Der neue Sonnenwinkel Box 2 – Familienroman. Michaela Dornberg. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michaela Dornberg
Издательство: Bookwire
Серия: Der neue Sonnenwinkel
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740928636
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mit der Rosmarie Rückert war etwas geschehen.

      Jemand hatte bei ihr einen Hebel umgedreht, ihr aber keine Gebrauchsanweisung dazu gegeben, in welche Richtung es gehen würde.

      *

      Alle waren sie darauf vorbereitet, doch als der Tag kam, an dem Hannes seine Reise nach Australien antreten würde, nahm es sie alle mit. Selbst Hannes, und er konnte jetzt auch nicht mehr den Coolen spielen.

      Es war in seinem Elternhaus wunderschön gewesen, es hatte gutgetan, seine Geschwister, deren Partner, vor allem seine Nichten und Neffen wiederzusehen. Und auch mit seinen alten Kumpels abzuhängen, hatte Freude bereitet.

      Nicht zu vergessen seine Eltern und vor allem auch seine Großeltern. Sie waren schon alt, und auch wenn sie sehr rüstig waren, befanden sie sich auf einer Einbahnstraße, die irgendwann zum Ende führte. Oma und Opa konnten nicht, wie er, auf viele Jahre im Voraus planen. Eigentlich sollte man das nie, denn es konnte jeden erwischen.

      Vielleicht war Hannes augenblicklich auch besonders verletzlich, weil er von einem neuseeländischen Freund gehört hatte, mit dem er lange in Südostasien unterwegs gewesen war. Ein smarter, lustiger Typ, wagemutig und hungrig auf Leben. Er hatte Erfahrung als Bergsteiger, war auf einem der spektakulären Gipfel des Himalaja gewesen, hatte vor nichts Angst. Ausgerechnet dieser Mann war in Hongkong, als er ganz brav an einer Ampel gestanden und auf grün gewartet hatte, von einem Autofahrer erwischt worden, der die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren hatte. Malcolm war sofort tot gewesen und mit ihm all seine Träume.

      Hannes wusste nicht, warum er gerade jetzt an Malcolm denken musste, warum er gerade jetzt so sentimental war. Lag es daran, weil Bambi sich an ihn klammerte und ihn überhaupt nicht mehr loslassen wollte? ­Seine kleine Schwester würde er am meisten vermissen, weil mit ihr seine glückliche Kindheit wieder wachgeworden war, und ihre anhängliche Treue hatte natürlich seinem Ego auch gutgetan.

      Jetzt machte Hannes sich aus ihrer Umklammerung frei.

      »Bambi, wir müssen jetzt losfahren, sonst verpasse ich meinen Flieger. Aber ich sage dir noch mal, komm doch mit. Dann können wir noch etwas länger beisammen sein. Sieh mal, ich werde mit großem Bahnhof verabschiedet. Oma und Opa kommen mit, Mama und Papa sowieso, und am Flughafen warten Ricky und Jörg mit ihren Familien. Das wird bestimmt lustig.«

      Bambi wischte sich die Tränen weg und sah ihren Bruder, den sie über alles liebte, klagend an.

      »Hannes, was kann daran lustig sein? Es ist doch keine Party, du fährst weg, und wohin du gehst, das ist nicht gerade um die Ecke. Ich finde es schrecklich.«

      »Nun gut, Bambi, dann nicht lustig. Aber freust du dich denn nicht, alle wiederzusehen?«

      Es hatte keinen Zweck, Hannes ließ es bleiben. Ihm war klar, dass alles, was er jetzt sagte, ein Gegenargument finden würde.

      Eines versuchte er allerdings doch noch einmal.

      »Bambi, wenn du mitfährst, können wir die ganze Zeit nebeneinander sitzen, uns unterhalten oder aber einfach nur miteinander schweigen und einander spüren.«

      Bambi schüttelte entschieden den Kopf.

      Magnus und Teresa von Roth waren schon vorausgefahren, sie liebten es, eher gemütlich zu fahren.

      Und Werner Auerbach drängte: »Nun wird es aber wirklich allerhöchste Zeit. Wir kommen in die Rushhour. Wenn wir jetzt nicht losfahren, kann ich für nichts garantieren.«

      Inge, die sich eh zusammenreißen musste, um jetzt nicht zu weinen, weil ihr Herz so schwer war, war ein wenig ungehalten, als sie sagte: »Mein Gott noch mal, Bambi, dann komm doch mit. Auch wenn es traurig ist, dass Hannes uns verlässt, kann er seinen Flieger nicht verpassen. Er hat einen Flug zu einem Sonderpreis ergattert, der eine Menge weniger kostet, der aber den Nachteil hat, dass er nicht umgebucht werden kann, sondern verfällt.«

      Bambi sagte nichts.

