Durch das 12. BAföGÄndG, das für Schüler in Klasse 10 berufsbildender Schulen durch das 13. BAföGÄndG im Dezember 1990 noch geringfügig nachgebessert wurde, sind die Förderungsleistungen
– für Schüler berufsbildender Schulen und der Ausbildungsstätten des 2. Bildungsweges zur Fachhochschulreife, auch wenn die Ausbildung vom Elternhaus aus durchgeführt werden kann, wieder aufgenommen worden,
– insbesondere für Auszubildende an Hochschulen qualitativ wesentlich verbessert worden (50 v. H. des Betrages wurden als Zuschuss geleistet, eine einjährige Studienabschlussförderung wurde eingeführt) und
– durch Anhebung insbesondere der relativen Freibeträge nach § 25 IV weit in den Bereich der Eltern mit mittlerem Einkommen ausgedehnt worden.
Insgesamt war damit eine Leistungshöhe erreicht, die die vor den Leistungseinschränkungen in den Jahren 1981/82 bestehende ganz merklich überragte.
2.8Deutsche Einheit
Wie auf vielen anderen Lebens- und Rechtsgebieten hat die Herstellung der Deutschen Einheit auch zu wichtigen Folgerungen auf dem Gebiet der individuellen Ausbildungsförderung geführt. Der Geltungsbereich des BAföG wurde durch den Einigungsvertrag mit Wirkung vom 1.1.1991 auf das Beitrittsgebiet ausgedehnt. Es wurde angenommen, dass in dem neuen Teil der Bundesrepublik Deutschland von dem genannten Zeitpunkt an etwa 220.000 Auszubildende in Schulen und Hochschulen mit einem jährlichen Gesamtaufwand von rd. 1,25 Mrd. DM zu fördern seien.
Die schnelle Ausdehnung des BAföG-Geltungsbereichs war zur Herstellung einheitlicher Lebensverhältnisse in diesem Sozialleistungsbereich erforderlich. Das in der DDR geltende Stipendienrecht hatte wesentlich andere Grundstrukturen20: Mit der Verordnung über die Gewährung von Stipendien an Direktstudenten der Universitäten, Hoch- und Fachschulen der Deutschen Demokratischen Republik (Stipendienverordnung) vom 11.6.1981 war eine elternunabhängige Förderung eingeführt worden. Die Höhe des Regelstipendiums war nicht bedarfsdeckend; es gab aber eine ganze Reihe von Zusatzleistungen, die sich an früheren Lebensabschnitten (z. B. längerer Dienst in der NVA) oder aktuellen Studienleistungen orientierten. Bereits die nach den – ersten freien – Volkskammerwahlen am 18.3.1990 ins Amt gekommene Regierung de Maizière hatte mit einer Umstrukturierung begonnen: Sie ergänzte die elternunabhängigen Förderungsbeträge durch generelle Zuschläge, deren Höhe sich nach dem eigenen Einkommen des Auszubildenden, dem seines Ehegatten bzw. seiner Eltern bemaß. Diese Bestimmungen stellten einen guten Übergang von der Stipendienverordnung 1981 zum BAföG 1991 dar.
2.9Novellierungen 1996, 1998 und 1999
In der 13. Legislaturperiode (1994–1998) war die Ausbildungsförderung ein ständiges politisches Thema. Nachdem am Ende der 12. Legislaturperiode die beabsichtigte Novellierung des BAföG nicht die Zustimmung des Bundesrates gefunden hatte, legte die Bundesregierung zunächst den Entwurf des 17. BAföGÄndG erneut vor. Die Verbesserungen dieses Gesetzes erreichten die Auszubildenden damit erst im Herbst 1995.
Die weitere Entwicklung war von den außerordentlichen finanziellen Schwierigkeiten bestimmt, in denen sich Bund und Länder in gleicher Weise sahen. Sie waren vor allem die Folge der notwendigen Transferleistungen in die neuen Länder, der zur Erfüllung der „Maastricht-Kriterien“ erforderlichen Beschränkung der Neuverschuldung sowie der Konjunktur- und Strukturschwäche auch der deutschen Wirtschaft. Die Bundesregierung versuchte, finanziellen Spielraum zu schaffen durch Ersetzung der zinslosen Staatsdarlehen in der Studentenförderung mittels verzinslicher privater Bankdarlehen; die so gewonnenen Mittel sollten für eine Anhebung der Förderungsleistungen um 6 v. H. sowie für Hochschulbau und -sonderprogramme eingesetzt werden. Sie stieß damit auf nachhaltigen Widerstand vor allem bei Ländern, auf deren Zustimmung im Bundesrat sie angewiesen war. Die Regierungschefs von Bund und Ländern verständigten sich am 13.6.1996 darauf, die verzinslichen Darlehen im Wesentlichen nur für die Fälle vorzusehen, in denen im Tertiärbereich Ausbildungsförderung über die Förderungshöchstdauer hinaus geleistet wird; den damit nur in geringem Umfang vermehrt zur Verfügung stehenden Mitteln entsprechend waren nur geringfügige Leistungsverbesserungen möglich. Sie wurden im 18. BAföGÄndG realisiert.
