Der neue Sonnenwinkel Box 2 – Familienroman. Michaela Dornberg. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michaela Dornberg
Издательство: Bookwire
Серия: Der neue Sonnenwinkel
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740928636
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Schachclub beigetreten.«

      »Das freut mich, Mama«, sagte Inge, und das tat es wirklich. Als Kind hatte sie viel und gern mit ihrem Vater Schach gespielt.

      »Mich auch«, bestätigte Teresa. »Also, überleg es dir. Und denk darüber nach, diesen Zwischenfall der Polizei zu melden.«

      Nach diesen Worten ging Teresa von Roth davon, hochaufgerichtet, stolz, für ihr Alter war sie erstaunlich gut zu Fuß.

      Inge sah ihrer Mutter nach, bis sie um die Ecke verschwunden war, dann ging sie zum Haus zurück, und dort kramte sie, was ziemlich mühsam war, die Schnipsel der Visitenkarte, aus der Mülltonne hervor.

      Sie wusste noch nicht, ob sie zur Polizei gehen würde, aber ihre Mutter besaß eine ganz hervorragende Menschenkenntnis.

      Den Wirt vom ›Seeblick‹ schloss sie kategorisch aus, und bei diesem Mann war ihr sofort etwas eingefallen.

      Sie musste nichts überstürzen, dachte Inge, als sie sich in Richtung ihres eigenen Hauses bewegte.

      Aber doch, überstürzen musste sie schon etwas, nämlich sich gewaltig sputen, um rechtzeitig das Mittagessen auf den Tisch zu bringen.

      Heute sollte es Königsberger Klopse mit einer feinen Kapernsauce geben, dazu allerdings Reis statt der üblichen Kartoffeln.

      So hatte Hannes es sich gewünscht, als Abschiedsessen gewissermaßen. Inge kam es allerdings vor wie eine Henkersmahlzeit, mit einem Unterschied – es wurde niemand hingerichtet, aber Hannes würde ans andere Ende der Welt fliegen, niemand wusste, für wie lange. Und das war für Inge ganz, ganz schlimm. Es war ein Abschied, und sie konnte nur beten, dass es nicht für immer sein würde.

      Australien …

      Das war so weit weg, niemand wusste eigentlich viel über dieses Land, und auch wenn sich da irgend so ein Kronprinz seine Frau da her geholt hatte. Na und? Dafür konnte sie sich nichts kaufen.

      Sie war so unendlich traurig, und es war schlimm, dass sie das keinem so recht zeigen konnte. Ihre Eltern fanden es toll, auf ihre anderen Kinder konnte sie nicht zählen, auch die waren begeistert, bis auf Bambi natürlich, die war noch ärger dran als sie. Und selbst Werner fand es plötzlich nicht mehr so schlimm. Er war den Einflüsterungen der ­anderen erlegen.

      Hannes war so hoffnungsfroh, dem konnte sie nun überhaupt nichts vorjammern. Es fiel ihr sehr schwer, fröhlich und entspannt zu sein. Und auch wenn sie ihren Sohn jetzt auf Teufel komm raus bekochte. Ihn machte es glücklich, und das war das einzig Gute.

      *

      Rosmarie Rückert war sehr zwiegespalten. Zum ersten Mal in ihrem Leben. Sie war nicht dumm, sie sah ihre Felle davonschwimmen. Aber sie war einfach nicht bereit, klein beizugeben.

      Das hatte sie noch nie getan. Das war eine Schwäche dieser Person gegenüber. Die würde dann doch triumphieren, sie auch auf ihre Seite gezogen zu haben.

      Irgendwie flog ihr derzeit alles um die Ohren.

      Was war bloß los?

      Wenn sie nicht wüsste, dass es sich um seine Tochter handelte, könnte Rosmarie glauben, Heinz sei verliebt. Er hatte ein paar Kilo abgenommen, war fröhlich und entspannt.

      Und Stella und Fabian?

      Ihre Stimmung sank noch tiefer, wenn sie an ihre Kinder dachte.

      Stella und Familie waren aus dem Urlaub zurück, ebenso ihr Sohn Fabian samt Anhang. Sah man mal von dem unglücklichen Zusammentreffen mit Stella ab, hatte es lediglich kurze Anrufe gegeben, in denen ihr die Urlaubsrückkehr mitgeteilt wurde. Mehr nicht.

      Gut, von Fabian konnte sie nicht viel erwarten. Er war schon immer der Schwierigere gewesen, und er hielt den Kontakt nur, weil sie seine Mutter war.

