Aelia, die Kämpferin. Marion Johanning. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Marion Johanning
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958130302
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schimpfte Sarus. Dann ging er zu Verina und hob ihren Arm in die Höhe, um sie als Siegerin zu präsentieren. ­Verina lächelte. Dardanus ging zu ihr und musterte sie lange. »Sie ist hübsch geworden, Sarus«, meinte er schließlich. »Und offenbar besser im Kampf. Vielleicht sollten wir uns diesmal für sie entscheiden. Was meinst du?«

      Verina als hübsch zu bezeichnen, war reine Schmeichelei, das wussten alle, auch Verina selbst. Aber dennoch errötete sie, als Dardanus sie lobte.

      Sarus runzelte die Stirn. »Gewiss könnten wir sie nehmen«, sagte er in einem Tonfall, der nicht verriet, was er dachte.

      Der Händler lachte und klopfte Sarus auf die Schulter. »Schön, Mädchen. Kämpft weiter.«

      Mit diesen Worten verließ er die Halle und schloss die Tür hinter sich. Aelia blieb bestürzt zurück.

      *

      »Das hast du mit Absicht getan«, fuhr Aelia Verina an, als sie sich an jenem Abend auf dem Innenhof trafen. Verina stritt es nicht einmal ab. »Vielleicht wird es ja nur ein Schaukampf«, beschwichtigte sie.

      »Und wenn nicht?«

      »Dann werde ich das erste Mal einen echten Kampf haben.«

      Aelia atmete tief, um ruhig zu bleiben. Zum ersten Mal fühlte sie Wut auf die Freundin. »Du weißt nicht, wie das ist«, versetzte sie kalt.

      »Glaubst du, es wäre besser gewesen, wenn du ausgewählt worden wärst? Bist du so versessen auf die Kämpfe?«

      Aelia schüttelte den Kopf. »Wir hätten den Kampf so lange hin­halten können, bis eine andere gesiegt hätte, Eghild oder Marcia. Aber du musstest dich ja hervortun.«

      »Das habe ich getan, um dich zu schützen! Sonst hätte der Herr bestimmt wieder dich genommen, das weißt du genau!«

      Verina sah nun auch wütend aus, was sehr ungewöhnlich für sie war. Dabei hatte sie Recht – wenn sie Aelia nicht besiegt hätte, wäre Dardanus’ Wahl sicher wieder auf Aelia gefallen, wie bei den meisten Kämpfen. Aber nun war alles noch schlimmer. Nicht auszudenken, wenn Verina etwas bei dem Kampf zustoßen würde.

      Diese Sorge quälte Aelia noch die ganze Nacht. Sie wurde auch nicht besser, als Dardanus den Tag des nächsten Kampfes bekannt gab: Zu Neumond, einen Tag vor den Kalenden des November, ­würde jemand ein Gastmahl in der Stadt geben, dazu würde ein Schaukampf stattfinden. Man wollte den dunklen Mächten trotzen, indem man sich den Beginn des Winters mit Wein und Gesang versüßte. Es würde ein großes Festessen mit vielen Gästen sein, zu dem auch Schauspieler und Sänger geladen waren. Der Schaukampf würde Teil eines Theaterstücks sein, das an jenem Abend aufgeführt werden sollte.

      Verina gab sich mit Eifer den zusätzlichen Übungen hin, die Sarus nun jeden Tag von ihr verlangte. Am Abend der Neumondnacht ­wurde sie in ein Seidengewand gehüllt. Es hatte die Farbe einer dunklen Tanne, war an den Säumen mit goldenen Bordüren besetzt und passte ausgezeichnet zu ihrer blonden Perücke, die der Gastgeber hatte schicken lassen.

      Voller Unbehagen beobachtete Aelia, wie Hilarius die Pferde vor den Reisewagen spannte und Verina von Dardanus und Sarus zum Wagen begleitet wurde. Mit der Perücke und ihrem kostbaren Kleid sah sie fremd aus, wie eine Tochter aus reichem Haus.

      Aelia sah den Wagen über den Hof rollen. Als das Tor sich hinter ihm schloss, fühlte sie sich verlassen wie schon lange nicht mehr. Die Nacht verbrachte sie unruhig, träumte wirr und erwachte früh. Ungeduldig wartete sie darauf, dass Hilarius ihnen aufschloss, und als er es endlich tat, stürzte sie aus ihrem Verschlag, doch Hilarius hielt sie auf. Mit dem eisernen Griff eines alten Gladiators packte er sie am Arm und hielt sie fest.

      »Wohin willst du?«

      »Zu Verina!«

      Hilarius ließ sie nicht los.

      »Du gehst in die Küche wie alle anderen«, sagte er ruhig.

      Aelia beobachtete über seine Schultern hinweg, wie Marcia mit bleichem Gesicht aus dem Verschlag kam, den sie sich mit Verina teilte.

