Deborah schien sich erst wieder sammeln zu müssen, um antworten zu können. »Ja, äh, gut … Dann gehen wir mal. Gute Nacht.« Sie stieß Stanley in die Seite, der sich anscheinend nicht losreißen konnte.
So schnell wie die beiden im Zimmer erschienen waren, so schnell waren sie wieder fort. Carols Kopf sank gerade ins Kopfkissen, so dass sie nach zehn Sekunden glaubte zu ersticken. Wie peinlich, wie peinlich, wie peinlich, dachte sie immerzu und schämte sich in Grund und Boden. Die Lust war ihr vergangen. Ihre Muschi hatte sich beruhigt, nichts war mehr von der vor wenigen Minuten noch verspürten, feurigen Sinneslust vorhanden. Carol war zum Weinen zumute. Vor Lustentzug und Scham. Sie beugte sich vom Bett hinunter, schnappte nach der Decke, zog sie sich über und sank bald darauf in einen tiefen Schlaf.
***
Vernissage Fatale - Kapitel 5
Das Gebäude des »Denver Art Museums« war der Hammer! So ein aggressives, abstraktes Gebäude hatte Carol noch nie gesehen. Silberne, schwere Pfeiler ragten in Spitzen über das Gebäude hinaus und stachen teils in den Himmel, teils mitten in die seitliche Gegend. Das Ganze war umgeben von den gigantischen Wolkenkratzern Denver Downtowns.
Auch im Gebäude selber war alles sehr besonders und herausfordernd gestaltet. Hier wiederholten sich die Spitzen und Kanten. Die Treppen waren unegal: mal breit, mal schmal mit unterschiedlichen Längen. Von unten betrachtet wirkte es, als endeten sie im Nirgendwo. Auch die Ausstellungsräume waren abnorm verwinkelt und mit spitzen Elementen versehen. Carol fühlte sich wohl. Sie war so überrascht von diesem Museum, dass sie beinahe ihre Ausstellung von »Sandford Greene« vergessen hätte. Sie folgte einigen dezenten Hinweisschildern, die die Kulisse des Abstrakten nicht zerstören sollten und fand sich in Räumen am Ende des Gebäudes wieder, wobei sie hoffte, jemals wieder den Rückweg finden zu können. Die Bilder waren fantastisch. Sie hatte schon einiges von »Sandford Greene« gesehen, doch es wurden nie alle Werke, meist nur die bekanntesten von ihm, gezeigt. Carol wunderte, dass das Gebäude nur von sehr wenigen Menschen besucht war. Wahrscheinlich verlief es sich in den Wirrungen der unterschiedlichen, verwinkelten Räume.
Nach etwa einer Stunde glaubte Carol alles erspäht und genossen zu haben, was sie sehen wollte, doch es ging immer weiter. Von einem Raum mit einem kleinen Fenster, in das die Abendsonne schräg hereinfiel, war Carol ganz fasziniert. Hier stand, weil es wohl so groß war, nur ein einziges Bild. Es war nicht an eine Wand gelehnt, sondern die Wand war eine riesige Spitze, die nach hinten zeigte. Es war eine der Spitzen, die aus dem Gebäude herausragten. Nur mit der oberen Kante lehnte das Bild an dieser abstrakten Wand. Das Bild war eigentlich nichts Besonders, aber es strahle eine ungeheure Faszination auf Carol aus. Dort lag eine langbeinige, blonde Frau auf einem feuerroten Sofa. Sie hatte einen Arm so über ihren Kopf gelegt, dass die geöffnete Hand auf ihrer Stirn nach oben lag, und der andere Arm vom Sofa herabhing. Die Blonde hielt die Augen geschlossen. Ein Zug der Entspannung und Erregung lag auf ihrem Gesicht. Zwischen ihren Beinen, am Ende des Sofas, befand sich eine dunkelhaarige Frau, die sie mit halbgeöffnetem Mund, das Kinn zur Brust gezogen, unter wollüstigen Augen anblickte. Ihre Hände lagen auf den Oberschenkelseiten der Blonden und ihr Körper war angespannt.
Carol konnte nicht wegsehen. Dieses Bild war voller Erotik und Leidenschaft. Sie sah vor ihrem geistigen Auge, wie die Dunkelhaarige ihren Körper nach vorne schob und ihre Zunge in dem Geschlecht der Blonden verschwinden ließ. Carol seufzte.
»Macht es dich an?«, fragte eine männliche Stimme.
