Sophia und Angela von Bergen wussten es bereits, und die beiden Damen waren klug genug, sich für die Bredenbrocks zu freuen. Dass sie es zutiefst bedauerten, weil sie Maren und Tim in ihr Herz geschlossen hatten, dass sie auch deren Vater sehr mochten, das behielten sie für sich.
Das machte es vor allem Tim ein wenig leichter, Abschied zu nehmen, denn er und Angela waren ein Herz und eine Seele.
Maren musste noch ihrer Freundin Pamela Auerbach die Neuigkeit verkünden. Und das schob sie immer wieder auf, weil sie sich ein wenig vor dieser Eröffnung fürchtete. Pamela und sie waren Freundinnen, und deswegen kam es Maren jetzt ein wenig wie ein Verrat an der Freundschaft vor.
Sie konnte es nicht länger vor sich her schieben. Vor allem hatte sie Angst davor, dass Pamela es von Dritten erfahren könnte. Und das wäre mehr als fatal, zumal Pamela in dieser Hinsicht ja bereits sehr bittere Erfahrungen gesammelt hatte. Weil ihre Eltern so zögerlich gewesen waren, hatte ihre Freundin in einer Eisdiele von zwei geschwätzigen Frauen erfahren, dass man sie als kleines Mädchen adoptiert hatte. Pamela war emotional in einen Abgrund gestürzt, hatte mit den Auerbachs nichts mehr zu tun haben wollen. Und wäre da nicht ihr Bruder Hannes aufgetaucht und hätte sie mit zu sich nach Australien geholt, wo er zum Glück damals noch gewesen war. Inzwischen hatte sich ja bei ihm auch alles verändert.
Maren wurde immer bewusster, dass Veränderungen, das Lachen und Weinen, Glück und Schmerz, Verluste und noch mehr, das alles Leben war.
Sie musste unbedingt mit Pamela reden!
Wenn sie nur wüsste, wann der richtige Zeitpunkt war, wie sie es ihrer Freundin beibringen sollte. Maren war vollkommen gestresst, und dann auf einmal war es ganz einfach, da war der richtige Zeitpunkt da, ungeplant, einfach so.
Die beiden Mädchen hatten sich zu einer Radtour verabredet, das taten sie oft, und ihr liebstes Ziel bei schönem Wetter war der Sternsee.
Heute hatten sie schönes Wetter, die Luft war lau, die Sonne schien, und der Himmel über ihnen war so blau wie das Meer.
Sie waren schon eine ganze Weile nebeneinander her geradelt, hatten sich unterhalten, dann schlug Pamela vor: »Komm, wir setzen uns ein bisschen dort drüben auf die Bank. Ich habe uns auch Wegzehrung mitgebracht, nicht stibitzt, nein, meine Mama hat die Kekse für uns freiwillig herausgerückt.«
Maren war einverstanden, in erster Linie wegen der Kekse, die konnte Frau Auerbach backen wie sonst niemand. Pamela hatte eh ein so großes Glück, eine derart tolle Mama zu haben.
Die konnte einfach alles, und Maren dachte da in erster Linie an das wunderschöne blaue Kleid, das Pamela ihr zum Geburtstag geschenkt hatte und das von deren Mutter genäht worden war.
Pamela …
Sie war so froh, die als Freundin zu haben. Und diese Freundschaft hatte Maren das Eingewöhnen in ihr neues Leben auch viel einfacher gemacht. Der Sonnenwinkel, das Gymnasium in Hohenborn. Das war wahrhaftig für sie und Tim eine neue, eine sehr spezielle Welt gewesen. Aber damit war es ja jetzt vorbei, würde es, genau gesagt, in ein paar Wochen vorbei sein.
Die Mädchen setzten sich, Pamela packte die Kekstüte aus, stellte sie zwischen sie, und dann begannen die Mädchen zu essen.
Die Kekse waren köstlich, in San Francisco würde sie so etwas ganz gewiss nicht mehr haben.
San Francisco …
Der Augenblick war gekommen. Maren wusste auf einmal, dass sie das nicht länger vor sich herschieben durfte. Pamela musste die Wahrheit erfahren, jetzt.
»Pamela, ich muss dir etwas erzählen«, begann Maren vorsichtig, »bei uns gibt es nämlich etwas Neues.«
»Hat dein Papa sich mit der Freundin von der Frau Doktor vertragen?«, erkundigte Pamela sich prompt, die natürlich von Maren gewusst, dass es da etwas gegeben hatte, was leider in die Brüche gegangen war.