      Aber Stella, die hatte sie immer um den Finger wickeln können, und die war Wachs darin gewesen. Stella war ganz schön aufmüpfig geworden, und daran war diese Cecile schuld.

      Rosmarie wollte sich nicht eingestehen, dass das ziemlich an den Haaren herbeigezogen war. Sie hatte sich Cecile ausgeguckt, und die musste jetzt für alles herhalten, was in Rosmaries Leben querlief.

      Den Fehler bei sich suchen?

      Oh nein!

      Dazu war sie nicht bereit.

      Rosmarie entschied immer, wo es längs gehen sollte. Heute allerdings war sie verunsichert.

      Um Ruhe zu haben, und auch, um ihren guten Willen zu zeigen, hatte sie sich bereiterklärt, diese Person endlich kennenzulernen.

      Heinz hatte sie mit Dackelblick angesehen und gebeten, es doch endlich zuzulassen, Fabian und Stella hatten sie praktisch dazu gedrängt.

      Rosmarie ärgerte sich über sich selbst.

      Warum hatte sie nicht einfach gesagt, dass sie sich nicht vor den Karren dieser unmöglichen Person spannen lassen wollte?

      Von wegen, sie doch unbedingt kennenlernen zu wollen.

      Da konnte man doch dran fühlen, dass es nicht um sie ging, sondern dass sie als letztes Bollwerk quasi geknackt werden sollte.

      Wie kam sie aus der Sache raus?

      Sie musste sich etwas einfallen lassen, vor allem etwas, was glaubwürdig war. Aber was?

      Heinz, Fabian und Stella waren nicht blöd, die würden alles durchschauen.

      Krank sein?

      Ja, das war eine sehr gute Idee. Aber sie konnte unmöglich zu ihrem Hausarzt gehen, auch zu niemandem hier in Hohenborn.

      Der Sonnenwinkel …

      Ja, da gab es doch diese Ärztin, von der alle begeistert waren.

      Wie hieß sie noch?

      Ja, richtig, Steinfeld, Doktor Roberta Steinfeld.

      Da würde sie gleich anrufen und für heute einen Termin machen. Sie musste am Telefon nur richtig jammern, und das konnte sie, da war sie beinahe bühnenreif, da machte niemand ihr etwas vor.

      Sie atmete auf, war von ihrer Idee ganz begeistert und setzte sie auch sofort in die Tat um.

      Wenig später legte sie tri­umphierend den Telefonhörer weg.

      Es hatte geklappt. Sie hatte den Termin. Vor der Ärztin würde sie auch ein wenig schauspielern, und dann musste sie nicht zu dem Treffen mit dieser verhassten Cecile gehen, und niemand konnte ihr etwas vorwerfen.

      Am liebsten hätte sie jetzt vor lauter Freude ein Gläschen Champagner getrunken. Ging nicht, sie musste Auto fahren, und mit einer Fahne bei der Ärztin ankommen, das ging auch nicht.

      Rosmarie ging in ihr Badezimmer, und dort entfernte sie erst einmal ihre ›Kriegsbemalung‹. Geschminkt und zurechtgemacht sah sie strahlend aus, da würde ihr niemand eine Krankheit abnehmen, die sie zum Glück ja auch nicht hatte.

      Rosmarie wischte alles weg, und als sie sich so ungeschminkt im Spiegel erblickte, kam der Leidensdruck darauf ganz von selbst.

      Sie sah schrecklich aus und konnte nur hoffen, dass niemand, den sie kannte, sie so sehen würde. Man würde sie nicht wiedererkennen, und sie würde sich zu Tode schämen, so auf die Menschheit losgelassen zu werden.

      Sie würde die Frauen, die naturbelassen durchs Leben gingen, niemals verstehen. Auch Inge Auerbach würde um vieles besser aussehen, wenn sie wenigstens ein wenig Rouge auflegen würde. Und zum Lippenstift zu greifen, würde ebenfalls nicht schaden.

      Rosmarie Rückert warf einen letzten Blick in den Spiegel, ehe sie sich entsetzt abwandte.

      So, wie sie jetzt aussah, auf die Straße zu gehen, das grenzte ja beinahe schon an Körperverletzung.

      Aber da musste sie jetzt durch. Sie hatte keine andere Wahl.

      Um diese Cecile nicht treffen zu müssen, würde sie sich sogar ein blaues Auge verpassen lassen.

      Rosmarie konnte ihren Zorn kaum bändigen.