Der neue Sonnenwinkel Box 2 – Familienroman. Michaela Dornberg. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michaela Dornberg
Издательство: Bookwire
Серия: Der neue Sonnenwinkel
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740928636
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durcheinander, und es dauerte lange, bis sie wieder klar war. Und da rief sie Ursel Hellenbrink an, um die Sprechstunde abzusagen. Es ging nicht anders.

      »Frau Doktor, Sie werden es doch hoffentlich nicht der guten Frau Münster gleichgemacht haben und wie eine Rockerbraut durch die Gegend gefahren sein? Das wäre kein gutes Beispiel, und Sie scheinen offensichtlich nicht so viel Glück zu haben wie Frau Münster.«

      Diese Worte klangen noch in Roberta nach, als das Gespräch längst schon beendet war.

      Wenn die Gute wüsste, dass es sich nicht um ein banales Verkehrsdelikt handelte, sondern um eine Schadensersatzklage.

      Roberta sprang auf, wanderte unruhig durch ihr Wohnzimmer, zermarterte sich den Kopf.

      Nichts machte Sinn.

      Am liebsten hätte sie jetzt einen doppelten Cognac getrunken oder einen Grappa oder sonst etwas Hochprozentiges. Das verkniff sie sich. Erst einmal war das eh nicht ihr Ding, außerdem brauchte sie einen klaren Kopf.

      Sie hatte sich einen spannenden Fernsehkrimi ansehen wollen, danach stand ihr der Sinn nicht mehr. Der stand ihr eigentlich nach überhaupt nichts. Sie war nur panisch, und das bedeutete schon etwas bei einer Frau, die eigentlich die Besonnenheit in Person war.

      *

      Als Roberta am nächsten Morgen beim Gericht ankam, fühlte sie sich wie gerädert, und auch zwei große Becher Kaffee hatten sie nicht auf die Beine gebracht.

      Natürlich hatte sie die ganze Nacht nicht geschlafen, und entsprechend sah sie aus.

      Das spärliche Licht auf dem Gerichtsflur verstärkte diesen Eindruck noch.

      Max war offensichtlich ebenfalls geladen, er stand bereits in Begleitung von drei Anwälten vor der Tür des Raumes, in dem die Verhandlung stattfinden sollte.

      Er grinste sie unverschämt an, dann begann er mit seinen Anwälten zu flüstern. Er schien sehr siegesgewiss zu sein.

      Und das verstärkte Robertas Unsicherheit noch mehr. Wenn sie wenigstens einen Anwalt hätte!

      Vielleicht hätte sie die Verhandlung vertagen lassen sollen. Für solche Überlegungen war es zu spät.

      Es waren auch noch andere Leute da, die sie neugierig musterten, und auch die waren mit Anwälten erschienen. Die Kläger?

      Obwohl sie sich keiner Schuld bewusst war, fühlte Roberta sich wie auf dem Schafott. Sie musste sich zusammenreißen, sich aus dieser Stimmung befreien, sonst war sie verloren.

      Sie war nicht bereit, hingerichtet zu werden. Wofür denn?

      Allmählich erwachte ihr Kampfgeist, und als sie aufgerufen wurden, war sie beherrscht und hochkonzentriert.

      Eine Richterin führte den Vorsitz, es gab zwei Beisitzer und einen Gerichtsschreiber.

      Die Richterin war eine attraktive Frau, und es war unglaublich, Max versuchte sofort, seinen Charme spielen zu lassen.

      Würde sie darauf hereinfallen?

      Die Verhandlung begann, es wurde in der Sache verlesen, und dann begriff Roberta, dass Max die beiden Prozesse wegen der Behandlungsfehler verloren hatte, dass er jetzt zur Kasse gebeten werden sollte.

      Aber warum war sie hier? Das sollte Roberta sehr schnell erfahren, und sie brauchte eine Weile, um diese Unverschämtheit zu begreifen, die sich nur ein gemeines, krankes Hirn ausdenken konnte.

      Max hatte es so hingestellt, dass er die Praxis nur kommissarisch geführt hatte, dass sie nach wie vor Roberta gehörte, ihr allein. Und er sei schuldig, was die Behandlungsfehler anbelangte, dass es für die Ärzte aber eine Vertragsklausel gäbe, die besagte, dass die Praxis in Prozessen die Kosten übernähme.

      Er habe einen solchen Vertrag, und deswegen sei Frau Doktor Roberta Steinfeld nun zuständig.