Carol wollte sich umdrehen, doch die Hände zu der Stimme hielten sie an den Schultern fest. »Sieh nach vorne. Sag mir, was du siehst.«
Carol hatte ihn sofort erkannt. Es war Stanley. Ihr Herz machte einen Satz und hämmerte in ihrer Brust weiter. »Was machst du hier?«, fragte sie.
»Das war nicht meine Frage. Was siehst du?«
Carol war verwirrt, sie wusste nicht, wie sie auf die Situation reagieren sollte. Warum war er hier, was wollte er hier, hatte er nicht genug von gestern? »Gestern Abend … tut mir leid, dass ich da so …«
»Nein, nicht. Gestern Abend hast du mich wahnsinnig angemacht. Als ich deinen nackten Körper sah, dachte ich, es sei um mich geschehen. Aber jetzt sind wir hier. Was siehst du? Was denkst du?«
Carol versuchte sich zu konzentrieren. Seine Aura, sein Duft und seine Nähe machten sie schwach. Ihr Herz klopfte zum Zerspringen. Als wenn er es gespürt hätte, kam er dicht an sie heran und schlang die Arme von hinten um sie. Dabei lagen seine Arme über ihren Brüsten. Sofort stellten sich die sensibilisierten Brustwarzen auf und pressten sich gegen den BH-Stoff.
»Die Frau, sie will die andere …« Carol zwang sich, das zu erfassen, was sie wirklich dachte und was davon sie nur preisgeben wollte.
»Wer will wen?«
Carol holte Luft und hielt den Atem an. Nach ein paar Sekunden stieß sie die Luft wieder aus. »Ich kann das nicht!« Sie versuchte, sich zu ihm umzudrehen, doch er hielt sie fest.
»Was kannst du nicht?«, fragte er erneut.
»Das, was wir hier gerade machen.«
»Wir machen doch gar nichts. Wir stehen vor einem Bild und sprechen darüber, so wie jeder andere Museumsbesucher auch.«
»Du hältst mich aber fest, als seien wir ein frisch verliebtes Pärchen.«
»Sind wir das nicht?«
»Was?« Carol gab sich nun alle Mühe sich von ihm zu lösen und schaffte es, so dass er seine Arme von ihr nehmen musste. Sie blickte zu ihm hoch. Eine seiner längeren Haarsträhnen war ihm seidig ins Gesicht gefallen und schwang leicht in seinen Bewegungen. »Was läuft hier? Was machen wir, besser gesagt, DU! Du stehst kurz vor deiner Hochzeit.«
»Man sollte sich nicht den Kopf über ungelegte Eier zerbrechen.«
»Wie bitte, was meinst du damit?«
»Carrie, warum musst du …«
»Ich heiße nicht Carrie, ich heiße Carol!«, unterbrach sie ihn scharf.
»Für mich bist du Carrie!«, sagte er sanft.
Sie verschränkte die Arme, um ihn ihre Reaktion auf ihn nicht sehen zu lassen und blickte zum Fenster.
Er fasste sie bei den Schultern, dann hob er ihr Kinn mit einer Hand und blickte ihr in die Augen. »Carrie, wovor hast du Angst?«
»Es ist nicht richtig, was wir tun! Deborah ist meine Freundin.«
»Was tun wir denn? Wir stehen hier und betrachten ein Bild.«
»Na schön. Dann besser gesagt: was wir tun werden ...«
Er lächelte. »Was werden wir denn tun?«
»Stanley, du weißt genau, was ich meine!«
»Das Leben ist unberechenbar. Schließ die Augen und genieße den Augenblick. Du wirst in deinem Leben wahrscheinlich nie wieder in den Genuss von dieser Art Abenteuer kommen.«
»Aber, ich kann doch nicht …«
»Doch«, unterbrach er sie scharf. »Du kannst! Du willst es ja auch! Lass doch deinen Gefühlen freien Lauf.«
»Woher willst du wissen, ob ich auch will?«
Stanley atmete tief ein und aus, schloss kurz die Augen und als er sie öffnete, blickte er sie genauso sachlich an, wie sie redete. »Ich habe es bemerkt, stell dir vor. Ich bin ein menschliches Wesen mit Augen, Gefühl, Verstand und Kombinationsgabe.«
»Aber wir können nicht …«
»Hör auf, Carol!«, sagte er schroff.
»So, jetzt bin ich auf einmal wieder Carol!«
Stanley drehte sich um und ging.
Vernissage Fatale - Kapitel 6
Erschrocken