      »Im Flughafen gibt es eine Menge Geschäfte, wenn du mitkommst, kannst du dir etwas aussuchen«, versuchte Inge ihre Tochter zu locken.

      Es war schrecklich, wie sehr Bambi litt.

      »Ich bleibe hier«, sagte sie, »Hannes, ich wünsche dir einen guten Flug, ich wünsche dir auch Glück, und denk mal an mich und alle hier im Sonnenwinkel.«

      Nach diesen Worten rannte sie davon, Hannes wollte ihr hinterherlaufen, doch in diesem Augenblick hupte Werner, und Inge rief nervös: »Lass sie, sie ist jetzt einfach nur sehr traurig, aber sie wird sich wieder beruhigen.«

      Werner hupte erneut, und jetzt stiegen Inge und Hannes in das Auto, und Werner fuhr los.

      »Hoffentlich reicht die Zeit«, sagte er. »Aber meine Schuld ist es nicht. Bambi übertreibt ein wenig. Uns fällt es doch allen schwer, Abschied von Hannes zu nehmen. Und wenn ich daran denke …«

      »Lass es gut sein, Werner«, unterbrach Inge Auerbach ihren Mann. Manchmal konnte Werner sich an Nichtigkeiten aufhalten.

      »Wir sind noch sehr gut in der Zeit«, wandte Hannes ein.

      »Ich möchte euch was sagen, was mir sehr wichtig ist. Ihr seid ganz großartige Eltern, die ich über alles liebe. Ich bin stolz, euer Sohn zu sein. Und wenn es euch beruhigt, dann kann ich euch sagen, ich werde alles tun, damit ihr auch stolz auf mich seid.«

      Werner war ganz gerührt, und Inge, die konnte nicht anders. Sie hatte eh schon die ganze Zeit über dicht am Wasser gebaut. Sie fing an zu schluchzen. Und da vermischte sich alles miteinander, Trennungsschmerz, Stolz und unendlich viel Liebe für ihren Sohn Hannes.

      *

      Bambi sah mit tränenverschleiertem Blick dem Auto nach und war sich auf einmal nicht mehr sicher, ob es nicht besser gewesen wäre, mit zum Flughafen zu fahren. Dann hätte sie Hannes noch ein wenig länger gehabt.

      Jetzt war es zu spät, und sie musste nun nicht länger darüber nachdenken, was richtig und was falsch war. Hannes war weg, und es brach ihr beinahe das Herz.

      Sie ging ins Haus zurück, in der Küche sah sie noch die Tasse, aus der er seinen letzten Kakao getrunken hatte, auf dem Teller entdeckte sie Krümel seines Croissants.

      Eigentlich war sie in die Küche gegangen, um sich etwas aus der Keksdose zu holen. Jetzt überfluteten sie die Erinnerungen.

      Beinahe fluchtartig lief sie hinaus, stolperte die Treppe hinauf. Sie wusste, dass es verkehrt war, doch sie konnte nicht anders. Sie musste noch einmal in sein Zimmer, um ihm nahe zu sein, um endgültig Abschied zu nehmen. Es war ein Abschied für eine lange, lange Zeit. Einer für immer? Oh nein, daran wollte Bambi nicht denken.

      Alles sah so aus, als käme Hannes jeden Moment wieder hinein, denn er hatte nur die Sachen aus seinem Schrank mitgenommen, nicht alle.

      Bambi entdeckte etwas Weißes, ging darauf zu, hob es auf. Es war eines seiner T-Shirts. Hatte er es vergessen? Wollte er es nicht mehr haben?

      »I’m cool«, stand darauf.

      Oh ja, das war er, ihr Hannes. Bambi presste das Shirt ganz fest an sich, dann lief sie hinaus. Es war keine gute Idee gewesen, herzukommen. Ihr Schmerz war noch zu frisch.

      Wäre sie bloß mitgefahren!

      Das quälte sie so sehr, dass sie das Haus verließ, eilig durch den Garten lief, ganz bis zum Ende, und dort kletterte sie hinauf ins Baumhaus.

      Luna spielte unten voller Freude mit einem kleinen roten Ball, und sie verkroch sich ganz weit nach hinten in eine Ecke, machte sich ganz klein und presste das T-Shirt fest an sich.

      Das machte sie immer, wenn sie mit etwas nicht fertig wurde, wenn sie traurig war.

      Das war so, seit sie zurückdenken konnte. Früher war dann immer Hannes zu ihr heraufgeklettert, hatte sie getröstet oder aber sie hatten hier oben einfach nur abgehangen.

      Das war auch so nach seiner Rückkehr von der Weltreise gewesen, und deswegen war es überhaupt keine gute Idee, hergekommen zu sein, denn Hannes würde nicht kommen.

      Als