Früher wäre es für Pamela undenkbar gewesen, an Trennungen von Paaren zu denken. Mann und Frau gehörten einfach zusammen, und das für immer. Ihre Eltern, ihre Großeltern, ihre Geschwister waren leuchtende Beispiele gewesen. Doch dann hatte es angefangen zu bröckeln, Stella hatte mit den Kindern ihren Bruder Jörg verlassen, ihr Hannes hatte sich von Joy getrennt, die wirklich total cool gewesen war.
»Nö, das ist aus«, drang Marens Stimme in ihre Gedanken hinein, »leider. Nein, was ich dir zu sagen habe, das betrifft meinen Papa, Tim und mich.«
Pamela blickte zur Seite, sie vergaß sogar, den Keks in den Mund zu stopfen, was sie eigentlich vorgehabt hatte. Marens Stimme hatte so anders geklungen.
»Nun sag es endlich, Maren, mache es nicht so spannend.« Maren holte tief Luft.
»Wir werden hier wegziehen …, nach San Francisco, genau gesagt.«
Eine Bombe hätte keine größere Wirkung haben können, selbst dann nicht, wenn sie direkt neben ihnen eingeschlagen wäre. Was hatte Maren da gesagt?
San Francisco …
Das ging doch nicht!
Pamela war jetzt nicht in der Lage, etwas Gescheites zu sagen.
»Aber ihr habt doch das Haus von meiner Schwester und meinem Schwager gemietet«, kam es schließlich aus ihr heraus. Als wenn das jetzt wichtig wäre.
Maren nickte.
»Ja, das stimmt. Das Haus ist auch bereits gekündigt, und da müssen wir auch keine Kündigungsfristen einhalten. Mein Papa und der Herr Dr. Rückert kennen sich ja sehr gut. Und der sagt, dass es überhaupt kein Problem ist, ein solches Objekt sofort wieder vermieten zu können. Doch er und deine Schwester denken jetzt endgültig darüber nach, das Haus zu verkaufen. Sie werden niemals mehr zurück in den Sonnenwinkel ziehen, und in der letzten Zeit hat es doch häufiger einen Mieterwechsel gegeben, darauf haben sie keine Lust mehr. Da gibt es also keine Probleme, in der Schule auch nicht. Wir bleiben noch bis zu Beginn der Ferien, und die stehen uns, wie du selber weißt, in Kürze ins Haus.«
Dann erzählte sie ihrer Freundin von dem neuen Job, den ihr Vater in San Francisco annehmen würde, und dann begann sie einfach nur noch zu schwärmen. Bis sie einen kurzen Blick zur Seite warf und Pamelas verstörtes Gesicht bemerkte.
Sofort hörte Maren auf zu sprechen, und sofort bekam sie ein schlechtes Gewissen. Sie hatte sich in ein Entzücken geredet und dabei nicht einen Augenblick lang daran gedacht, dass sie nicht nur wegziehen, sondern auch ihre Freundin zurücklassen würde.
»Tut mir leid, Pamela«, sagte sie leise und verzichtete darauf, sich jetzt einen Keks aus der Tüte zu angeln, obwohl das schon verlockend war.
Pamela blickte ihre Freundin an.
»Das muss dir doch nicht leidtun. Mit San Francisco kann unser beschaulicher Sonnenwinkel natürlich nicht mithalten, und so richtig gefallen hat es dir hier eh nicht.«
»Aber ich habe dich sehr, sehr gern als Freundin«, antwortete Maren leise, »und dich dann nicht mehr zu sehen, das ist ganz schön blöd. Du warst von Anfang an für mich da, und du hast nicht aufgegeben, als ich ganz schön herumgezickt habe. Glaubst du, dass ich das vergessen habe? Pamela, du wirst mir fehlen, und du kannst mich in den Ferien ja mal besuchen kommen. Mein Papa hätte ganz gewiss nichts dagegen. Er mag dich sehr gern. Und dann können wir gemeinsam etwas unternehmen, und wenn wir uns nur mit einem Klappstuhl auf die Golden Gate Bridge setzen oder unentwegt mit den Cable Cars herumgurken, das macht bestimmt Spaß.«
Pamela blickte ihre Freundin traurig an.
»Danke für dein Angebot«, sagte sie leise. »Komm du erst einmal in San Francisco an, leb dich dort ein. Und dann sehen wir weiter.«
Maren war jetzt ein wenig irritiert, und das sagte sie ihrer Freundin auch.
»Maren, ich weiß, wie das ist. Was glaubst du wohl, was der Manuel und ich alles ausgemacht haben. Und mit dem habe ich meine ganze Kindheit verbracht. Er war für mich so was wie ein Bruder …, von den ganzen Versprechungen ist nichts geblieben. Anfangs