Gundula erwiderte den Kuss. »Nein, Schatz, alles ist gut. Können wir nun zum Tauchen?«
Ja, der Plan war ziemlich perfekt, während Karl Sabine in der Wüste für immer losgeworden war, hatte Gundula hier im Hotel die wartende liebe Ehefrau gespielt, und jedermann würde unter Eid bezeugen können, dass sich die Hansens zum einen liebten, zum anderen gemeinsam zum Tauchen aufgebrochen waren. Die Charade war schon klug erdacht und die Einzige, die bei allem wirklich die Arschkarte hatte, war Sabine. Sie würde alles verlieren, ihr Geld, ihre Freiheit und irgendwann sicher auch ihr Leben, denn sowohl Karl als auch Gundula rechneten nicht damit, dass Sabine länger als ein paar Tage unter den extremen Bedingungen überleben würde, zumal sie sich sicher mit ihrer großen Klappe bei einem Mann aus diesem Land nicht gerade Liebkind machen würde.
Karl bot Gundula seinen Arm an, und so verließen beide in großer Eintracht die Lobby des Hotels und liefen zum hoteleigenen Anleger, wo bereits das gecharterte Motorboot auf die beiden wartete. Unterwegs achteten beide betont darauf, dass sie wahrgenommen wurden. Karl startete das Boot und mit zunehmender Geschwindigkeit steuerte er es durch die kleine Bucht raus auf das offene Rote Meer. Der Bug stieg mit zunehmendem Tempo aus dem Wasser, die Heckwelle wuchs rasch, sodass es nur wenige Minuten dauerte, bis die beiden mit dem Boot außer Sichtweite des Hotels und der Küste waren. Der Plan war recht einfach. Gundula sollte die Tauchausrüstung anlegen, und offizielle Sprachregelung sollte die sein, dass Sabine weit draußen an den letzten Riffs getaucht, wohl die Zeit nicht eingehalten hätte und wohl auch leicht zu tief geraten wäre und ihr dann die Luft da unten ausgegangen sei. Karl hätte, wie verabredet, gewartet und wäre auch nach der Zeit noch einige Minuten geblieben, um erst dann zurückzufahren. Gundula würde also Sabine spielen, würde aber kurz vor dem Hafen mit genügend Sauerstoff abtauchen und in der Nachbarbucht, die sehr einsam und kaum frequentiert war, an Land gehen und sich in die allein reisende Gundula Ganzer verwandeln, die nur mal eben dort schwimmen war.
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Die beiden zogen den Plan durch, der auch perfekt funktionierte, und so spielte Karl nach Stunden bei seiner Einfahrt in die Bucht den bestürzten und überaus besorgten Ehemann, der völlig aufgelöst war – nahe einem Nervenzusammenbruch. Alles perfekt, alles ideal, und so war es auch mehr als verständlich für jeden Beobachter, dass Karl Hansen, entgegen der Buchung, zwei Tage, nachdem die offizielle Suche nach der verunglückten Sabine Hansen eingestellt worden war, den Rückflug antrat, um in der Heimat das Notwendige einzuleiten.
In Hamburg waren die Behörden schon im Bilde, das Konsulat in Sharm el Sheikh hatte einen ausführlichen Bericht geschickt und auch die Sicht der ägyptischen Behörden sowie deren Ermittlungsergebnisse an die deutschen Behörden weitergeleitet, und so war von Anfang an jedem klar, dass hier ein Ehemann um seine Ehefrau trauerte. So half man diesem armen Mann, der gerade auf so tragische Art seine geliebte Frau verloren hatte, bei allen notwendigen Behördenangelegenheiten.
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Es waren daher auch gerade vier Wochen verstrichen, als Karl und Gundula gemeinsam auf dem Sofa saßen und das Schreiben des Amtsgerichtes betrachteten, in dem das Gericht Frau Sabine Hansen für tot erklärte und der Richter Karl sein Beileid zu dieser Tragödie aussprach. Die schauspielerische Leistung der beiden Ärzte, die sich schon lange heimlich liebten, war eigentlich reif für den Oskar, und so fragte niemand mehr nach Sabine Hansen, die war jetzt offiziell tot und Karl der einzige Erbe.
In der Wüste
Das Kamel kannte wohl den Weg, auch wenn in der Wüste jeder Pfad dem anderen glich. Ich hätte niemals wieder ohne Hilfe aus dieser Wüste gefunden, und jeweils nach einer Stunde gönnte mir Yussuf eine kleine Pause, reichte mir auch jedes Mal einen Ziegenledersack, in dem das Trinkwasser für unsere Reise aufbewahrt wurde.
»Kleine Schlucke, Sklavin, oder willst du hier in der Wüste umkommen?«, ermahnte Yussuf mich die ersten Male, und nachdem auch er sich gestärkt hatte, ging es weiter.
