Carter ließ sich abspeisen. Mike Rander aber zerbrach sich den Kopf über eine junge Dame namens May Clark. Hatte sie sich für ein Doppelspiel entschieden?
*
Die Nixe – sie trug knappe, gut gefüllte Shorts und eine ärmellose Bluse, die unter der Brust hochgebunden und verknotet war – kam zu sich und fuhr sich stöhnend über die rechte Kopfseite.
„Falls Sie Hilfe brauchen, Madam, lassen Sie es mich, bitte, wissen.“ Parker nickte der jungen Dame freundlich, aber dennoch reserviert zu und deutete auf eine kojenähnliche Liege. „Vielleicht empfiehlt es sich, ein wenig der Ruhe Zu pflegen. Ihr Sturz hinunter in die Kabine ist keineswegs als eine Harmlosigkeit zu bezeichnen.“
Sie stand vorsichtig und langsam auf, rieb sich die schmerzende Kopfseite und schielte dabei bereits nach dem Kappmesser, das noch auf dem Boden lag.
„Ich fürchte, Sie werden für eine gewisse Zeit zusammen mit meiner bescheidenen Wenigkeit in der Kabine bleiben müssen. Dort oben an Deck scheint man mir nicht sonderlich hold zu sein.“
„Glauben Sie, das hier lange durchhalten zu können?“ fragte sie und setzte sich auf den Rand der Koje. Sie tat so, als interessiere sie sich nicht mehr für das Kappmesser.
„Ich glaube nicht, daß man meine bescheidene Person so ohne weiteres zurück an Deck holen kann, Madam!“ Während Parker sprach, blickte er kurz auf die Maschinenpistole, die sich in seinen Händen befand.
„Wollen Sie mich etwa als Druckmittel einsetzen?“ Sie lachte leise auf.
„Dies würde ich mir niemals erlauben, Madam.“
„Warum vergleichen Sie sich nicht mit meinen Freunden?“
„Dieser Vergleich würde wohl sehr einseitig ausfallen, fürchte ich.“
„Er ist und bleibt Ihre einzige Chance. Sie sah plötzlich ungemein schnell zur Seite und wollte den Butler ablenken. Dann warf sie sich gekonnt auf den Boden und langte nach dem Kappmesser. Sie erwies sich als sehnig und sportgestählt.
Ihre Hände griffen ins Leere!
Parker hatte das begehrte Kappmesser mit der Schuhspitze in die Tiefe der Kabine gekickt. Es landete unter einem Klapptisch und war für die Nixe vorerst unerreichbar.
Sie steckte nicht auf!
Sie schnellte sich hoch und wollte dem Butler das Gesicht zerkratzen.
„Ich fürchte, ich werde Sie etwas zur Vernunft bringen müssen“, sagte Parker und drückte sie vorsichtig von sich. Doch die temperamentvolle Nixe steckte nicht auf. Sie warf sich erneut vor und versuchte es mit einem weiteren Angriff.
Parker trat geschickt wie ein Torero zur Seite. Die Nixe schoß an ihm vorbei und landete mit dem Kopf zuerst in der kleinen Kombüse. Sie rammte den Kühlschrank, seufzte fast wohlig auf und rutschte zu Boden.
„Ich muß feststellen, daß Ihre Erziehung nicht als abgerundet und perfekt bezeichnet werden kann“, tadelte der Butler. Dann legte er die junge Dame, die im Moment geistig abwesend war, auf die Koje und wurde abgelenkt, da auf dem Niedergang katzenhaft schleichende Schritte zu hören waren.
Ein paar Schüsse aus der Maschinenpistole sorgten für Ruhe. Die Schritte waren plötzlich nicht mehr zu hören. Parker wandte sich seinem weiblichen Gast zu und suchte nach geeigneten Mitteln, um ihr die Hände zu binden. Er wollte vorerst nicht unnötig abgelenkt werden.
„Parker. Parker!?“ Die Stimme gehörte Bantam.
„Was kann ich für Sie tun?“ rief der Butler mit leicht erhobener Stimme zurück.
„Wir haben Ihnen einen Vorschlag zu machen.“
„Ich werde mit Interesse zuhören.“
„Stecken Sie auf. Dafür geben wir Ihnen eine echte Chance.“
„Und diese erwähnte Chance soll wie aussehen, Mister Bantam?“
Parker antwortete, doch seine Konzentration galt dem Skylight, einem vergitterten Fenster im Dach des Kabinenaufbaus. Man wollte ihn ablenken und hereinlegen. Es galt, auf der Hut zu sein.
