Sie wunderte sich, wie ruhig ihre Stimme klang, als sie bemerkte: »Max, du weißt schon, dass das Hausfriedensbruch war, was du da gemacht hast.«
»Mein Gott, Roberta, sei nicht so lehrerhaft. Und wenn es Hausfriedensbruch ist, willst du mich jetzt anzeigen? Ich würde dir davon abraten, denn damit schadest du deinem guten Ruf.«
Wie war ihr Ex denn drauf?
»Ich schade meinem guten Ruf? Max, ich bin das Opfer. Und es ist mir vollkommen gleichgültig, was die Leute sagen. Vermutlich werden sie mich bedauern, wenn sie erfahren, dass mein Exmann, der mich ausgenommen hat wie eine Weihnachtsgans, mich stalkt … schon vergessen, das hast du. Und der einfach bei mir einbricht. Max, was bist du nur für ein Mensch.«
Er grinste sie an.
»Du siehst unglaublich gut aus, wenn du wütend bist.«
Jetzt war es mit ihrer Ruhe vorbei. Glaubte er wirklich, dass sie noch einmal auf sein Gesülze hereinfallen würde?
»Max, geh jetzt, sonst rufe ich wirklich die Polizei, und das meine ich ernst.«
»Ich gehe, doch vorher brauche ich dringend zehntausend Euro, ehe ich Probleme bekomme.«
»Und da kommst du zu mir? Dafür sind normalerweise die Banken zuständig.«
»Äh, nun ja, da krieg ich augenblicklich nichts, mein Konto ist überzogen.«
Warum ließ sie sich eigentlich auf so etwas ein?
»Max, verschwinde, mit deinen Geldproblemen habe ich nichts zu tun. Wir sind geschieden, ich habe dir, um einen hässlichen Rosenkrieg zu vermeiden, fast alles überlassen, auch eine sehr gut gehende Praxis, die, als ich ging, sich vor Patienten kaum retten konnte. Du hast dich ins gemachte Nest gesetzt. Freilich hättest du anfangen müssen zu arbeiten und dich nicht als ein Halbgott in Weiß zu repräsentieren. Und du hättest dich um die Patienten kümmern müssen, anstatt hinter jeder Frau her zu sein, die nicht bei drei auf den Bäumen ist. Max, du hast alles an die Wand gefahren, und dafür bist du allein verantwortlich, ich kann dir nicht mehr helfen, und ich will es auch nicht. Und ich sage dir zum letzten Male, dass ich dich hier niemals mehr sehen will, sonst erwirke ich eine einstweilige Verfügung, in der steht, dass du dich mir nicht mehr nähern darfst. Dazu muss es nicht kommen. Wie du dich verhältst, das ist so entwürdigend. Du hast doch alles bekommen, was willst du noch?«
»Dass ich alles bekommen habe, das stimmt so nicht, den Schmuck, den ich dir geschenkt habe, den hast du behalten, und das Bild dort an der Wand, das habe ich ebenfalls gekauft.«
»Und das hast du mir zum Geburtstag geschenkt«, erinnerte sie ihn.
Wie peinlich es doch war, was er jetzt abzog. Roberta spürte Wellen der Übelkeit in sich, wenn sie daran dachte, dass sie mit diesem Mann verheiratet gewesen war, der wirklich in jeder Hinsicht schmerzfrei war.
»Warte«, sagte sie, dann rannte sie aus dem Zimmer, lief in ihr Schlafzimmer, in dem ein Safe eingebaut war, dort holte sie all den Schmuck heraus, den er ihr geschenkt hatte, sie nahm auch den heraus, denn sie sich während ihrer Ehezeit gekauft hatte und den sie doch nicht mehr trug.
Sie wickelte den Schmuck in ein graues Seidentuch, das gerade in der Nähe lag, dann rannte sie zurück ins Wohnzimmer, sie knallte den Schmuck auf den Tisch, dann riss sie das Bild von der Wand.
»Nimm alles«, sagte sie mit bebender Stimme, »mehr gibt es nicht, was an die Ehe mit dir erinnert, und nun verschwinde endlich und lass dich niemals mehr hier blicken. Ich schwöre dir, noch einmal kommst du nicht ungeschoren davon.«
Er klemmte sich das Bild unter den Arm, griff nach dem in das Tuch eingeschlagene Schmuck.
»Wir hätten uns nicht trennen dürfen«, sagte er. »Seit du weg bist, geht es bei mir bergab.«
»Wir hätten niemals heiraten dürfen«, erwiderte sie. »Dich zu heiraten war der größte Fehler meines Lebens.«
Sie ging zur Tür, öffnete sie, weil kaum anzunehmen war, dass er erneut den Weg durchs Fenster nehmen würde.