      »Wo ist sie?«, hörte sie sich rufen.

      Ihre Stimme hallte schrill durch den Gang, aber niemand ant­wor­tete. Die Mädchen schlichen schlaftrunken aus ihren Verschlägen. Mit einem heftigen Ruck riss Aelia sich los, rannte den Gang entlang und starrte in Verinas und Marcias Kammer. Verinas Holzpritsche stand unbenutzt da, die Wolldecken lagen ordentlich gefaltet unter dem Kissen. Aelia schüttelte ihren kahlen Kopf. Sie musste sich am Türrahmen festhalten, als sie Hilarius hinter sich gewahrte.

      »Bei allem, was du tust, bedenke die Folgen«, warnte er sie.

      Hilarius war ein kluger, gutmütiger Mann. Die Kämpfe in der Arena hatten ihn nicht verbittern lassen, sondern zu einem beherrschten und besonnenen Menschen gemacht. Aelia starrte ihm in die Augen, die sie ruhig ansahen, um dann an ihm vorbei zu Marcia zu hasten.

      »Wo ist sie?«

      Marcia ging langsam neben ihr her, den Blick auf den Boden geheftet. Sie kam Aelia wie eine Schlafwandlerin vor.

      »Sie ist nicht zurückgekehrt.«

      »Was hat das zu bedeuten?«

      »Himmel, was weiß denn ich?«, versetzte Marcia gereizt und stieß die Tür zum Innenhof auf. Kühle Luft strömte ihnen entgegen. Unter einem grauen Himmel waberte Morgendunst, der das rote Hausdach bedeckte. Selbst der Brunnen im Hof war umhüllt von dunstig feuchter Luft. Während die Mädchen lustlos den Eimer hochzogen und sich mit dem kalten Wasser ihre Gesichter wuschen, lief Aelia in den Stall.

      Das Pferd fraß friedlich seinen Hafer. Sie lief an ihm vorbei durch die Tür zum Schuppen, wo der Reisewagen des Händlers stand. Er war schön, aus hellem Holz, mit einem bronzenen Dach überwölbt. An den hölzernen Speichen der Räder klebten Reste von Schlamm. Aelia öffnete die Tür, spähte in das Innere, in dem sie selbst oft gefahren war, als könnte sie darin noch Spuren von Verina entdecken. Sanft fuhr sie mit dem Finger über die mit Stoff bezogenen Sitzbänke. Dann schlug sie die Tür zu und rannte in die Küche.

      Die Köchin Gnaea stand bleich und mit kummervollem Gesicht am Herd. Sie war eine dicke, vierschrötige Frau und schon Ewigkeiten in Dardanus’ Haus. Sie warf Aelia einen warnenden Blick zu, als diese die Küche betrat. Nach und nach versammelten sich alle Mädchen um den Tisch, an dessen Kopfende sich Sarus niederließ und wie jeden Morgen das Morgengebet sprach. Hilarius postierte sich an der Tür, was er sonst nie tat. Es dauerte nicht lange und Dardanus erschien. Er blickte kurz in die Runde der Mädchengesichter, lächelte, rieb sich die Hände.

      »Bei unserer lieben Gnaea brennt immer ein wärmendes Feuer, viel besser als auf den kalten Straßen von Treveris.«

      Er trat an den Herd, um sich die Hände zu wärmen. Diesmal trug er einen Kaninchenfellüberwurf, der bis an die Schäfte seiner Stiefel reichte. Er drehte sich wieder um und legte die Hand auf Gnaeas Arm.

      »Wie schön du immer alles richtest!«, lobte er und schnupperte. »Bei diesem Geruch läuft euch sicher das Wasser im Mund zusammen, oder?« Der Blick aus seinen dunklen Augen huschte über die Mädchen. Einige nickten, andere sahen schweigend auf ihr Brot hinunter. Keines wagte, das Brot anzurühren, solange Dardanus sprach.

      »Ich habe eine gute Nachricht für euch!«, rief er. »Verina hatte ­gestern beim Schaukampf überwältigenden Erfolg. Sie hat das Publikum so begeistert, dass einer der Zuschauer sie kaufen wollte. Ich konnte mich seinen Bitten nicht verschließen und habe sie ihm überlassen.«

      Er griff zum Brotlaib, brach sich ein Stück ab und schob es sich in den Mund. Die Mädchen saßen reglos am Tisch und vermieden es, einander anzusehen, als fürchteten sie, die anderen könnten erraten, was sie dachten. Aelia saß still wie alle anderen, doch dann hob sie den Kopf und beobachtete, wie der Händler sich erneut ein Stück frisch gebackenes Brot in den Mund schob. Wut überkam sie.

      »Wo ist Verina jetzt?« Ihre Stimme hallte lauter durch die Küche, als sie beabsichtigt hatte. Verwundert blickte Dardanus sie an und vergaß für eine Weile, den Mund zu schließen, während er kaute.

      »Ich