Die Regierungschefs verständigten sich zugleich darauf, „das Recht der individuellen Ausbildungsförderung und andere Bestimmungen über die Gewährung öffentlicher Leistungen, die der Studienfinanzierung dienen, einer umfassenden Prüfung zu unterziehen“. Die Untersuchungen und Verhandlungen hierüber zogen sich bis in den Herbst 1997 hin. Die Wissenschaftsseite der Länder strebte an, Kindergeld und ausbildungsbezogene steuerliche Freibeträge durch einen eltern- und einkommensunabhängigen, unmittelbar an den Auszubildenden zu zahlenden Sockelbetrag von rd. 400 DM/mtl. zu ersetzen und ihn durch eine subsidiäre Leistung zu ergänzen21, auf Länderfinanz- und -justizseite bestanden vielfache, z. T. grundsätzliche Einwendungen22. Vor allem der Bund hielt an dem – aus seiner Sicht – bewährten BAföG fest und konnte sich allenfalls zu einer Vereinheitlichung der wesentlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Ausbildungsförderung einerseits und Kindergeld wie steuerliche Freibeträge anderseits verstehen. Der Kompromiss musste auch hier wieder von den Regierungschefs gefunden werden; er lag in einer Verbesserung der BAföG-Bedarfssätze (um 2 v. H.) und -Freibeträge (um 6 v. H.) zum Herbst 1998 durch ein 19. BAföGÄndG.
In der 14. Legislaturperiode (1998–2002) wurde die in den Jahren 1995 bis 1998 geführte Diskussion über eine neue Struktur der individuellen Ausbildungsförderung fortgesetzt. Dieser Beratungsprozess hat erfreulicherweise nicht gehindert, schon zu Beginn der neuen Legislaturperiode eine nennenswerte Verbesserung der Leistungen im traditionellen System vorzunehmen durch ein 20. BAföGÄndG; sie ist vom 1. Juli 1999 an wirksam geworden.
2.10AusbildungsförderungsreformG und 21. BAföGÄndG
Die Grundsatzdiskussion um die künftige Ordnung aller Bestimmungen über „öffentliche Leistungen, die der Studienfinanzierung dienen“, schien noch bis weit in die 14. Legislaturperiode (1998–2002) von der Vorstellung beherrscht zu sein, die Haushaltsmittel für Ausbildungsförderung und Kindergeld zusammen mit Beträgen in Höhe der durch die Kinder- und Ausbildungsfreibeträge bewirkten steuerlichen Mindereinnahmen einzusetzen für eine Realisierung der Grundgedanken des vom Deutschen Studentenwerk und einigen Landeswissenschaftsministerien entwickelten „Drei-Stufen/Körbe-Modells“23. Noch in den knappen Schlussfolgerungen des 13. Berichts nach § 35 BAföG v. 4.1.2000 (BT-Drucks. 14/1927, S. 47) heißt es: „Bei den Zielsetzungen einer effizienten systemgerechten Ausbildungsförderung geht es einmal um eine verbesserte Bedarfsdeckung für die Bedürftigsten sowie um eine Erweiterung des Kreises der Geförderten. Darüber hinaus ist eine erwachsenengerechte Ausgestaltung des BAföG beabsichtigt.“
Am 20.1.2000 jedoch stellte die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Edelgard Bulmahn, ihre konkretisierten Reformüberlegungen öffentlich vor (BMBF-Presse-Info 7/2000); am 26.1.2000 entwickelte Bundeskanzler Gerhard Schröder in einer Grundsatzrede auf dem Bildungspolitischen Kongress seiner Partei in Bonn seine Überlegungen zur Ausbildungsförderung. Beide hielten dabei – im Gegensatz zu den Schlussfolgerungen des 13. Berichtes nach § 35 – überraschenderweise an der Grundstruktur der Ausbildungsförderung als einer subsidiären Sozialleistung fest, neben der Kindergeld und steuerliche Freibetragsregelungen unverändert fortbestanden. Sie stimmten darin voll überein mit dem Entschließungsantrag der CDU/CSU-BT-Fraktion v. 27.10.1999 (BT-Drucks. 14/2031). Zugleich kündigten sie einen wesentlich erhöhten Mitteleinsatz zur Leistungsverbesserung an. In ihrem Entwurf für ein AusbildungsförderungsreformG machte die Bundesregierung damit Ernst, er wies Mehrausgaben von über 1 Mrd. DM für das erste volle Jahr 2002 aus.
Das AusbildungsförderungsreformG führte zu einer erheblichen Erhöhung der Leistungsparameter, zur Verbesserung einzelner Sachregelungskomplexe wie z. B. bei der Förderung von Ausbildungen im Ausland oder Studienabschlusszeiten, bei der Festsetzung der Förderungshöchstdauer und der Begrenzung der Darlehensrückzahlungsverpflichtung.