Nach der fünften Pause erreichten wir eine kleine Oase, bestehend aus einem einzigen Brunnen und einem Dutzend strauchartiger Büsche. Hier lagerte Yussufs Karawane und erwartete ihn mit seiner Handelsware zurück. Zwei Männer und eine Frau begrüßten ihren Herrn, denn wie sich später herausstellte, waren es die drei Aufseher der Karawane, die ansonsten nur aus Kamelen und bestimmt zwei Dutzend Sklaven bestand, die im Schatten eines Busches lagerten. Alle dieser bedauernswerten Geschöpfe waren mit einer einzigen Kette verbunden, und kaum angekommen, zog mich ein Aufseher vom Kamel weg an das Ende der Kette. Er befestigte meine Handfesseln mit einer kurzen Kette an dieser Reihe von Sklaven und zeigte mir an, mich wie die anderen Sklaven zu setzen. Mein Blick streifte neugierig die mit mir angeketteten Leidensgenossen, und ich war, wie ich erkannte, wohl die einzige Europäerin. Die anderen waren Schwarze, und ich konnte auch zwei asiatisch anmutende Frauen erkennen.
Wir blieben die Nacht über im Schutz dieser kleinen Oase und brachen erst am nächsten Morgen vor dem Sonnenaufgang auf, und nun waren es Yussuf und seine drei Helfer, die auf Kamelen ritten. Ein halbes Dutzend weitere Kamele trug die Zelte und die Vorräte an Proviant, ohne die jedes Überleben in der Wüste vollkommen unmöglich gewesen wäre. Vor dem Aufbruch bekamen wir einen weißlichen, süß schmeckenden Brei und eine Schale schalen Wassers, und ich tat es den anderen an der Sklavenkette gleich und aß alles auf. Meine Beine und vor allem meine Füße taten mir weh, ich war so eine Lauferei unter diesen Bedingungen nicht gewohnt, hatte gestern während des stundenlangen Gehens bereits Probleme in den Waden gehabt, und versuchte nun, die aufkommenden Beinschmerzen zu verdrängen, indem ich mich auf meinen Vordermann an der Kette konzentrierte und im Tritt blieb. Ohne Uhr war man ja schnell zeitlich desorientiert, aber wir waren jetzt bestimmt schon Stunden gelaufen oder dahingetrottet, als vier Positionen vor mir in der Kette ein wohl schon älterer Sklave vor Schwäche in den Sand sank und plötzlich alle stoppen mussten. Einer der Aufseher stieg von seinem Kamel ab und wollte schon mit der Peitsche auf den am Boden Liegenden einschlagen, als er erkannte, dass hier wohl kein Peitschenhieb mehr half, denn der arme Kerl war einfach erschöpft, und das sah man auch sofort. Der Aufseher blickte nun Yussuf an, und dieser nickte nur kurz, als ob er mit etwas einverstanden wäre. Der Aufseher löste die Kette, an der der erschöpfte Sklave mit uns anderen verbunden gewesen war, und zog den Mann hinter eine kleine Düne. Keine Minute später kam er allein nur mit den Handfesseln in der Hand zurück, und als ob er sich erklären wollte, deutete er mit einer Handbewegung am Hals Yussuf an, dass er das Problem auf eine Art gelöst habe, die wohl bei allen Sklavenkarawanen üblich war. Der Aufseher hatte den Sklaven mit einem Kehlenschnitt erlöst, und wahrscheinlich kam er sich dabei auch noch sehr human vor, denn das würde er ja auch für ein krankes Kamel oder ein lahmendes Pferd tun.
Bei dieser Zwangspause gab es dann gleich noch für alle verbliebenen Sklaven, und das galt ja auch dann für mich, einen Schluck aus der Ziegenblase, bevor der Aufseher sein Kamel bestieg und sich die Karawane immer tiefer in die Wüste begab. Bevor die Sonne dann ihren höchsten Punkt erreichte, machten wir eine Rast, ansonsten wären sicher noch mehrere vor Schwäche umgefallen, auch ich war einem Schwächeanfall öfter nahe und nur das Erlebte und die Gewissheit, dass ich auch hinter einer Düne ermordet werden würde, hielten mich auf den Beinen. Für Yussuf und seine Begleiter wurde rasch ein schützendes Zelt errichtet, wir Sklaven sanken da in den Sand, wo wir geradestanden, und nun war ich über diese Burka heilfroh, denn sie schützte mich vor der Sonne und einem mächtigen Sonnenbrand. Ich schwitzte zwar sehr, aber ich wollte wirklich leben, denn seit gestern hatte ich ein neues Lebensziel: Ich wollte es dem Menschen, der mir all das angetan hatte, heimzahlen, wie, war vollkommen egal, aber er sollte einfach für das büßen, was er mit mir gemacht hatte.
Es war schon später Nachmittag und die Sonne stand weit im Westen, als das Zelt abgebrochen wurde und es für jeden Sklaven wieder diesen zähen Brei und auch eine Ration Wasser gab. Wie an der Perlenschnur gezogen wanderte unsere Karawane weiter, und erst nachdem die Nacht herangebrochen war, schlugen wir wiederum in der Wüste unser Nachtlager auf. Aus aufgesammelten Kameldungbatzen wurde das kleine Feuer inmitten der Lagerstätte genährt, und alle Menschen, auch wir Sklaven, suchten das wärmende Feuer, denn im Gegensatz zu der Hitze des Tages waren die Nächte in der Wüste kühl. In Gedanken ließ ich den Tag Revue passieren und dachte immer wieder an den armen ermordeten Schwarzen,