      Es war ein schlechter Film, ein schlimmer Traum, aus dem sie erwachen musste.

      Er war es nicht, das machte die kalte Stimme der Richterin deutlich.

      Roberta gab zu, dass es früher so gewesen sei, vor ihrer Scheidung, dass ihr Exmann die Praxis mit allen Verträgen übernommen habe.

      Max grinste, mischte sich ein und sagte, dass es nicht zutreffend sei, er habe sich nur um die Praxis gekümmert, weil seine Frau, er sagte das tatsächlich, sich anderweitig verwirklichen wollte.

      »Es ist ihr über den Kopf gewachsen, Frau Vorsitzende«, sagte er, »die Praxis war eine Nummer zu groß für sie. Ich habe mein Bestes getan. Aber natürlich überforderte mich das auch, denn sonst wären mir, als einem erfahrenem Arzt, diese Fehler niemals passiert.«

      Ach, auch daran sollte sie schuld sein?

      Roberta zwang sich, ganz ruhig zu sein. Das kostete unglaublich viel Kraft, doch musste sie da jetzt durch. Sie erzählte, dass sie die gesamte Praxis an ihren Exmann übergeben habe, ohne Gegenforderungen zu stellen.

      »Entschuldigen Sie bitte, dass ich mich einmische, Frau Vorsitzende«, schon wieder war es Max, der sich einfach einmischte.

      »Dann müsste es ja wohl auch einen Vertrag geben, oder?«, bemerkte er.

      Roberta wurde blass, sie spürte, wie ihr Herzschlag sich beschleunigte. Darauf wollte er hinaus?

      Es gab einen Vertrag.

      Max hatte sie überredet, wegen der unnötigen Anwaltskosten die Praxis aus dem Scheidungsverfahren herauszunehmen. Und sie hatte sich damit einverstanden erklärt. Sie war damals eh nicht bei sich gewesen, enttäuscht, verletzt, unglücklich!

      Es hatte einen Vertrag gegeben, in einfacher Ausfertigung, nur von ihnen beiden unterschrieben.

      Roberta konnte sich nicht mehr erinnern, warum sie damit einverstanden gewesen war, wie gesagt, es war vieles schiefgelaufen.

      So siegessicher, wie Max sich jetzt benahm, war davon auszugehen, dass er den Vertrag vernichtet hatte und nun glaubte, mit allem aus dem Schneider zu sein.

      Es war so widerwärtig!

      Es ekelte sie an, ihn sich anzusehen in seiner überheblichen Dreistigkeit.

      Und so etwas hatte sie einmal geliebt!

      Die Vorsitzende sah sie erwartungsvoll an.

      Und Roberta gratulierte sich insgeheim, in dieser schwierigen damaligen Zeit wenigstens einen Geistesblitz gehabt zu haben.

      Als Max damals kurzfristig abberufen worden war, hatte sie den Vertrag unbemerkt kopiert.

      Als wenn sie es geahnt hätte, dass sie ihn noch einmal benötigen würde.

      Und sie gratulierte sich noch zu etwas, nämlich, dass sie in der Frühe den Ordner mit allen wichtigen Unterlagen mitgenommen hatte.

      »Es gibt einen Vertrag«, sagte Roberta.

      Als sie zu Max blickte, sah sie, wie der sich verfärbte, aufsprang und sagte: »Ausgeschlossen.«

      Ja, für ihn war es ausgeschlossen, weil er den einzigen Vertrag nicht mehr hatte.

      Roberta blätterte in der Akte, zog den Vertrag hervor, dann brachte sie ihn zum Richtertisch.

      »Es ist nur eine Kopie, die ich mir zum Glück gemacht habe, obwohl mein Exmann auf nur einem einzigen Original bestand. Ich vermute, dass er es vernichtet hat.«

      Und dann packte sie aus. Sie musste auf nichts und niemanden mehr Rücksicht nehmen. Sie sprach von der schmutzigen Scheidungsschlacht, die Versuche von Max, sie wieder an Bord zu holen, sie sprach von seinen Drohungen, und zum Schluss sagte sie: »Im Sonnenwinkel bin ich gelandet, weil ich mir eine neue Existenz aufbauen musste. Und dass es gerade dort war, lag daran, weil ein ehemaliger Kommilitone mir seine Praxis angeboten hatte, die frei geworden war, weil er samt Familie nach Amerika ausgewandert ist.«

      Sie brachte noch mehr Belege nach vorn.

      Glaubte man ihr?

      Max und seine Anwälte steckten