Was sich wenige Sekunden später auch prompt lohnte.
Eine Hand erschien, die einen Revolverknauf in den Fingern hielt. Die dicke Scheibe platzte unter der Wucht des Dreinschlagens auseinander und löste sich auf. Gleichzeitig feuerte eine zweite Waffe hinunter in die Kabine.
Parker schätzte dies nicht sonderlich, auch wenn er nicht in akute Gefahr geriet. Er beschloß, zur Strafe und Erziehung der Gangster, die Motoryacht anzubohren. Gewissen Menschen mußte man eben nachdrücklich in Sachen Erziehung nachhelfen.
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Unter den Geschoßgarben aus der Maschinenpistole zersplitterte der Kunststoffrumpf der Motoryacht.
Wasserfluten schossen in die Kabine und füllten den Raum auf. Die Nixe, die wieder zu sich gekommen war, starrte den Butler völlig entgeistert an. Sie war vor Schreck wie gelähmt.
„Was – was machen Sie denn?“ rief sie plötzlich mit heiserer, fast erstickter Stimme, „wir ertrinken doch wie die Ratten.“
„Ihren durchaus unpassenden und völlig unfeinen Vergleich muß ich entschieden zurückweisen“, tadelte Parker, ohne sich aber aus der Ruhe bringen zu lassen. Er deutete nach vorn ins Boot und fügte hinzu: „Sie brauchen sich nur zu bedienen, Madam. Ich bin sicher, daß Sie mit einem Tauchgerät umzugehen verstehen.“
Die Nixe verstand endlich und erwachte aus ihrer körperlichen Erstarrung. Sie beeilte sich, durch das schnell ansteigende Wasser zu waten und sich eine Taucherausrüstung zu besorgen. Parker hatte dies bereits getan. Auf seinem Rücken befand sich die Stahlflasche mit der Preßluft. Das Mundstück baumelte, festgehalten von den Schläuchen, vor seiner Brust.
Zufrieden stellte Parker fest, daß die Yacht bereits leichte Schlagseite zeigte. Er horchte nach oben, ohne sich weiter um die hastig arbeitende Nixe zu kümmern, die sich beeilte, die Preßluftflasche anzulegen.
An Deck waren Rufe, Schreie, Flüche und Verwünschungen zu hören. Nackte Füße trappelten und trippelten scheinbar sinnlos umher. An Deck schien sich so etwas wie ein kleines Chaos anzukündigen.
Parker sah sich nach der Nixe um.
Die junge Dame hielt ein Preßluftgewehr in der Hand, dessen eingespannte Harpune auf ihn gerichtet war. Sie lachte ihn böse an.
„Ihr Benehmen, Madam, läßt aber nun wirklich zu wünschen übrig“, sagte Parker und schüttelte andeutungsweise den Kopf, „Ihr Innenleben muß außer jeder Ordnung geraten sein.“
„Auf diesen Moment habe ich gewartet“, giftete sie ihn an und drückte los.
Parker rührte sich nicht. Er zuckte auch mit keiner Wimper. Er hatte es überhaupt nicht nötig, nervös zu reagieren, denn sicherheitshalber hatte er dem Gewehr eine geleerte Preßluftflasche zugeordnet.
Die Nixe schaute verdutzt auf das Gewehr, das nicht reagierte. Dann begriff sie, warf die Unterwasserflinte wütend in die weiter steigenden Fluten und bekam daraufhin so etwas wie einen Weinkrampf. Hatte sie endlich eingesehen, daß gegen einen Josuah Parker eben kein Kraut gewachsen war?
„Sie sollten dies nicht zu tragisch nehmen“, tröstete Parker seine an sich reizende Feindin, „vielleicht werden Sie eines Tages mehr Glück haben. Ich möchte nur wissen, wer Sie am laufenden Band, wenn ich mich so vulgär ausdrücken darf, zu diesen Mordtaten anstiftet?“
Sie konnte keine Antwort geben, denn ihr Weinkrampf verstärkte sich. Sie lehnte gegen die gefährlich schräge Kabinenwand und hatte nur mit sich selbst zu tun. Parker überließ sie also ihrem Kummer, begab sich gemessen hinüber zu einem der Bullaugen, das weit über dem in der Kabine herumschwappenden Wasser lag und sah hinaus auf den Pazifik.
Er nickte zufrieden.
Im