschafft, in denen es nur wenige Sklaven gab und die Wirtschaftselite nicht auf billige Arbeitskräfte angewiesen war. Der Bundesstaat Vermont verbot als erster 1777 per Gesetz die Sklaverei, gefolgt von Massachusetts, New Hampshire und anderen nördlichen Bundesstaaten wie New York. Die Afroamerikaner wurden aber im Norden auch nach der Abschaffung der Sklaverei weiterhin diskriminiert und keineswegs als gleichberechtigte Mitglieder der Menschheitsfamilie behandelt. Afroamerikaner seien »Geschöpfe einer so niedrigen Ordnung, dass sie keine Rechte haben, die ein Weißer respektieren müsse«, erklärte noch 1858 das Oberste Gericht in einem höchst umstrittenen Urteil. Auch dort, wo die Sklaverei abgeschafft war, galten die Schwarzen wie im Apartheidsystem in Südafrika als Bürger zweiter Klasse. Sie durften nicht wählen, nicht vor Gericht als Zeugen auftreten, nicht außerhalb ihrer Rasse heiraten und nicht in Gegenden wohnen, die mehrheitlich von Weißen besiedelt waren. Viele Schwarze hausten in separaten Elendsvierteln in größter Armut. Vor allem afroamerikanische Kinder lebten im Norden zudem mit dem Risiko, dass sie entführt, in den Süden gebracht und dort als Sklaven verkauft wurden.111
Bürgerkrieg und Abschaffung der Sklaverei 1865
Im Gegensatz zum Norden lehnten die südlichen Bundesstaaten eine Abschaffung der Sklaverei kategorisch ab. Die Plantagenbesitzer in Virginia, South Carolina, Georgia, Alabama, Mississippi und Louisiana hatten dafür handfeste Gründe, denn um 1860 arbeiteten in jedem dieser Bundesstaaten rund 400000 Sklaven. Der auf Sklavenarbeit basierende Reisanbau und die Baumwollproduktion waren zu kapitalintensiven und profitablen Wirtschaftszweigen aufgestiegen. Als Abraham Lincoln, ein erklärter Gegner der Sklaverei, am 6. November 1860 zum Präsidenten gewählt wurde, kam es zur dramatischen Spaltung der USA. Die sklavenhaltenden Südstaaten traten aus den USA aus und gründeten ihr eigenes Land, das sie die »Konföderierten Staaten von Amerika« nannten (Confederate States of America, CSA). Als Milizen aus den Südstaaten im April 1861 den Armeestützpunkt Fort Sumter angriffen, brach der Bürgerkrieg aus.
Im Amerikanischen Bürgerkrieg von 1861 bis 1865 kämpften die Truppen der Nordstaaten gegen die Südstaaten. Als Oberbefehlshaber der Armee schenkte Präsident Lincoln im September 1862 allen Sklaven in den rebellierenden Südstaaten per Dekret die Freiheit und schwächte dadurch die CSA. Es war ein äußerst blutiger Krieg, weil beide Seiten auch die Zivilbevölkerung angriffen. Zudem wurden erstmalig in der westlichen Kriegsgeschichte Landminen, Torpedos, Panzerschiffe, Maschinengewehre und sogar das allererste U-Boot eingesetzt. Der Krieg dauerte fünf Jahre und forderte über 600000 Tote. Der Bürgerkrieg zählt damit mehr US-Opfer als jeder andere Krieg, in den die USA involviert waren.
Einige US-Amerikaner protestierten gegen den Bürgerkrieg. »Krieg ist falsch, er war gestern falsch, er ist heute falsch, und er wird morgen falsch sein«, erklärte der Schriftsteller Ezra Heywood 1863. Als Mitglied der kleinen US-Friedensbewegung setzte sich Heywood für die Abschaffung der Sklaverei und die Einführung des Stimmrechtes für Frauen ein und lehnte Gewalt grundsätzlich ab. »Mord ist das größte Verbrechen, das ein Mensch begehen kann. Und Krieg ist Mord, multipliziert durch die Mehrheit. Nach welcher Ethik ist ein einzelner Mann ein Krimineller, während die Masse Helden sind?«, fragte Heywood, dessen Glaube im Christentum verwurzelt war. »Selbstverteidigung ist richtig. Aber wie viel von ihrem Selbst können sie retten? Das Selbst besteht aus dem Körper und der Seele. Wenn sie ihr Leben retten durch Sünde, verlieren sie ihre Seele. Wenn sie ihr Leben verlieren, weil sie der Wahrheit treu bleiben, retten sie ihre Seele. Ich habe mich entschieden, meiner Seele treu zu bleiben.«112
Doch die Mehrheit hörte nicht auf die Friedensbewegung und führte Krieg. Der US-Historiker Alan Dawley glaubt, dass, wenn der Bürgerkrieg nicht eine ganze Generation von jungen Männern dahingerafft hätte, die Arbeiterbewegung dann im industrialisierten Norden militant gegen ihre Arbeitgeber vorgegangen wäre und einen Klassenkampf geführt hätte. Denn tatsächlich gab es große Spannungen zwischen der reichen Oberschicht und den Arbeitern. Zu den am meisten gehassten Arbeitgebern gehörte der kapitalistische Raubritter Jay Gould, Herr über ein 24000 Kilometer langes Eisenbahnnetz. Gegenüber der Unterschicht hatte Gould nur Verachtung übrig und erklärte: »Ich kann die eine Hälfte der Arbeiterklasse einstellen, um die andere Hälfte der Arbeiterklasse zu erschießen.«113
Nach dem Bürgerkrieg wurden die Südstaaten wieder in die USA aufgenommen und die Konföderierten Staaten von Amerika aufgelöst. Abraham Lincoln wurde im letzten Kriegsjahr erneut zum Präsidenten gewählt und erklärte in seiner Antrittsrede zu seiner zweiten Amtszeit, dass er auf Frieden hoffe, innerhalb der USA, aber auch mit allen anderen Ländern der Welt. »Lasst uns für jene sorgen, die gekämpft haben, und auch für ihre Witwen und Waisenkinder«, so Lincoln. »Lasst uns alles tun, das zu einem gerechten und andauernden Frieden führt unter uns und mit allen Ländern.« Doch den universellen Frieden, den er wünschte, erlebte Präsident Lincoln nicht. Als er am 14. April 1865 zusammen mit seiner Frau ein Theater in Washington besuchte, wurde er von einem fanatischen Sympathisanten der Südstaaten mit einer Pistole von hinten erschossen.114
Nach Beendigung des Bürgerkrieges wurde mit der Verabschiedung des 13. Zusatzartikels zur Verfassung 1865 die Sklaverei auf dem gesamten Gebiet der Vereinigten Staaten endgültig und für immer abgeschafft. Der Zusatz erklärte: »Weder Sklaverei noch Zwangsdienstbarkeit darf, außer als Strafe für ein Verbrechen, dessen die betreffende Person in einem ordentlichen Verfahren für schuldig befunden worden ist, in den Vereinigten Staaten oder in irgendeinem Gebiet unter ihrer Gesetzeshoheit bestehen.« Damit waren erstmals in der Geschichte der USA schwarze und weiße Männer vor dem Gesetz gleichgestellt, nicht jedoch Frauen und Indianer.115
Der Ku-Klux-Klan will die Vorherrschaft der Weißen
Auch nach der Abschaffung der Sklaverei arbeiteten viele ehemalige Sklaven als Pächter weiter auf den Baumwoll- und Tabakfeldern in den Südstaaten. Es wurde eine strikte Rassentrennung eingeführt, die weitere