Er blieb sitzen.
»Wir hatten auch schöne Zeiten«, bemerkte er.
»Max, du hattest schöne Zeiten, ich habe die Arbeit gemacht, und du hast dich amüsiert. Aber ich will mich nicht mehr mit der Vergangenheit aufhalten, sie ist vorbei. Und du belästige mich nicht noch einmal, sonst mache ich das mit der einstweiligen Verfügung wirklich wahr. Du hast in meinem Leben nichts mehr zu suchen.«
Als er immer noch keine Anstalten machte zu gehen, griff Roberta entschlossen zum Telefon. Jetzt merkte er, dass sie es ernst meinte.
Er stand auf, als er in ihre Nähe kam, versuchte er tatsächlich seinen Charme spielen zu lassen. Sie machte einen Schritt zur Seite, und jetzt klang ihre Stimme schneidend: »Verschwinde und komme niemals wieder. Du bist nur noch peinlich, Max.«
Er ging, sie knallte die Tür hinter ihm zu, schloss ab, dann machte sie sich daran, die Scherben der zerschlagenen Fensterscheibe zusammenzufegen, und dann verklebte sie das Loch notdürftig. Dabei weinte sie.
Mit Dr. Max Steinfeld verheiratet gewesen zu sein, das bittere Ende der Ehe erlebt zu haben, das war schon Strafe genug.
Warum ließ er sie nicht einfach in Ruhe? Lag es an ihr, weil sie zu gutmütig war, oder stimmte bei ihr einfach etwas nicht, und sie hatte nicht die richtige Einstellung zu Männern.
Sie verstand bis heute nicht, warum sie Max eigentlich geheiratet hatte. All ihre Freunde hatten ihr von dieser Ehe abgeraten, auch ihr alter Kumpel Enno Riedel, von dem sie die Praxis übernommen hatte, nachdem der samt Familie seinen Lebensmittelpunkt nach Philadelphia verlegt hatte.
Roberta war eigentlich niemals wehleidig, heute ließ sie sich in diese Verfassung fallen.
Sie hob die Krankenakte vom Boden auf, die ihr beim Anblick von Max zu Boden gefallen war, legte sie auf den Tisch, denn heute würde sie darin gewiss nicht mehr lesen. Dazu war sie einfach zu aufgewühlt.
Sie schenkte sich ein Glas Wein ein, dabei merkte sie, wie ihre Hand zitterte. Sie setzte sich, dann ließ sie vor ihrem geistigen Auge noch einmal entstehen, was gerade geschehen war.
Wie abgebrüht Max doch war!
Und wie tief war er gesunken, einfach einzubrechen und dann ganz dreist Forderungen zu stellen. Max hatte es wirklich geschafft, ein Vermögen zu verjubeln oder was immer man auch dazu sagen sollte. Und dann herzukommen, einzubrechen und Forderungen zu stellen! Und wie abgebrüht war das denn, den Schmuck und das Bild mitzunehmen.
Es war nicht der Verlust des Bildes und der Schmuckstücke, was sie so sehr schmerzte. Im Grunde genommen konnte sie froh sein, dass nichts mehr im Haus war, was an die Zeit mit Max erinnerte. Nein, es war das Gefühl der Bitterkeit, sich an jemanden wie ihn sinnlos verschwendet zu haben.
Würde er wiederkommen?
Sollte sie vorsorglich wirklich etwas gegen ihn unternehmen? Sie hatte es mehrfach angekündigt, aber unternommen hatte sie nichts. Das machte sie nicht unbedingt glaubwürdig, besonders nicht für einen Mann wie Max, der sein Weltbild ohnehin so schaffte, wie es für ihn passend war. Wer oder was dabei auf der Strecke blieb, das war ihm herzlich gleichgültig.
Ob er sich wohl schon einmal um das Kind gekümmert hatte, das diese nette junge Frau von ihm erwartete und die sich Hilfe suchend an sie gewandt hatte?
Sie musste nicht darüber nachdenken, sonst kam sie aus dem Denken überhaupt nicht heraus.
Max Steinfeld hinterließ überall verbrannte Erde, und er hatte viele Baustellen.
Sie trank etwas von dem köstlichen Wein, den Lars noch gekauft hatte. Weil er ihnen so gut schmeckte, hatte er gleich eine ganze Lieferung davon bestellt.
Lars war so ganz anders. Er war großzügig, er schenkte sehr gern. Als sie das dachte, fiel ihr Blick auf den wunderschönen Ring, den er ihr geschenkt hatte und